Geschichte, Und Mehr

Geschichte

01.05.2022          Die kurze Geschichte der Menschheit
Den Menschen als Krone der Schöpfung zu bezeichnen, wie noch vor gar nicht langer Zeit üblich, gilt inzwischen mit Recht nur noch für die Qualität dessen, was wir Intelligenz nennen. Und die ist ein Zufallsprodukt der evolutionären Entwicklung auf unserer Erde. Auf der haben sich in den etwa 4,5 Milliarden Jahren seit ihrer Entstehung eine heute für uns noch immer nicht übersehbare Vielzahl von Lebewesen entwickelt. Das auch nur einigermaßen objektiv zu begreifen, fällt uns schwer, schon aufgrund der im Verhältnis dazu geradezu unglaublich kurzen Lebenszeit unserer Menschheit, und erschwert noch durch das sogar dazu extrem geringen Jahre des einzelnen Lebens.  Das war kein Problem, solange der Mensch sich wie alle anderen Lebewesen auf Überleben und Fortpflanzung als die bis dahin üblichen Pfeiler der Evolution beschränkte. In den Jahrmilliarden hat sich unsere Erde nämlich zu einem Kosmos entwickelt, in dem alles Leben sich gegenseitig bedingt, ergänzt und neues Leben ermöglicht. Das Verhängnis begann mit dem dritten Pfeiler der Evolution, der Lebewesen bevorzugt, die sich am besten den jeweiligen Verhältnissen und ihrer Umgebung anpassen. Das dabei entstandene einmalige Phänomen, das wir als unseren Verstand bezeichnen, hat diesen Kosmos grundsätzlich verändert. Aufgrund der durch den Verstand erreichten Überlegenheit haben wir uns nicht nur unglaublich vermehrt, sondern auch – zumindest für einen Teil von uns – das Leben bequemer, länger und interessanter gemacht. Und das alles in einem selbst nach unseren Maßstäben unglaublich kurzen Zeit. Diese für uns grundsätzlich positive Entwicklung hat aber auch unseren Platz in der Evolution dramatisch verändert. Wissenschaftler mit dem entsprechenden Sachverstand verdeutlichen seit Jahrzehnten: Der Raubbau der Ressourcen für Nahrung, Kleidung, Obdach und für Gesundheit, Bequemlichkeit und Konsum, und das Alles für immer mehr Menschen und immer mehr Unnötiges, wird schon in wenigen Generationen erst einmal für die ärmere Bevölkerung nicht mehr ausreichen. Den Folgen daraus will sich allerdings eine Mehrheit von uns nicht stellen. Aufgrund unserer kurzen Lebenszeit haben wir auch bisher noch nicht die soziale Bildung erreicht, die uns die Einsicht für das notwendige umgehende Handeln vermittelt. Die vom Verstand gesteuerte Intelligenz hat uns zwar die Vorteile gebracht, die wir heute genießen. Das Bewusstsein dafür, welche Folgen das für die weitere Existenz der Gattung Mensch haben wird, hat die Mehrheit von uns nicht erreicht. Sie wird das auch in der Zeit, die ihr noch bleibt, nach meinem Dafürhalten, nicht schaffen. Die Coronapandemie läßt ja einige Menschen hoffen, dass sie ein Umdenken in Richtung andere Werte und mehr Solidarität bewirkt. Das dürfte nicht zutreffen, wie der Geschichtsexperte Reinhardt in seinem gerade erschienenen Buch: Die Macht der Seuche anhand der Pest im 14. Jahrhundert erläutert. Corona wird danach eine Episode bleiben und es wird keine Wendezeit entstehen.
Enden wird es wohl mit dem erbitterten Kampf zwischen Arm und Reich, den – zuerst einmal – die Reichen gewinnen werden. So hat es bereits Herr Soros, einer der Reichsten unter uns, vor Jahren vorhergesagt. Doch auch wenn dann erst einmal vielleicht eine kleine Minderheit überleben wird. Aufgrund der technischen und digitalen Entwicklung wird es immer Menschen geben, die vor ihrem sicheren Ende alles daransetzen wird, diese Überlebenden mitzunehmen oder ihnen zumindest das Weiterleben zur Hölle zu machen. Für die nächsten Generationen eine trübe Zukunft.

30.7.2021      Andrea Wulfs Humboldt
Auf dem Gymnasium habe ich die deutsche Geschichte gleich zweimal durchgenommen, leider nur jeweils bis zum ersten Weltkrieg, dann wurde es unbekanntes vielleicht vermintes Terrain. Aber auch für das Jahrhundert davor hat mir erst die deutsch-britische Kulturhistorikerin Andrea Wulff (geb. 1972 in Indien und mehrfach preisgekrönte Autorin) mit ihrem Buch ‚Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur‘ die Augen geöffnet, und wie!  Ihre umfassende und packende Beschreibung seines Lebens und des gesamten Jahrhunderts ist überwältigend und man hat auch beim zweiten Lesen noch genau so viel davon. Ich denke auch, Humboldts Beschreibungen und Erkenntnisse waren und sind für das Verstehen des Klimawandels und seiner Entwicklung von einer nicht gar einschätzbaren Wichtigkeit.

02.2022          Heute und Gestern
Unsere Gegenwart und unsere Zukunft können wir nicht beurteilen ohne unsere Vergangenheit zu kennen. Das habe ich inzwischen gelernt und deswegen hat mich eine für die damalige Zeit sicher nicht untypische Geschichte sehr berührt, die gerade einmal etwa 150 Jahre – also vier Generationen – alt ist. Die verstorbene Brunhilde Hoffmann aus Ober Erlenbach, zusammen mit ihrem Mann unsere ältesten Freunde dort, die neben ihren vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten unermüdlich die Geschichte des Ortsteils und vor allem der Sozialdemokratie und der Verfolgten unter dem Naziregime recherchierte, hat diese Geschichte hinterlassen. Ich habe sie in ihrer Hinterlassenschaft. Und es hat da stattgefunden, wo ich mehrere Jahrzehnte gut und in Sicherheit gelebt habe. Es zeigt uns, wie es noch vor gar nicht langer Zeit aussah, und wie dankbar wir sein sollten für das Heute. Die ausführliche Fasung hat der Journalist Günther Scherf im Buch ‚Heimat Hochtaunus‘ (Verlag Walsdemar Kramer 1888) verfaßt. In gekürzter Fassung habe ich es hier übernommen:
Adam Webers Schicksal
Der 1846 in Ober Erlenbach, in dem wir 40 Jahre gewohnt haben, heute ein Vorort von Bad Homburg, geborene und als Maurer ausgebildete Adam Weber war nach seiner Heirat 1874 mit Frau und Sohn nach Frankfurt gezogen, wo er Wohnung und Arbeit fand. Allein aus dem vor allem landwirtschaftlich geprägten kleinen Ort waren bereits zehn Familien nach Amerika ausgewandert. Sieben-Tage-Woche, 12-Stundentag, Kinderarbeit, ein Drei-Klassen-Wahlrecht und kaum öffentliche Verkehrsmittel waren damals Standard für die Mehrzahl der Arbeitenden – auch für Weber, der zwar gute Arbeit leistete, dem es aber an Unterwürfigkeit fehlte. Denn im deutschen Reich konnten Städte aufgrund des Bismarckchen Sozialistengesetzes den ‚kleinen Belagerungszustand‘ verhängen, Frankfurt verhängte ihn 1886. Er erlaubte es, politisch Mißliebige aus Kreis oder Stadt auszuweisen, und das binnen drei Tagen und ohne Begründung. Da Weber sozialdemokratische Ideen vertrat und nach Polizeiangaben im Maurer-Fachverein ‘agitiert’ hatte (nach dem Verbot der Gewerkschaften hatten sich vielerorts Handwerkervereine gegründet), geriet er auf eine der zu diesem Zweck geführten schwarzen Listen und wurde noch im selben Jahr am Tag nach Heiligabend aus Frankfurt ausgewiesen. Frau und Kind mußte er zurücklassen. Er zog über Offenbach, wo wenige Tage später ebenfalls der Belagerungszustand verhängt wurde, zurück in sein Heimatdorf zu seinem Schwager. Auch von dort berichteten Polizeispitzel, u. a., dass er auswandern wolle, aber keine Genehmigung dazu erhielt. Da die Behörden versuchten, auch für den zuständigen Kreis Friedberg den Belagerungszustand zu verhängen, zog Weber nach Mannheim, wo er Arbeit fand. Als Webers Sohn, der bisher die Mutter unterstützt hatte, 1987 zum Militär eingezogen werden sollte, richtete Weber vergeblich (‚im Geheimen wird er weiter wühlen‘) zwei devote Bittgesuche an die Frankfurter Obrigkeit zwecks Rückkehr zur sonst mittellosen Ehefrau. Erst die Fürsprache des badischen Polzeicommissärs half, der in einem zweiten Brief schrieb ‘der Logisgeber und Ehefrau bestätigen, dass Weber sich jeweils schon nach 8 Uhr abends zu Bett geht, verkehrt fast nie mit anderen Arbeitern und hat noch nie auch nur eine Stunde von der Arbeit gefehlt‘. Fast ein Jahr nach seiner Abreise durfte er wieder nach Frankfurt zurück.
Bei den Reichtagwahlen 1890 erzielten die Sozialdemokraten 66 % der Stimmen, die Sozialistengesetze liefen aus. Auf einer Liste des sozialdemokratischen Wahlvereins 1897 steht Adam Weber auf dem vierten Platz. Er starb mit 56 Jahren 1902 in Frankfurt.

12.05.2023          Zeugen vergangener Zeit
 Das Buch mit dem Untertitel ‚Ober-Erlenbach erinnert sich an das 20. Jahrhundert‘ ist das Ergebnis einer Ausschreibung der Stadt Bad Homburg, ehrenamtliche Stadthistoriker für die Aufgabe zu gewinnen, die Vergangenheit u. a. einzelner Stadtteile aufzuarbeiten. Torsten Martin, ein alter Freund aus meiner Zeit bei der Ökobank, hat diese Aufgabe für die bis 1972 selbständige Gemeinde erhalten, in der wir 40 Jahre gelebt haben. Ich habe einen Beitrag zur Eingemeindung Ober Erlenbachs 1972, die ich als ehrenamtlicher Politiker miterlebte, beigesteuert. Die bunte Mischung der 29 Beiträge und Interviews geben ein natürlich nicht vollständiges aber eindrucksvolles Bild des Lebens in dieser noch bis in die Mitte des Jahrhunderts dörflichen Gemeinde. Besonders beeindruckt haben mich aus einem der Interviews die Erinnerungen einer damals 92jährigen Einwohnerin, die mit völlig klarem Kopf und frei von der Leber weg die Unterschiede des Lebens von gestern und heute beschreibt: Keine Wasser- und Abwasserversorgung, der Abfall auf die Deponie am Ortsausgang, Fünf Brunnen, aus denen viele Haushalte das Wasser in Eimern nach Hause schleppen mussten, die Kohlen, die im Bahnhof des Nachbarorts in Säcke geschaufelt wurden. Oft gab es keine mehr, so im Krieg, und die Kinder brachten ein heißes Brikett mit in die Schule und nahmen es nachts mit ins Bett. Die Mütter waren oft den ganzen Tag mit Windeln- und Wäschewaschen im Bach, Essen und Kartoffeln für die Schweine kochen und dem Schleppen von Badewasser beschäftigt. Und das auch in den strengen Wintern, in den die Wäsche, die auf der Wiese gebleicht wurde, steif gefroren war. Verwandte aus Frankfurter kamen wegen ein paar Kartoffeln mit dem Leiterwagen die 20 Kilometer. Einige Dörfler arbeiteten sogar in Frankfurt, hatten dort ein Zimmer, und liefen am Wochenende mit der Drückkarre nach Hause, um ihre kleine Landwirtschaft zu bearbeiten. „Freitags musste die Mutter die Knobelbecher saubermachen. Die hatten ja auch nicht 50 Paar Schuhe, wie das heute der Fall ist“. Das Alles ist gerade einmal 80 Jahre her und es liegen gefühlt Welten dazwischen mit einem Leben, das wir uns heute nicht einmal mehr vorstellen können. Mein Beitrag für das genannte Buch Buch folgt hier:

Vom Dorf in die Stadt – Der Weg Ober Erlenbachs nach Bad Homburg
“Als man Homburg noch gar nicht genannt
war Erlenbach schon längst bekannt
die Herren von Eppstein und Falkenstein
sogar der Bischof von Mainz am Rhein
stritten sich um Land und Leute
betrachteten sie als ihre Beute
doch immer stand, wenn auch mal schwach
ungebrochen Erlenbach”
(Walter Steinmetz)

“Es war im Jahr 1965 als ich mit meiner Mutter im Käfer-Cabrio aus Frankfurt in Richtung Norden fuhr. Sie suchte als alleinerziehende Mutter mit 4 Kindern und einer großen Allgemeinarztpraxis zumindest an zwei Tagen Ruhe vor dem 24-Stundendienst. Keine halbe Stunde entfernt wurden wir in Ober Erlenbach fündig, der uns bis dahin unbekannten südlichsten Gemeinde des Landkreises Friedberg. Denn dort wurden in einem ersten kleinen Neubaugebiet nach dem Weltkrieg Einfamilienhäuser gebaut. Kurze Zeit später gehörte ihr eines in der nach dem Gesamtunternehmer Freitag-Siedlung, später auch wegen ihrer Bauweise Schachtelhausen genannt.
Die mit 1939 etwa 1.000 Einwohnern kleine Gemeinde hatte inzwischen schon fast 4.000 davon. Zwar seit Jahrhunderten immer das Lehen verschiedener weltlicher oder geistlicher Herren, war sie nun schon seit Jahrzehnten selbstständig mit einem Bürgermeister und eigenem Haushalt. In der ursprünglich rein landwirtschaftlich geprägten Gemeinde war die Zahl der Einwohner nach dem Krieg vor allem durch den Zuzug von Flüchtlingen aus dem Osten stark gestiegen. Viele von ihnen arbeiteten inzwischen in Industriebetrieben der Großstadt Frankfurt und der Nachbargemeinde Bad Homburg.
Durch meine in der Folge häufigen Besuche lernte ich ein Vereinsleben kennen, das viel lebendiger war als in der Großstadt, verstärkt noch durch Veranstaltungen wie die legendären Karnevalsnächte beim Metzger Rupp und im Kirchsaal. Als ich dann einige Jahre später mit Familie selbst im zweiten Neubaugebiet Wingert wohnte, wurden wir wie viele Neubürger ein Teil davon. Kindergarten und Nachbarschaft konnten nicht besser sein. Ähnlich war es mit dem Vereinsleben.  Im TSV (Turn- und Sportverein) spielten wir Tennis in der von mir mit initiierten Tennisabteilung, ich war im Bauausschuss zur Gründung der ersten Kirche für die evangelische Gemeinde, dann dort im Kirchenvorstand, gründete den Ortsverband der Jungsozialisten, war dann im Vorstand der SPD und sechszehn Jahre Abgeordneter im Stadt- bzw. Regionalparlament.
Als in den späten Sechzigern in der Gemeinde überall die Straßen gepflastert, Abwasserleitungen verlegt waren und eine neue Bücke verkehrliche Entlastung gebracht hatte, standen wir Bürger und ihre politischen Repräsentanten, vor einer neuen ungewöhnlichen Aufgabe. Eine vom Land Hessen für 1970/71 beschlossene Verwaltungs- und Gebietsreform sah eine Zusammenlegung bzw. Neuorientierung kleinerer Gemeinden vor. Das galt natürlich auch für unser Ober Erlenbach. Wir wussten, dass wir größer werden mussten. Doch wie; die erste Vorstellung für uns als Bürger dieser kleinen aber selbstbewussten und traditionsreichen Gemeinde war, die Selbständigkeit zu behalten, zum Beispiel als ‚Zuwachsgemeinde‘. Auf mehreren Bürgerversammlungen im ersten Halbjahr 1971 wurde das sowie diverse Modelle für das Zusammengehen mit Nachbargemeinden diskutiert. Ich bezeichnete schon dort das Beharren auf der Selbständigkeit als kurzsichtig, denn es wurde schnell deutlich, dass die Reform eine Mindestzahl von 15.000 Einwohnern für Gemeinden im Ballungsraum Rhein-Main vorsah. Für uns stellte sich daher nur die Frage nach der Möglichkeit, sich mit Nachbargemeinden zusammenzuschließen, wobei realistisch wohl nur Nieder-Eschbach, Ober-Eschbach, Harheim und Nieder Erlenbach infrage kamen, eventuell mit einem neuen Stadtmittelpunkt nördlich von Nieder Eschbach. Doch auch diese Überlegung zerbröselte schon nach wenigen Monaten, als uns klar wurde, dass die großen Nachbarn schnell gewesen waren. Das Nieder Eschbacher Parlament hatte zwar schon einem solchen Modell zugestimmt, doch ihr damaliger Bürgermeister erhielt von Frankfurt wohl ein so gutes Angebot, dass er sein Parlament umstimmen konnte. Innerhalb weniger Monate war sich auch Bad Homburg mit Dornholzhausen und Ober Eschbach einig und Frankfurt mit Harheim und Nieder Erlenbach. Unseren politisch Verantwortlichen blieb dann nur noch, etwas spät, Gespräche zur Eingemeindung mit Bad Homburg aufzunehmen. Die Situation schien gut. Immerhin brachten wir 900 ha Land und 180 ha Wald (bis hin zur Saalburg) mit. Die im Grenzänderungsvertrag Ober Erlenbach gemachten Zusagen zum Kauf der denkmalgeschützten Zehnscheune ‚zur Verwendung im öffentlichen Interesse‘ und der Anlage eines Teichs auf der Ochsenwiese sind leider nicht eingehalten worden – im Gegensatz zum Vertrag mit Ober Eschbach, denen ganz konkret eine große und dann sehr schnell gebaute Turnhalle zugesagt wurde.
Der Grenzänderungsvertrag, der aus mir unbekannten Gründen das Datum 11.05.1978 trägt, legt den Tag der Eingliederung auf den 01.07.1972 fest. Das Jahr 1972 findet sich denn auch auf dem mit dem Bad Homburger Wappen verzierten Steinrelief am Brunnen vor der Kirche St. Martin. Dort wurde1979 zur 1200-Jahrfeier der Gemeinde dann immerhin auch ein Steinrelief mit dem Ober Erlenbacher Ortswappen angebracht, das die Landesregierung der Gemeinde 1962 genehmigt hatte.”

1985          Aus meinem studentischen Verbindungsleben
Nach dem Abitur 1958 suchte ich auf Wunsch meines Vaters, der in Königsberg einer studentischen Verbindung (Burschenschaft Germania) angehört hatte, zum Beginn meines Jurastudiums in Frankfuret verschiedene dieser Verbindungen auf. Den Wunsch meines Vater, in Hamburg zu studieren, weil dort seiseine alter Verbindung wieder gegründet worden war, was er mir auch bezahlen wollte, lehnte ich ab . Schließlich hatte ich iene Famlie in Frankfurt. ich sagte ihm zu, mich dort umzusehen. Nur weil mir bei einem Besuch des Corps Saxonia zu Frankfurt zwei der Mitglieder imponierten, trat ich dort ein, wurde Fuchs (F) und nach zwei erfolgreichen (Fecht)Mensuren Corpsbursch (CB). Der aktive Vorstand eines Corps besteht aus drei Mitgliedern: Dem Erstchargierten (x), dem Zweiten (xx) als Fechtverantwortlichem und dem Drittchargierten (xxx) als Schriftführer. Daneben ist der Fuchsmajor (FM) für die Füchse verantwortlich. Ein Aktiver wird beim Ausscheiden inaktiv (IaCB), nach dem Studium Alter Herr (AH).
Nachdem ich zum XX gewählt und schon als SC-Fechter, nämlich Bester aller drei ansässigen Corps, gehandelt wurde, nahm das ein schnelles Ende, als meine dritte Partie wegen vermeintlichem Kopfzucken nicht gewertet wurde. Da auch die nächste Partie daneben ging, wurden mir Band und die Fechtcharge entzogen. Na ja, Im zweiten Semester habe ich zwei weitere gewertete Partien gefochten, wurde wieder XX, erhielt im Oktober 59 das Band zurück und wurde im nächsten Semester zum X gewählt, weil die in den Versammlungen stimmberechtigten IaCB und AH entschieden, dieses Amt könne nur ich richtig führen. Ende 1960 wurde ich nach dreimal FM zum IaCB. In der letzten Fechtpartie stellte ich noch einen Frankfurter Rekord auf: Ich focht sie zuende (21 Gänge), erhielt aber mit 23 Nadeln mehr als es bei einer ausgepaukten Partie bisher gegeben hatte, obwohl bei mir ‚kaum Blut geflossen‘ sei, wie der bei jeder Partie anwesende Paukarzt feststellte.
Schon damals störten mich allerdings die bei vielen Gelegenheiten ausufernden Besäufnisse, an denen sich auch oft die Alten Herren beteiligten und dabei jede Hemmung fallen ließen. Das imponierte mir ganz und gar nicht. ‚Wenn das die immer beschworene corpsstudentische Erziehung ist?‘ notierte ich damals in mein Tagebuch. Und ‚sind mehr oder weniger Spießer‘. Ich blieb aber dabei, da die Aktiven insgesamt eine sympathische Gemeinschaft waren, in der ich Anerkennung fand.
Von 1963 bis 1966 leitete ich dann die Pressestelle des Kösener Gesamtverbands, in dem alle Kösener Corps zusammengeschlossen sind, und die noch heute die Deutsche Corpszeitung redigiert. Dort erschien auch mein Beitrag zur Frankfurter Uni (sh. unten). Wurde meine Arbeit dort auch anerkannt, so eine Informationsschrift ‚Über die Corpsstudenten‘ , die dann allerdings beim Vorstand des Altherrenverbands, der obersten Instanz des Verbands, durchfiel. Sie war ihnen zu modern. Die Konsequenz war mein Rücktritt zusammen mit meinem dortigen Mitstreiter.
Dennoch habe ich als IaCB und später AH regen Anteil an den Problemen des aktiven Corpslebens von Saxonia genommen, vor allem im Hinblick auf die sich ändernde Einstellung zum Fechten. Ich unterstützte vor allem die Idee, andere – sportliche – Formen anstelle des Fechtens von Mensuren einzuführen. Die Aktiven waren dafür. Da die Mehrheit der meisten AH vor Ort das ablehnten, löste sich soger die Aktivitas, die immerhin das eigentliche Corps bildete, auf. Die Wirkung verpuffte aber, da in der folgenden Generalversammlung die AH die Mehrheit hatten, so dass eine wenn auch verminderte Aktivitas weitermachte. Ich hatte nun bei den Vorkriegs-AH den Ruf des Abtrünnigen, ließ mich aber vom AH-Vorsitzen den wurde aber von Saxonia in die langwierige Suche nach einem neuen Standort für das Corps (mit dem Ergebnis Konstanz) eng einbezogen. Da sich nach meinem Eindruck aber in der Mehrzahl der Corps auch weiter nichts bewegte, zog ich mich allmählich zurück und erklärte mit dem Umzug 1985 meinen Austritt.

1978          Aus der eigenen politischen Geschichte
Über Politik zu schreiben, können wir alle und sollten es auch, wenn uns dazu etwas Vernünftiges einfällt. Wenn man Politik selbst erlebt hat, ist das ein Vorteil. Als damaliger Stadtverordneter im Parlament der Stadt Bad Homburg habe in der  Stadtteil- Zeitung ‘Der Ober Erlenbacher’ die ungleiche Einkommensverteilung und die damit zusammenhängende Wohnungsnot beschrieben:Schon einige Male haben wir in dieser Zeitung auf unsere Stadt als ‚bevorzugte Wohngegend‘ hingewiesen, in der allerdings auch über tausend unserer Mitbürger am Rande des Existenzminimums leben und mit 292 DM monatlich auskommen müssen. Es ist klar. Dieser Betrag liegt unterhalb dessen, was ein Mensch benötigt, um hier und heute einigermaßen menschenwürdig leben zu können. Entsprechend stieg die Zahl der Räumungsklagen von 17 in 1976 auf 30 allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres. Aus solchen Zahlen kann man nur schließen, dass unsere wohlhabende und wohlgefällige Stadt mehr Elend in ihren Häusern beherbergt als zu verantworten ist. Worum aber sorgt sich die Parlamentsmehrheit unserer Stadt bevorzugt? Dass wir recht bald in den Genuss eines neuen Kur- und Kongresshauses kommen – für 50 Mio DM. Ich meine, für die Beschaffung neuer Arbeitsplätze und den Bau von mietgünstigen Wohnungen würden viele unserer Bürger mehr Verständnis aufbringen. Öffentliche Bauten sind wichtig. Aber eine bessere Abwägung mit den Interessen unserer sozial benachteiligten Mitbürger und Minderheiten ist wichtiger. Es ist leider unverkennbar, dass die Mehrheit unseres Stadtparlaments dem nicht Rechnung trägt

 

1966 Der Vorort im Kösener SC-Verband                                     – Pressestelle –
6 Frankfurt (Main)
Kirchnerstr.11                                                                      – Entwurf einer Informationsschrift –

                                                                                  Ü B E R   D I E  C O R P S S T U D E N T E N

Der Abiturient, der sich heute entschließt zu studieren, ist sicher neben dem Interesse daran, sein Studium erfolgreich zu  beenden, auch von dem Gedanken beherrscht, nach den vielen Jahren des Schulzwangs nun endlich einmal das zu tun, was ihm beliebt, und seinen Interessen freien Lauf zu lassen. In dieser Tatsache hat sich auch eine Werbeschrift zu orientieren. Eine weitere Folgerung daraus ist, dass es gilt, die Interessen des Corps und die Interessen des jungen Studenten zu koordinieren. Dazu ist es nötig, die Frage einer Aktivität in einem Corps von der Seite des Studenten her und auf der anderen Seite auch von dem Corps her zu betrachten. Von der Werbewirkung her betrachtet sieht die Sache so aus: Der Inhalt der Aktivität muß gut verpackt in die Vorstellungen des jungen Studenten, diesem in einer Weise angeboten werden, dass er erst einmal das Paket in Empfang nimmt. Entspricht auch der Inhalt des Paketes den sich daran erst orientierenden Interessen des Studenten, so ist die Sache schon halb gewonnen. Im Folgenden sollen einige der corpsstudentischen Ideen dargebracht werden, wie sie vielleicht einen heutigen jungen Studenten interessieren könnten.
Verhältnis zur Tradition
Die Mehrzahl der Studenten, die im 19. Jahrhundert die Corps gegründet und geprägt haben, stammten aus jener bürgerlichen Schicht, die das Feudalsystem ablöste und den Grundstein legte für unsere heutige Industriegesellschaft. Auf diese Tradition kann man sich ebenso mit Recht stützen, wie auf Männer wie Bismarck, die Zeit ihres Lebens auf ihre Zugehörigkeit zu einem Corps stolz waren. Diese Tradition ist jedoch nicht Selbstzweck. Sie ist Vergleichsmaßstab und Grundlage, um die heutigen Aufgaben des akademischen Lernens, der Erziehung zur Persönlichkeit und die Aufgaben der Universität neu zu durchdenken.
Freundschafts- und Lebensbund
Das Corps ist ein Freundschaftsbund auf Lebenszeit. In den entscheidenden Jahren, als welche sich die Universitätszeit darstellt, kann der junge Mensch Freundschaft und Anteilnahme an seinen Interessen besonders gut gebrauchen. Der in der heutigen Massenuniversität unbehauste Student. Das Corps ist ein Freundschaftsbund auf Lebenszeit. In den entscheidenden Jahren, als welche s$ch die Universitätszeit darstellt, kann der junge Mensch Freundschaft und Anteilnahme an seinen Interessen besonders gut gebrauchen. Der in der heutigen Massenuniversität unbehauste Student hat es in dieser Hinsicht schwer. Nur durch Aussprache mit und Anleitung durch andere junge Menschen vermag er sich selbst zu erkennen und sich selbst zu finden. Wenn er will, findet der junge Student in den Corps auch werdende und fertige Akademiker, die ihn beraten und ihm helfen können. Später kann er selbst seine Erfahrungen an jüngere Studenten weitergeben. Diese gegenseitige Ergänzung, die nicht auf die Stundentenzeit beschränkt ist, wir nicht zuletzt ihm selbst auch später von Nutzen sein.
Eine Demokratie im Kleinen
Die kleine Gemeinschaft eines Corps hat alle Eigenschaften einer demokratischen Organisation In ihr lernt der junge Student objektive Selbstbeurteilung, aber auch das Erkennen und die Einschätzung anderer Menschen. Freie Kritik kann er nicht nur aussprechen – und das, ohne Bitterkeit zu hinterlassen – sondern lernt auch, sie zu ertragen und sich dagegen zu verteidigen. Sie wird ihn vor Überheblichkeit oder Komplexen  ebenso zu bewahren helfen wie einer Unter- oder Überschätzung anderer. Dürfen die Corps sich nicht eine ganze Menge darauf einbilden, dass sie diese Organisationsform ihr Eigen nennen?
Was wir mit „Toleranz“ meinen
Damit engverbunden ist eines der wesentlichsten Prinzipien der Corps: eines, das von Vielen als das Wichtigste überhaupt angesehen wird: Die Toleranz – gegenüber anders Denkender, anders Gesinnten, gegenüber Menschen anderer Rasse, anderer Religion und anderer Erziehung. Diesen Menschen, wie den Gegner, und sei es auf weichem Gebiet auch immer, zu achten und lediglich nach seiner menschlichen Persönlichkeit zu beurteilen, ist eine von den Corps besonders geförderte und betonte Erziehungsaufgabe.
Gemeinwohl und Elitebildung
Die Corpsstudenten beanspruchen keine Sonderstellung – weder sozial noch moralisch. Es gibt für sie keine Abschließung gegenüber den anderen Schichten des Volkes; ihre Ehre ist keine andere als die allgemeine und bürgerliche. Der Corpsstudent soll sich dagegen bewußt werden, daß er als künftiger Akademiker eine entsprechend hohe Verantwortung für das Allgemeinwohl zu tragen hat. In diesem Sinne will er versuchen, zur Elite zu werden. Seine Erziehung zur Verantwortungsbereitschaft und sein Verständnis für Unterordnung und Führung sollen dazu beitragen. Hierher gehört auch ein aktives politisches Interesse des Corpsstudenten. Auch dies ist ein Punkt, den sich die Corps hoch anrechnen: Die politischen Diskussionen gehören zum Corps, die parteipolitische Ausgestaltung ist die Sache jedes einzelnen Studenten. Dies ist auch eine Auswirkung des Gedankens der Toleranz, da heute Politiker aller drei im Bundestag vertretenen Parteien Mitglieder desselben Corps sind.
Fachwissen und Allgemeinbildung
Kein Kenner der Universität wird bestreiten, dass sie ihre Aufgaben – Forschung und Lehre – heute nur noch unzureichend erfüllt, insbesondere im Hinblick auf die Allgemeinbildung. Gerade hier sehen die Corps eine ihnen angemessene Aufgabe, zwar nicht als eine Universitäts- „Ersatz“, wohl aber als notwendige Ergänzung. Die Corps wollen neben der allgemeinen Persönlichkeitsbildung im Sinne eines Studiums generale für ihre Mitglieder wirken, sei es durch Vorträge, Diskussionsabende  über, aktuelle Themen aus allen Lebensbereichen, Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, gemeinsame sportliche Betätigung.
Formen der Gemeinschaftserziehung
Die Pflege bestimmter übernommener Formen ist nichts Schlechtes, weil sie nicht Selbstzweck ist. Die Corps haben sich dadurch auch nicht an einer Tradition engagiert. Schließlich wollen sie die Verbundenheit mit ihrer eigenen Geschichte dartun, d.h. nicht wegwerfen, was sich als gut und nützlich erwiesen hat. Auch in anderen Ländern sind das Tragen von Farben und das Ablegen von gewiesen Prüfungen als Kennzeichen studentischer Gruppen bekannt. Die Korporationen in der Schweiz, die Fraternites in den USA und die Gesellschaftsverbindungen in den Niederlanden werden als selbstverständlich angesehen. Die besonders antitraditionellen Auffassungen, die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmend waren, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß jedes Volk stolz auf seine Traditionen ist. Wesentlich ist nur, daß wirklich Überflüssiges verschwindet und an seine Stelle Zeitgemäßes tritt. Die Corps haben dies erkannt und handeln danach.
Endlich: Es gibt nichts Besseres
 Jeder neu immatrikulierte Student muß wissen, daß die Corps die Deutsche Universität in ihrer jetzigen Gestalt entscheidend mitgeprägt haben. Es gibt auch heute keine studentischen Gemeinschaften, die eine Alternative zu den Korporationen der bisherigen Art bieten. Die einzige Alternative sind die Corps selbst, die die Zeichen der Zeit erkannt haben. Sie denken heute moderner als manche ihrer Kritiker es wahrhaben möchten. Die Unkenntnis der Studenten über die Corps hat lange genug gedauert. Sie muß einer sachlichen Aufklärung weichen. Die Corps wollen einer Sache, die sie selbst für ausgesprochen richtig und zeitgemäß ansehen, in der Studentenschaft die entsprechende Resonanz schaffen.
Frankfurt/Main, den 10. Mai 1966. Die Pressestelle des Vororts, i.A. Gratz Saxoniae Frankfurt

1964              50 Jahre Frankfurter Stiftungsuniversität
Den folgenden Beitrag habe ich in der Deutschen Corpszeitung, dem Organ des Studentenverbands Deutscher Corps, veröffentlicht.                                            „Aus Ihrem Bericht vom 4. Juni d. J. habe ich ersehen, dass die Zuwendungen zugunsten einer Universität in Frankfurt am Main die Möglichkeit geben, sie aus eigenen Mitteln zu unterhalten. Da auch im Übrigen die Vorbereitungen soweit gediehen sind, dass im Winterhalbjahr 1914/15 mit dem Unterricht begonnen werden kann, will ich nunmehr die Universität zu Frankfurt am Main hierdurch in Gnaden errichten und genehmigen, dass sie in den Genuss der ihr zugewandten Rechte tritt. Neues Palais, 10. Juni 1914.gez.: Wilhelm R.“
So lautete der Text der Urkunde, mit der die Errichtung der Frankfurter Universität genehmigt wurde. Fünfzig Jahre scheinen nicht eben viel im Leben einer Universität. Und doch ist Frankfurt mit Recht stolz auf diese Gründung, denn sie ist im Gegensatz zu allen anderen Universitäten der Initiative und dem Opfermut der Frankfurter Bürger zu verdanken, die damit ein langersehntes Ziel erreichten. Wie weit die Bestrebungen in Frankfurt zurückreichen, eine Universität in ihren Mauern zu errichten, zeigt uns eine Eintragung aus dem Rechenmeisterbuch der Stadt Frankfurt vom 20. Februar 1384: ,,ltem 3½ Gulden eyme schuler zu lauffen geyn Ludyche an den kenczler von Parys umb daz studium von Parys gen Franckfurt zu legen, alß he dry wochen da lag unde eyn entworte wartete’
Seit der doppelten Papstwahl von 1378 in Avignon und Rom war nämlich zwischen den Anhängern beider Päpste an der Universität Paris Streit ausgebrochen, und deutsche Lehrer und Schüler hatten Paris verlassen. Eine Entscheidung für Frankfurt fiel damals nicht, da der Bote sich drei Wochen in Lüttich aufhielt, ohne eine positive Antwort zu erhalten. Warum dieser Plan damals fehlschlug, wissen wir nicht. Dagegen gründeten Pariser Professoren zwei Jahre später die Heidelberger Universität. In den folgenden Jahrhunderten gab es zwar immer wieder Bestrebungen, die Wissenschaften in Frankfurt heimisch zu machen, doch es blieb bei Ansätzen und Einzelunternehmungen; so z. B. die Gründung eines städtischen Gymnasiums 1520, der Ausbau der Buchmesse, die Bestrebungen des Jakob Sender von Bienenthal zur Errichtung eines hortus botanicus und das Vorhaben, im Sommer 1693, nach der Zerstörung Heidelbergs durch die Franzosen, die nach Frankfurt geflüchteten Professoren zur Gründung einer Universität heranzuziehen. Doch dieses Mal fehlten die Studenten, die den Professoren nicht nachgereist waren. Ich nehme allerdings nicht an, dass auch weite Teile der Bürgerschaft einem solchen Vorhaben ablehnend gegenüberstanden – die Professoren blieben immerhin fünf Jahre in der Stadt -, doch waren wohl einige einflussreiche Bürger der Ansicht, eine solche Gründung könne nicht Aufgabe der Handels- und Kaufmannsstadt sein. Später war Frankfurt sogar einmal wenigstens Sitz einer Fakultät: Als nach der französischen Annexion das Großherzogtum Frankfurt gegründet wurde, legte der Fürst-Primas Karl von Dalberg die „Großherzoglich Medizinische Chirurgische Schule” seiner neuen Landesuniversität nach Frankfurt. Das war 1811. Schon 1813 war es jedoch damit zu Ende, da der Frankfurter Senat die Weitererhaltung nach dem französischen Desaster von 1813 ablehnte mit der Begründung, die Stadt müsse die wissenschaftliche und gelehrte Bildung anderen Städten überlassen, da Frankfurts „Flor sich nur im Emporkommen des Handels gründen könne”. Diese Einstellung stand jedoch in offenbarem Widerspruch zu der Ansicht, die starke geistige Kräfte in der Bürgerschaft vertraten. Als deren erste sichtbare Dokumentation und zugleich Grundstock für die künftige Universität im Sinne wissenschaftlicher Forschung ist die am 18. August 1783 von dem Arzt Dr. Johann Christian Senckenberg ins Leben gerufene Stiftung zu verstehen, die ein medizinisches Institut mit Bibliothek, eine Naturaliensammlung, botanischen Garten, chemisches Laboratorium und anatomisches Theater umfasste. Goethe meinte zu dieser Einrichtung, dass keine Akademie sich ihrer zu schämen brauchte. 1816 wurde dann die „lytechnische Gesellschaft”, 1817 die „Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft” und 1824 der „Physikalische Verein” gegründet, wozu 1859 noch das „Freie Deutsche Hochstift” kam. 1881 wurde in Sachsenhausen das städtische Krankenhaus er richtet, dem 1892 eine allen wissenschaftlichen Anforderungen gewachsene chirurgische Abteilung angegliedert wurde. Der endgültige Ausbau zu einem medizinischen Zentrum, das sich später als Sitz der medizinischen Fakultät von selbst anbot, erfolgte zwischen 1897 und 1899, als Stadt und Staat gemeinsam das Institut für Serumforschung und experimentelle Chemotherapie errichteten, dessen Leiter Paul Ehrlich im Jahre 1908 für seine bahnbrechenden Forschungen (Salvarsan) den Nobelpreis erhielt. Als gewisses Gegenstück zu dieser schon vor der eigentlichen Gründung hochentwickelten Forschungsstätte kann man die Bemühungen zur wirtschaftswissenschaftlichen Bildung ansehen, die 1898 in der gemeinsam von der Handelskammer der Stadt errichteten „Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften” gipfelten. Sie bildete den Grundstock für die heutige wirtschafts- und sozial­ wissenschaftliche Fakultät und war die erste Bildungsstätte dieser Art an deutschen Hochschulen. Die genannte Akademie besaß schon 1903 als Dozenten Professoren für Staatswissenschaft, Privat- und Handelsrecht, öffentliches Recht und Strafrecht, romanische Philologie und Handelswissenschaft. Die Möglichkeit zur Errichtung und – wie sich aus der eingangs zitierten Genehmigungsurkunde ergibt –  auch zur Unterhaltung einer Universität, wurden schließlich durch zum Teil ganz außerordentlich hohe Stiftungen Frankfurter Bürger gegeben und war das Lebenswerk eines Mannes: Dr. Franz Adickes, 1891 bis 1912 Oberbürgermeister von Frankfurt. Dieser Mann verstand es, zielstrebig die vorhandenen Einrichtungen und Anstalten für Kunst und Wissenschaft für die große Aufgabe zu gewinnen, andere Männer dafür zu begeistern und vorhandene Widerstände und Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Zu den erwähnten Stiftungen kamen noch die 1901 mit einem Kapital von 500 000,- Mark angelegte Dr. Lucius-Meister’sche Studienstiftung, die eine Klausel erhielt, nach der die Erträgnisse dieses Kapitals einst „im Rahmen der Philosophischen Fakultät” mitverwendet werden sollten, weiter ebenfalls 1901 die Georg und Franziska Speyer’sche Stiftung von 1 Million Mark zur „Pflege der Wissenschaft und des höheren wissenschaftlichen Unterrichts”. Das Universitätshauptgebäude wurde mit den 2 Millionen Mark gebaut, die der Buchhändler Jügel hinterlassen hatte und die nach dem Tode seiner beiden Söhne 1901 an die Stadt fielen. Diese „Jügelsche Lehranstalt für deutsche Literatur, Philosophie und Geschichte” wie auch ein großer Teil der heute noch an der Senckenberganlage stehenden Universitätsgebäude wurden in einer Zeit gebaut, in der es noch gar keine Frankfurter Universität gab. 1909 legte schließlich Adickes seinen Plan zur Errichtung einer Frankfurter Universität dem Ministerium in Berlin vor. Dort erklärte man sich zwar im Prinzip einverstanden, machte aber die Genehmigung von der Aufbringung weiterer 6 Millionen Mark – wohlgemerkt Goldmark – abhängig. Doch Adickes gab nicht auf. Es gelang ihm, 23 Bürger zur Abdeckung auch dieses Fehlbetrags zu gewinnen. Geheimrat Gans von den Casellawerken steuerte allein 1 Million bei. Da auch die Stadt endlich die noch fehlenden Grundstücke bereitgestellt hatte, stand der Errichtung nun nichts mehr im Wege. Es war auch höchste Zeit, denn fünf Tage nach der Veröffentlichung des Genehmigungsdekrets brach mit dem Attentat von Sarajewo der erste Weltkrieg über Europa herein. An dem Tag, an dem der Kaiser die allgemeine Mobilmachung anordnete, unterzeichnete er auch die Satzung der neuen Universität, am1. August 1914. Eingeweiht wurde die Universität denn auch nicht mit festlichem Gepräge am 18. Oktober durch den Kaiser, wie es vorgesehen war, sondern in spartanischer Einfachheit am 25. Oktober 1914.
Die neue Universität unterschied sich also von allen anderen deutschen Universitäten dadurch, daß sie nicht landesfürstlicher Initiative ihre Entstehung und Erhaltung verdankte, sondern allein den Bürgern ihrer Stadt, die entsprechend dem Gründungsvertrag von 1912 auch die durch den Betrieb verursachten Lasten zu übernehmen sich bereiterklärt hatten. Das Stiftungskapital bot dazu ausreichend Möglichkeit, wobei die Zinsen von 2 Millionen Mark sogar für unvorhergesehene Bedürfnisse Verwendung finden konnten. Die Frankfurter Universität, die damit als die fortschrittlichste und liberalste galt, mußte schon nach dem ersten Weltkrieg und in der sich anschließenden Inflation eine ernste Krise überstehen. Das Stiftungskapital durfte selbst nicht angegriffen werden, während seine Erträgnisse nicht mehr zur Unter­haltung ausreichten. Dabei war die Zahl der Studenten, die im Eröffnungssemester 618 betragen hatte, trotz des Krieges ständig stark gestiegen (1917: 1918; 1922: 4611). Das um Hilfe angegangene Preußische Ministerium lehnte eine Hilfe ab. In dieser Situation zeigten jedoch die Frankfurter Stadtverordneten ein erfreuliches Verständnis und bewilligten einen erst vorübergehenden, später ständigen Zuschuss. Damit war die Grundlage für eine kontinuierliche Entwicklung gegeben, und die zwanziger Jahre brachten der Frankfurter Universität eine Blütezeit, die auch in der Gründung zahlreicher neuer Institute ihren Ausdruck fand.
In der nationalsozialistischen Zeit, die auch hier ab 1933 ihren Einzug hielt, wurde die Universität erneut einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt. Entsprechend den nationalsozialistischen Grundsätzen wurde der Große Rat der Universität aufgelöst und die Zahl der Mitglieder des Kuratoriums, in dem sich die Gauleitung einen maßgeblichen Einfluss sicherte, beschränkt. Es nimmt dabei nicht wunder, wenn ein großer Teil des Lehrkörpers, der als „unzuverlässig” galt, emigrierte und ein beträchtlicher Teil der Lehrstühle unbesetzt blieb.
Nach dem zweiten Weltkrieg mußte praktisch wieder ganz von vorn angefangen werden. 1 m ganzen waren 67 Prozent der Universitätsgebäude zerstört. Die Universitätsbibliothek hatte etwa 500 000 Bände, die Senckenbergische Bibliothek mit rund 10 000 Bänden ein Zehntel ihres Bestandes verloren. Wie es bei diesem Zerstörungsgrad mit den übrigen Hilfsmitteln und Apparaten aussah, kann man sich vorstellen. Trotzdem gingen sofort nach Einstellung der Feindseligkeiten Dozenten und Studenten in Selbsthilfe daran, den Schutt beiseite zu räumen und provisorisch den Unterricht wieder aufzunehmen. Bei dem folgenden Wiederaufbau waren es neben den Amerikanern, insbesondere vertreten durch den damaligen Universitäts-Offizier, wieder Frankfurter Bürger, die zusammen mit der Stadt und dem Land Hessen die Frankfurter Universität zu neuem Leben erweckten. Das “Forum Academicum”, auf dem gleich nach dem Kriege bedeutende Persönlichkeiten unter dem Motto „Deutschland, Europa und die Welt” Vorträge hielten und diskutierten, war der erste Schritt zur Wiederbelebung des geistigen Lebens der Universität, die inzwischen wieder zu einem Zentrum für Lehre und Forschung in Deutschland geworden ist. Die Selbstverwaltung der Universität und die Freiheit der Lehre und Forschung wurden gesichert durch einen Staatsvertrag zwischen der Stadt und der Landesregierung, der nach vorheriger Ratifizierung in der Stadtverordnetenversammlung durch Beschluss des Landtags zum Gesetz wurde. In dieser Neuordnung des Universitätsvertrags von 1953 wurde auch der Stiftungscharakter der Universität gewahrt, indem außer Vertretern des Landes, der Stadt und der Universität nun auch Vertreter des Landtags und der noch vorhandenen Stiftungen Sitz und Stimme sowohl im Großen Rat der Universität erhielten als auch in deren Kuratorium. Dieser Vertrag bestimmte auch, dass von nun an die Vertragschließenden den Finanzbedarf für den laufenden Unterrichts- und Forschungsbetrieb, den Wiederaufbau und die Erweiterung der Universität je zur Hälfte tragen. Diese Regelung hat schon Früchte getragen und die Entwicklung der Universität gefördert. Heute gibt es über 100 Universitätsinstitute, zahlreiche neue Gebäude (z. B. ein neues Hörsaalgebäude mit sieben Hörsälen, sämtlich ohne Fenster und vollklimatisiert, und das neue philosophische Seminar mit neun Stockwerken in Stahlskelett­-Bauweise. Ein riesiges neues Mensa-Gebäude ist bereits fertig, der Neubau der Stadt- und Universitätsbibliothek nähert sich seiner Vollendung. Er liegt übrigens auch auf dem Universitätsgelände und genau gegenüber der Deutschen Bibliothek. Es würde zu weit führen, alle Neubauten und das, was für die nächsten Jahre geplant ist, aufzuzählen. Die Beträge dafür sind nur in Hunderten von Millionen anzugeben. Diese Planung geht von der starken Zunahme der Studenten aus, die bereits im Wintersemester 1963/64 einschließlich der 1960 angegliederten Hochschule für Erziehung die Zahl 13 369 erreichte. Davon sind über 1000 Studenten Ausländer. Gab es 1948 188 Lehrkräfte, so sind es heute etwa 600. Auf die gegenwärtige Besetzung der Lehrstühle, die zum großen Teil ganz bedeutende Kapazitäten aufweisen, möchte ich nicht näher eingehen, da sie sich am besten aus dem jeweiligen Vorlesungsverzeichnis ersehen läßt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit seien jedoch einige bedeutende Lehrer und Forscher aus der Geschichte der Frankfurter Universität genannt: Behrmann (Erdkunde), Buber (Philosophie), Dessauer (phys. Grundlagen der Med.), Drevermann (Paläontologie), Edinger (Neurologie), Ehrlich (Pharmakologie), Freudenthal (Strafrecht), Frobenius (Ethnologie), Gerloff (Finanzwissenschaft), Giese (Staatsrecht), Laue (Physik), Linke (Geophysik), Oppenheimer (Soziologie), Panzer (Deutsche Philologie), Schmidt (Betriebswirtschaftslehre), Schmieden (Chirurgie), Tillich (Philosophie), Wilhelm (Sinologie).
Wenn die Frankfurter Universität, die seit 1932 den Namen des größten Sohnes der Stadt, Johann Wolfgang von Goethe, trägt, in diesem Jahr ihren 50. Jubiläumstag in einem etwas festlicheren Rahmen gefeiert hat, als es vielleicht den Jahren nach angebracht wäre, so muß man ihre Geschichte wissen. Nicht nur die Gründungsfeier gilt es nachzuholen, sondern auch die Feier zum Abschluss der Wiederaufbauarbeiten. Nicht nur der Stolz auf die Leistungen der Bürger und ihrer Universität darf dabei mitschwingen, sondern auch der Gedanke, dass die Universität noch immer keine rein staatliche Einrichtung ist und noch immer vom wachen Geist der Stadt getragen wird.”

Mein Beitrag für das Projekt „Mein 1968“ der Frankfurter Rundschau
„Aus einer weitgehend unpolitischen bürgerlichen Familie und mit Hochschulabschluss war ich politisch völlig unbedarft, als ich 1967 meinen ersten Job bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau begann. Dort lernte ich in der Abteilung für Entwicklungsbanken schnell, dass die deutsche Kapitalhilfe zu etwa 70 % an deutsche und europäische Firmen zurückfloss und zu weiteren 10 % in Kanälen verschwand, die jedenfalls nicht der dortigen Bevölkerung gehörten. Das brachte mich in den Club Voltaire und zu den Jusos. Wir entwarfen Papiere, die auf diese und andere Missstände der Entwicklungshilfe hinwiesen, dann zwar irgendwo auch mal zur Kenntnis genommen wurden, ansonsten aber keinerlei Folgen hatten. Diese Erfahrungen öffneten mir allerdings dann die politischen Augen und ich beteiligte mich nach meinem Arbeitstag an den zahlreichen Diskussionsabenden und friedlichen Demonstrationen der Studenten, wie vor dem damaligen amerikanischen Generalkonsulat in der Siesmayerstraße. Dort habe ich mit Begeisterung in die Ho Ho Chi Min-Rufe eingestimmt. Diese Jahre haben mich geprägt und sicher nicht nur mich zu der Erkenntnis geführt, dass wir, denen es so gut geht wie keiner Generation zuvor, etwas von dem zurückgeben sollten, was die Gesellschaft uns ermöglicht hat. Das Ergebnis lautet für mich: Die Achtundschziger waren für Viele, leider aber nicht zahlreich genug, eine politische Lehre, die uns bis heute begleitet. Inzwischen haben fehlende (politische) Bildung, Konsumdenken und der immer stärkere Einfluss der Wirtschaft auf eine egoistische Politikerkaste zu Vieles davon zerstört. Das weiterhin vorherrschende Groko-Denken wird daher die Kehrtwendung zu einer Gesellschaft verhindern, die sich an den Bedürnisse der Bürger und nicht an den ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Interessen der Wirtschaft orientiert. Und das in einem Land, das aufgrund seiner Grösse und seiner finanziellen Ressourcen wie kaum ein zweites dazu in der Lage wäre.
Außerdem bat die Zeitung um einige Zeilen als Porträt
Hans-Jürgen Gratz, Jahrgang 1938. Als Volljurist geriet ich in meinem Berufsleben zum klassischen Banker, was mich von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau über Deutsche Bank und Bank für Gemeinwirtschaft in die Leitung der ersten deutschen grünen Bank, der Ökobank, führte. Von dort aus gründete ich das erste deutsche auf die Finanzierung von umweltverträglichen Projekten spezialisierte Unternehmen. Meine langjährigen beruflichen Erfahrungen ließen mich zum kritischen Beobachter der Finanzwelt und daher in meiner Alters(unruhe)zeit zum Autor von ‚Basiswissen Geldanlage‘ werden, dem immer noch kritischsten Ratgeber auf diesem Gebiet, wie ich meine. An einer erneuerten Kurzfassung arbeite ich. In den acht Jahren als Parlamentarier in Bad Homburg und weiteren acht Jahren im Umlandverband Frankfurt habe ich politisch mehr negative als positive Erfahrungen gemacht. Gegen den Stachel der politisch Etablierten zu löcken dürfte auch heute nicht weniger schwierig sein. Seit Jahrzehnten setze ich mich daher für soziale Projekte ein, im Kirchenvorstand, im Kinderschutzbund, in der örtlichen Bürgerselbsthilfe, zuletzt durch die Gründung und Leitung der Tafel in meinem Wohnort. Seit 45 Jahren bin ich verheiratet, habe zwei erwachsene Kinder und zwei Enkel. Ich empfinde mich als Mensch, der mit seinem Leben zufrieden ist, auch weil ich fast immer beruflich das mir Zusagende tun konnte, was mir auch außerhalb gelang, und weil ich privat und gesundheitlich einfach Glück gehabt habe“.

 

08.2008
In jeder Altersstufe ab dem Beginn seines konkreten Denkens macht der Mensch sich – immer einmal wieder –  Gedanken über den Sinn seines Lebens. Sollte der Mensch im Leben überhaupt einen Sinn sehen, was ja durchaus nicht zwingend ist, folgt im besten Falle die Überlegung, ob das bisherige Leben diesem Sinn, soweit er diesen überhaupt definieren kann, entspricht. Kann der Mensch diesen Sinn in etwa für sich definieren, tauchen gleich zwei Probleme auf: Einmal ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich das Ziel entsprechend dem eigenen Alter, den bisherigen Erfahrungen und neuen Erkenntnissen inzwischen verändert (hat). Zum anderen hat sich der Normalmensch spätestens in der dritten Dekade ein meist bürgerlich-soziales, sprich Ehe, Kinder u.ä., und überdies ein berufliches Korsett umgelegt mit dem Ergebnis, dass sich der Sinn des Lebens ganz von selbst ergibt. Ein Ausweg könnte nur in der Aufgabe zumindest vieler inzwischen gewachsener sozialen Bindungen, die ja zum größten Teil eng verflochten sind (Geld verdienen, um die Familie zu ernähren), liegen. Von der damit fast immer verbundenen psychischen Belastung einer solchen Trennung nicht zu reden. Das bringt der Normalmensch meist auch dann nicht fertig, wenn er den Sinn seines Lebens inzwischen woanders sieht.
Es bleibt also bis zur Verrentung und dem Auszug der Kinder bei der zwar ursprünglich selbstbestimmten aber letztlich unabwendbaren Sinnstiftung, definiert durch eine – hoffentlich heile – Familie, eine/n treusorgende/n Ehefrau/-mann, einige Freunde und, wenn er/sie Glück gehabt haben, einen interessanten Beruf sowie genug gespartes Geld, um im Alter nicht mehr arbeiten zu müssen
Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich dann aber in noch schärferer Form als in der zweiten und dritten Dekade wieder in der sechsten und siebten Dekade. Schärfer, weil die Zeit, die noch zum Denken, Überlegen und gegebenenfalls Ausprobieren bleibt, sehr begrenzt ist. Es ist überdies eine unbequeme Angelegenheit. Der Normalmensch ist ein wenig müde vom langen Leben, möchte eigentlich seine Ruhe haben, gutes Essen genießen, vielleicht noch ein wenig Sex, Reisen und Freude an den Enkeln, alles in allem eine ruhige Kugel schieben und hoffen, dass es noch eine Weile gut geht. Es taucht die berechtigte Frage auf, ob für die ‚kurze’ Zeit noch einmal der Sinn des eigenen Lebens gesucht werden soll. Früher in seinem Leben hat der Mensch nicht an das Ende gedacht, so dass die Frage nach dem Sinn des Lebens immer auch eine Frage nach der eigenen Zukunft war. Das ist nun vorbei, sogar dann, wenn ich an Gott glauben würde, denn dann ist die Zukunft ja gerade besonders gut geregelt. Wenn mir aber Gott nicht helfen kann, wird es schwierig.

10.2018                                                                                                                                                                                                                                                                      Zehn Jahre später halte ich es nicht mehr für so schwierig (tempora mutantur et….). Der Sinn des Lebens ergibt sich nun aus meiner Existenz. Wie alles Leben auf dieser Erde steht mir dafür eine bestimmte, wenn auch mir selbst nicht erkennbare Zeitspanne, zur Verfügung. Der Unterschied zu allem Leben außerhalb des Menschen besteht einzig darin, dass er denken kann und dadurch ein Bewusstsein des eigenen Ichs entwickelt. Das ist allerdings Fluch und Segen zugleich. Denn so führt mich das Denken ganz selbstverständlich zu der Frage nach dem Sinn meiner Existenz. Wie überall ist die Natur auf unserer Erde zuerst auf das Überleben und dann auf die Fortpflanzung ausgerichtet, wobei Beides wohl nahezu gleich wichtig ist.
Und das ist für den Menschen heute noch genauso, wobei er diese Prämissen inzwischen schon so überhöht hat, dass man von ihrer Perversion sprechen kann. Während auch heute noch der größte Teil von uns hungert oder zumindest jeden Tag um sein Überleben kämpfen muss, haben höchstens dreißig Prozent viel mehr als sie zu einem menschenwürdigen Leben benötigen, und von denen haben wieder vielleicht fünf Prozent mehr als der Rest der Menschheit zusammen. Der Überlebenskampf ist also für einen Großteil von zu einem Kampf zu einem Mehrhabenwollen als die Anderen geworden. Und etwas Ähnliches gilt für die Fortpflanzung, die zum Großteil in einen Kampf um den besten Sex in Verbindung mit Macht und Geld pervertiert ist.
Das Alles wird zwar mit den Mänteln Fortschritt, Wohlstand, Lebensverbesserung, Arbeitsbeschaffung und ähnlichen positiven Begriffen überdeckt, die aber natürlich auch ohne die damit verbundene Sucht nach immer mehr Macht und Geld zu haben wären. Der durch Spekulationen zum ehemals reichsten Mann der Welt gewordene Mr. Buffet hat ganz offen gesagt: ‚Wir befinden uns in einem Krieg zwischen Arm und Reich, und es kann nur einer gewinnen. Das sind wir.‘ Andererseits wissen wir inzwischen, dass unser bisheriges Verhalten über kurz oder lang den Untergang des größten Teils von uns bedeutet, da wir unsere Erde als unsere Ernährerin immer schneller aufessen. Wir Menschen haben es nicht geschafft, unser Bewusstsein so zu entwickeln, dass wir erkennen, was für das Überleben unserer Spezies existenziell ist.
Was hat dieser lange Vorspann aber aus heutiger mit dem Sinn des Lebens zu tun. Da ich nicht den Anspruch habe, ein Philosoph zu sein, kann ich damit nur den Sinn meines eigenen Lebens meinen. Und das herauszufinden, ist nicht allzu schwer. Unser Verstand hat uns ermöglicht, Bewusstsein zu entwickeln dafür, was uns von den übrigen Lebewesen unterscheidet und wofür wir es benutzen müssen. Das erste ist die Ehrfurcht vor dem Leben (mein erstes Vorbild Albert Schweitzer). Kein Lebewesen tötet aus einem anderen Grund als das eigene Überleben und die Fortpflanzung abzusichern. Das ist ein Gesetz der Natur, der auch wir angehören. Daraus ergibt sich logisch unsere Verantwortung dafür, nicht zu töten. Da wir wie alle entwickelten Lebewesen nur als soziale Gemeinschaft existieren können, ergibt sich als notwendige Folgerung, den Mitmenschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, soweit uns das mental und finanziell möglich ist. Das erstere setzt voraus, dass unser Bewusstsein die Verantwortung dafür erkennt. Noch immer ist der größte Teil der Menschen wegen mangelnder Bildung dazu nicht in der Lage. Und auch finanziell ist es diesem Teil der Menschen nicht möglich, diese Verantwortung zu übernehmen. Allerdings geht es den schon genannten dreißig Prozent von uns so gut, dass wir finanziell dazu schon in der Lage wären, ohne uns dadurch ein gutes Leben versagen zu müssen. Doch daran fehlt es. Ich behaupte, wir haben uns zumindest seit zweitausend Jahren nahezu ausschließlich technisch-wissenschaftlich weiterentwickelt und wissen über diese Materien inzwischen unendlich viel mehr als die damaligen Generationen. Doch mental sind wir noch immer auf den Überlebenskampf und die Fortpflanzung fixiert. Nur haben sich diese zum Überlebenskampf notwendigen Strategien inzwischen überhöht, besser gesagt durch immer steigenden Konsum ersetzt, der ein immer schöneres Leben verspricht.
Das Bewusstsein für das heute zum Überleben Notwendige ist allerdings bei der Mehrheit der 30 Prozent zu Wohlstand gelangten zu unterentwickelt, um daraus Konsequenzen zu ziehen. Die müssten darin bestehen, die eigenen finanziellen Ressourcen zur Entwicklung einer Wirtschaft zu nutzen, die die verbleibenden Reserven der Erde nur noch soweit ausbeutet, wie die sich regenerieren kann. Doch ähnlich Menschen wie der Milliardär Kühne oder raffgierige Trump denkt eine Mehrheit nur noch für ihre eigene Lebenszeit und vielleicht noch für die ihrer Kinder. Das ist schon merkwürdig. Offensichtlich sind wir technisch Überflieger aber vom Denken fest in der Steinzeit verankert. So glaube ich, dass wir dem Beispiel der fröhlich in einem Zug feiernden Passagiere folgen: Die hatten erfahren, dass ihr Zug in einen Abgrund stürzen würde, aber niemand wusste, wann. Eine Notbremsung würde diese wunderschöne Fahrt beenden und wir genießen doch  sicher noch eine Zeitlang unser schönes Leben. Und niemand weiß doch, wie lange wir wirklich noch leben werden. Doch sollte auch ein grundsätzlich optimistischer Mensch mit Verantwortungsbewußtsein schon einmal die Zukunft unserer Nachkommen zumindest problematisch erkennen. Es gibt natürlich unter diesen 30 Prozent auch viele Menschen, die das ganz ähnlich sehen. Doch ihr Einfluss ist gering, da unsere altbackene Demokratie von einer Betonwand umschlossen ist. Die besteht aus einem Konglomerat aus mächtigen Lobbygruppen der Wirtschaft und einer Politikerkaste, die aus sehr eigenen Interessen (Machterhalt, Korrumpierbarkeit, Sicherheit) an durchgreifenden Veränderungen kein Interesse hat. Sie kann sich dabei auf eine Wählerschaft verlassen, deren Lebensinhalt neben der meist ungeliebten Arbeit aus Konsum, Spaß und Bequemlichkeit besteht.

Was ist das Glück
Nach der Definition bei Wikipedia ist Glück als Erfüllung menschlichen Wünschens und Strebens ein vielschichtiger Begriff, der Empfindungen vom momentanen bis zu anhaltendem, vom friedvollen bis zu ekstatischem Glücksgefühl einschließt. Glück kann uns aber auch in Bezug auf ein äußeres Geschehen zuteilwerden, zum Beispiel in der Bedeutung eines glücklichen Zufalls oder eines das Lebensglück begünstigenden Schicksals. In den erstgenannten Bedeutungen bezeichnet der Begriff Glück einen innerlich empfundenen kurzen Zustand. Das hat unser großer Dichter Goethe wohl im Sinn gehabt als er anmerkte, dass er nur wenige Male in seinem Leben glücklich war. Eher die zweite Bedeutung soll wohl mit einem von Xing (ein soziales Netzwerk für berufliche Kontakte mit etwa 19 Millionen vor allem deutschen Nutzern) veröffentlichten Stimmungsbarometer aus dem 2022 gemeint sein. Dort findet sich auf Platz eins der Wunsch nach einem Job, in dem man glücklich ist. Xing interpretiert das als Wunsch nach einer Tätigkeit, in der ein Mensch ganz er selbst sein kann. Das ist sicher richtig, da der Beruf den größten Teil des Lebens des Großteils von uns bestimmt. Der Beruf sollte daher diesem Kriterium nahekommen. Das entspricht allerdings keineswegs auch nur annähernd der Realität. Ob als Angestellter, Lohnarbeiter, in Teilzeit oder im Minijob; Kaum eine dieser Tätigkeiten, insbesondere weil meist schlecht bezahlt, langweilig, anstrengend und nicht den eigenen Neigungen entsprechend, kann auch nur einen Hauch von Glück erzeugen. Daher sollte der Staat, wie auch von vielen bekannten Sozialwissenschaftlern gefordert, jedem Bürger ein garantiertes Bürgergeld zahlen, das ihm die Freiheit gibt, ein bescheidenes aber selbst bestimmtes Leben zu führen. Ich bin bei weitem nicht der Einzige, der daraus den Wegfall der Existenzangst von Millionen Bürgern und sogar dadurch gefördert einen großen Aufschwung an Initiativen in den wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen erwartet.

Das Glück der Begegnung
Das Schweitzer Haus in Günzbach 2022 (r) und Schweitzer als Ehrenbürger in Frankfurt vorm Goethehaus 1960 (l)

Als ich 1958 mein Studium in Frankfurt begann, hatte ich gerade Albert Schweitzers ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘ gelesen, und war voller Bewunderung für diesen Mann. In einem Gespräch über ihn mit einem Kommilitonen hörte ich, dass Schweitzer gerade wieder mal aus seinem Hospital in Lambarene hier wäre. Ich fasste einen Entschluss und nahm  die Gelegenheit wahr, in die Pfalz mitgenommen zu werden. Von da gelangte ich dann unter anderem mit einem halsbrecherisch fahrenden Metzger nach Günsbach. Nach einigen Fragen stand ich am 22. September 1959 vor dem Haus von Schweitzer. Auf mein Klingeln öffnete eine Frau, die auf mein Anliegen, Herrn Dr. Schweitzer zu besuchen, antwortete  ‚Herr Schweitzer ist nicht zuhause‘ und schloss sie die Tür. Etwas frustriert setzte ich mich auf den Abhang gegenüber und überlegte, was tun. Es vergingen etwa zehn Minuten, die Tür ging auf, Schweitzer trat heraus und ging in Richtung Kirche. Sie steht nur wenige hundert Meter entfernt. Ich sprang auf, lief zu ihm und trug mein Anliegen vor, ihn kennen zu lernen. Er gab mir die Hand mit den Worten ‚Dann kommen Sie mit.‘ Da ich aufgeregt war, kann ich mich auf dem kurzen Weg dorthin nur noch erinnern, dass er vor allem mich befragte. In der Kirche ging er wortlos die Treppe zur Orgel hoch. Ich setzte mich auf eine Kirchenbank und hörte, wie er spielte. Nach einiger Zeit kam er wohl zusammen mit dem Kirchenorganisten herunter. Ich verschwand still und konnte mein Glück kaum fassen. Wenige Wochen später habe ich ihn anlässlich seiner Frankfurter Ehrenbürgerschaft dort fotografieren können. Erst später erfuhr ich, dass er damals nur ganze drei Monate in Europa war

 

Das kleine Glück

Vor Jahren hat der Helferkreis der Tafel als Geschenk eine Tasse erhalten mit der Inschrift ‚Das Geheimnis des Glücks liegt nicht im Besitz sondern im Geben‘. Damit ist sicher nicht gemeint, was wir mit Sprüchen wie ‚da habe ich nochmal Glück gehabt‘ u.a. verstehen. Gemeint ist das Glück, das eher mit einem Mehr an Zufriedenheit zu vergleichen ist. Und davon will ich hier erzählen.  Als ich nach einigen Jahren Ruhestand 2008 dem Bürgerhilfeverein Wir Friedrichsdorfer beitrat, wurde ich dort bald Finanzvorstand, früher Schatzmeister genannt. Als wir im Vorstand ein Jahr später nach neuen Arbeitsgebieten für den Verein suchten, nannte ich auch die Gründung einer Tafel, was jemand wohl schon einmal vergeblich versucht hatte. Wer einen Vorschlag macht, sollte sich auch darum kümmern, hieß es dazu. Also besichtigte ich zwei Jahre lang passende Räumlichkeiten, suchte und fand Helfer, die ich immer wieder motivierten konnte, und verhandelte mit der schon in Bad Homburg bestehenden Tafel im Hochtaunus, da ich erkannte, dass wir allein für den Aufbau einer eigenen Logistik noch Jahre gebraucht hätten. Nach zwei Jahren erfolgreicher Suche passender Räumlichkeiten, Mietverhandlungen, in den Finanzplan passender Umbauten, vielen Gesprächen mit dem Diakonischen Werk als Träger der Homburger Tafel, den Märkten und dem Kreis der Helfer*innen, sowie diversen  Spenden-Aktionen konnten wir im Juli 2011 die Tafel eröffnen, die ich anschließend drei Jahre leitete. Ich habe dann einen tüchtigen Nachfolger gefunden, der noch heute über einige der ersten Helfer verfügt. Der Arbeitsumfang hat sich inzwischen mehr als verdoppelt. Die Tafel hat auch den Bekanntheitsgrad und die Zahl der Mitglieder des Vereins beträchtlich erhöht. Für mich von Bedeutung war neben den eigentlichen Aufgaben einer Tafel die erstaunlich große Zufriedenheit der Helfer*innen mit ihrer Arbeit. Bis auf mein eigenes Unternehmen, das ich zehn Jahre führte, hatte ich das in keinem der zahlreichen Firmen erlebt, in denen ich vorher gearbeitet habe. Es liegt sicher an der bewusst gewählten Freiwilligkeit der Arbeit. Den Erfolg ‚meines‘ kleinen StartUps habe ich dann als Glück im eigentlichen Sinne empfunden, als ich bei meiner Verabschiedung von meinem Nachfolger die nebenstehende Urkunde mit ihren fast dreißig Unterschriften erhielt.
Obigen Text habe ich am 20.05.2025 an den Vorstand der Wifris geschickt zur ev. Veröffentlichung im Newsletter.

Das letzte Glück findet sich im Thema Lyrik in meinem letztes Gedicht

 

Alles von Anfang an

 Inhalt: Vorwort 1, Herkunft & Kindheit 1, Erwachsen und Familie 7. Berufe 20. Politik 22, Schreiben 23, Alter 26 u. anderes

Heute im Oktober 25 habe ich mich entschlossen, diesen Text auf meine Webseite zu setzen, obwohl ich das wegen eventuell kritischer Bemerkungen einiger noch Lebenden eigentlich   vermeiden wollte. Doch mein Alter und dass, wenn überhaupt noch etwas von mir bleibt, meine Webseite noch dem einen oder anderen etwas mittgeben kann. Außerdem kann ich hier immer noch mal meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Jedes Menschenleben ist einzigartig, aber vielen Einflüssen ausgesetzt. Das beginnt mit der ihm vergönnten Lebenszeit, der Epoche und der Umgebung, in der er zur Welt kommt und den Bemühungen seiner engsten Umgebung in den Jahren seines Erwachsenenwerdens, und endet mit seiner angeborenen Mentalität, den Eigenschaften seiner Gene Hinzu kommen mehr oder weniger häufige glückliche wie unglückliche Umstände, die nur teilweise auf ihn selbst zurückzuführen sind. Wir heutigen Menschen haben den Vorteil, in der sogenannten westlichen Zivilisation als dem kleinsten aber zumindest materiell bestversorgten Teil der Welt zu leben. Da wir nicht wie Milliarden von Menschen weltweit uns täglich um Nahrung und ein Dach über dem Kopf sorgen müssen, bietet sich daher für mich mit dem zusätzlichen Vorteil eines langen Lebens die Gelegenheit, mit dem Blick auf die eigene Vergangenheit nach dem Sinn meines Daseins zu fragen.

Viele von uns haben eine Menge erlebt. Wenn mich mal einer nach jemand fragt, von dem ich denke, er/sie hat ein bewegtes Leben geführt, ist meine Antwort: Ich zum Beispiel, obwohl ich weder etwas Besonderes gleistet noch viel Geld verdient habe, keinen tollen Posten erklommen und auch nicht viele Frauen erobert habe. Stattdessen habe ich beruflich und im Leben daneben sehr viel Glück gehabt. Vielleicht kennt der eine oder andere von Euch Erwin Chargaff, der als Chemiker von Rang nach seiner Emeritierung kritische Essays in der Art von Karl Kraus (so das Buch ‚Ein zweites Leben‘) geschrieben hat. Nun, für mich gab es nach zwei Leben, von denen das eine aus Familie, Parteipolitik und Sport, das zweite aus Beruf bestand, sogar eine Art drittes Leben, das eines Kleinphilosophen.

Was daher hier folgt, ist eine Art von Autobiografie, keine geschönte Erinnerung, keine Selbstbeweihräucherung und auch nicht der mehr oder weniger sentimentale Blick auf ein ‚erfülltes‘ Leben. Vielmehr habe ich es immer bedauert, dass ich während des Lebens meiner Eltern, eigentlich war es ja nur meine Mutter, nicht viel häufiger Fragen über ihre Herkunft, ihre Lebensgeschichte ihre Hoffnungen und Wünsche erfragt habe. Natürlich hat mir meine Mutter eine Menge erzählt und auch Einiges an Schriftlichem hinterlassen, aber es war aus meiner Sicht immer wieder sporadisch, nur meinem eigenen Lebensalter entsprechend verständlich und zum großen Teil damals nicht interessant genug. Denn erst im eigenen Alter wurde mir die Bedeutung bewusst, die meine Vergangenheit für mich selbst gehabt hat. Ich will daher versuchen, dieses Versäumnis meinen Kindern und vielleicht sogar den Enkeln zumindest teilweise zu ersparen, die längst erwachsen bzw. noch viel zu jung, derzeit keinen Wunsch verspüren, mehr über die Vergangenheit zu wissen und das Verständnis dafür aufzubringen – genauso eben wie ich damals in ihrem Alter. Erst spät habe ich meine drei Tagebücher (2/50-10/56, -8/58, -2/61) hinzugezogen, die doch viele vergessene Einzelheiten wieder in Erinnerung gerufen haben.

 

Herkunft und Kindheit

Geboren wurde ich am 19.02.1938 im Standortlazarett Marauenhof in der Cranzer Allee in Königsberg (heute Kaliningrad) im damaligen Ostpreußen als erstes von vier Kindern.

Mein Vater, Gustav Adolf Gratz, geb. 1908 in Danzig und gestorben 1990 in Frankfurt/Main, war Militärarzt. Seine Familie stammte aus Masuren und lebte dann in Danzig, wo sein Vater (Vize)Feldwebel beim Militär war. Abgesehen von zwei Söhnen, die im Kindesalter starben, war er der zweitälteste von vier Söhnen, die alle den zweiten Weltkrieg überlebt haben. Sein ältester Bruder Ernst war Jurist und zog nach dem Krieg nach Köln. Er hatte wohl zwei Kinder, einen Sohn, Hans-Joachim, der Arzt wurde, und ich glaube eine Tochter. Der zweitälteste Bruder Ernst mit seiner Frau Cilly, lebte nach dem Krieg in München, seinen Beruf kenne ich nicht, und er hatte eine Tochter. Worauf ich später noch komme. Der jüngste Bruder Willi kam spät aus Kriegsgefangenschaft, blieb kinderlos und lebte später in Oberursel mit einer Frau aus der Wetterau. Ab und an haben wir sie besucht. Er war bis zu seiner Verrentung bei der Deutschen Bank und erzählte eines Tages stolz, er sei jetzt Oberbeamter. Das war dort früher der erste Schritt nach oben. Aufgrund der Scheidung meiner Eltern und der sich aus der Liebe zum Hass gewandelten Einstellung meiner Mutter zu Allem, was zu meinem Vater gehörte, hielt unsere lockere Verbindung zu den Brüdern bis zu unserem Umzug nach Niederrad. Onkel Ernst bemühte sich auch mehrere Male um eine Aussöhnung. Nach der Scheidung der Eltern brach die Verbindung dann – bis auf – sporadisch – Onkel Willi.

Meine Mutter, Helene Borchers (21.10.09 Köln-14.12.92 in Frankfurt), war Einzelkind. Sie erzählte, dass sie schon seit ihrem zwölften Lebensjahr Ärztin werden wollte. Nach den ersten Semestern in Freiburg machte sie in Königsberg ihr Examen. Ihr Vater war (königlicher) Postamtmann erst in Köln und dann in Potsdam (wo Mutter auch das erste Gymnasium für Mädchen besuchte), nach der Besetzung des Sudetenlands von 1942-45 Leiter des Postamts in Graslitz (heute Graslice). Von dort stammt auch eine meiner ersten Erinnerungen: Ich sitze auf einem großen mit der Hand gezogenen Postwagen, mit dem dort die gesamte Post vom Bahnhof zum Postamt transportiert wurde. Ich erinnere mich auch, dass mein Großvater mir nach dem Krieg mehrmals erzählte, dass jetzt wohl Tschechenjungen mit der schönen Eisenbahn spielen, die er für mich gekauft hatte.

Auf die Frage an meinen Vater, woher der Name Gratz wohl stammt, bot er zwei Alternativen. Entweder sei es die verdeutschte Abkürzung eines vorher eher polnischen Namens oder die Familie hätte sich wegen ihrer dort nicht geduldeten Religion aus der Stadt Graz, die sich früher Grätz schrieb, diesen Namen gegeben. Keine der beiden Alternativen erscheint mir wahrscheinlicher als die andere.

Ich muss etwa zehn gewesen sein als ich neben dem Waschtisch stand, vor dem sich mein Vater rasierte und ihn fragte:  Weißt Du eigentlich, wo Kaliningrad liegt? Seine Antwort: ‚Für Dich immer noch Königsberg‘, verbunden mit einer kräftigen Ohrfeige.

Meinen zweiten Namen Adolf erhielt ich übrigens nicht wegen Hitler, sondern weil beide Großväter diesen Vornamen trugen. Der väterliche starb schon vor Kriegsende, der mütterliche wohnte nach dem Krieg noch einige Jahre in der zu unserer Wohnung gehörenden Mansarde des Hauses in der Waidmannstraße 13 in Frankfurt, und siedelte dann nach Niederselters über, wo er am 23.02.1955 mit 75 Jahren starb. Ich habe an ihn nur wenige Erinnerungen. Eine ist, dass er einen Daumen beim Anlegemanöver eines der kleinen Fährboote verlor, die uns mangels Brücken nach dem Kriegsende über den Main schipperten. Eine weitere ist, dass wir mit ihm später öfters über den als erstes wiederhergestellten Eisernen Steg gingen. Er sagte dann ‚so jetzt gehen wir wieder über den hölzernen Steg‘ und ich antwortete immer ‚aber Opa, es heißt eiserner Steg‘ und er wieder ‚ach so, das hatte ich ganz vergessen‘.

Tante Lisbeth, meine Oma mütterlicherseits, starb schon 1947 mit 63 Jahren an Krebs. Ich kann mich nur an eine alte kranke freundliche und sehr schmale Frau erinnern. Tante Berta, Oma väterlicherseits, wohnte nach dem Krieg zwar auch in Frankfurt, ich erinnere mich an eine etwas füllige, kleine, freundliche Frau, die aber wohl eher jeweils als Besuch zu uns kam. Sie starb am 30.12.1959.

Ich weiß nicht, ob es die Cranzer Allee noch gibt und wie sie heute heißt. In dem Mutters Tod vorausgehenden Sommer plante ich mit ihr noch eine Reise nach Königsberg. Dort hatten sich meine Eltern ja kennengelernt und 1934 geheiratet. Sie seien im Bekanntenkreis als das schönste Brautpaar der Stadt bezeichnet worden, sagte sie. Die kurische Nehrung mit dem Badeort Nidden war ihr besonders ans Herz gewachsen. Da sie als Ärztin bereits vertretungsweise in einigen kleinen Dörfern der Umgebung gearbeitet hatte, empfand sie es nun als unangenehmen Zwang, zu dem sich wohl regelmäßig treffenden Kreis der Frauen der höheren Militärs zu gehören, deren Getratsche anhören und immer fühlen zu müssen, dass sie als jüngste doch auf der untersten Stufe dieser ‚Kaste‘ stand. Auch das Gehabe meines Vaters fand sie schrecklich, der in Uniform und mit weißen Handschuhen sich weigerte, den Kinderwagen zu schieben.

Angesichts der unglaublich vielen in Königsberg oder auf der Flucht umgekommenen Einwohner der Stadt – allein 15.000 auf den drei von russischen U-Booten versenkten Schiffen – ist es als riesiges Glück zu sehen, dass mein Vater, inzwischen Militärarzt im Offiziersrang, 1939, dem Geburtsjahr meines Bruders Bernd, zu einer Ausbildung als Chirurg nach Frankfurt beordert wurde. Wir zogen also mit allem, was wir hatten, dorthin und fanden eine schöne große Paterrewohnung in der ruhigen Waidmannstr. 13 in Sachsenhausen. Seitdem bin ich ‚Sachsehäuser‘ (Merke: ‚Jeder Sachsehäuser is en Frankforder, aber en Frankforder is noch lang kaan Sachsehäuser‘) – und im Grund geblieben.

Dort habe ich im Luftschutzkeller noch eine Reihe von Bombenangriffen miterlebt und mir vom Nachbarn aus dem 1. Stock, Dr. Kohlstedt, Vorstand einer Pharmafirma, die Sterne erklären lassen, wenn die Bomber weg waren und wir bis zum Alarmende in der Haustür standen. Im 2. Stock wohnte Prof. Maschmann, dessen Sohn mich eine Zeitlang zu den Pfadfindern mitnahm. Erinnerungen daran fehlen. Da wir die rechte Hälfte eines etwa gleichartigen dreistöckigen Doppelhauses bildeten, waren die beiden Luftschutzkeller verbunden. Eines nachts fielen Brandbomben in das Nachbarhaus und die Bewohner flüchteten in Panik zu uns. Ihr Haus brannte völlig herunter. Unser Haus blieb tatsächlich bis Kriegsende im Wesentlichen unzerstört. Heute sieht es wieder gut aus.

Irgendwann 1942, mein Vater war längst eingezogen, erst nach Norwegen (Tromsö), dann irgendwo nach Frankreich und später Stalingrad, wurde meine Mutter nach Niederselters im Taunus (Parkstr.6) beordert, wo sie in Vertretung mehrerer irgendwo an der Front arbeitenden Ärzte eine ganze Reihe kleiner Dörfer zu betreuen hatte. Dort kam ich auch im Herbst 1943 in die Schule. Ich habe keine gute Erinnerung daran, weil ich ein Fremder war und den dortigen Dialekt nicht sprach. Ich erinnere mich, anfangs mit Steinen und Hölzern beworfen worden zu sein. Später ging es. Ein Erlebnis hat sich eingeprägt: Wir Kinder spielten auf der Straße am Ortseingang in Richtung Oberselters, die kurz danach als Brücke über die parallelen Eisenbahnschienen führte. Der Lärm von Kampfflugzeugen ließ Ältere von uns ‚runter in den Graben‘ schreien und dann waren die Rotnasen, wie wir sie nannten, schon über uns und feuerten. Ich habe mich später oft gefragt, warum sie auf Kinder schossen. Heute vermute ich, dass sie die Schienen der Eisenbahn und die Brücke nebenan zerstören wollten.

Mit meiner Mutter habe öfters diskutiert, warum ihre Generation nichts getan hat gegen das Naziregime. Sie antwortete u. a. mit einer Geschichte: Nördlich ihres ärztlichen Bereichs lag (die Euthanasieanstalt) Hadamar. Aufgrund von Hinweisen ihrer Patienten sprach sie den örtlichen Gauleiter darauf an. Das sei alles dummes Gerede wurde ihr bedeutet. Einige Zeit später hätten sich die Gerüchte so verdichtet, dass sie dort erneut vorgesprochen und um Erläuterung gebeten habe. Die Antwort sei in etwa gewesen: ‚Liebe Frau Doktor, Sie haben doch Kinder. Wenn Ihr eigenes und das Wohlergehen ihrer Kinder Ihnen wichtig sind, rate ich Ihnen dringend, das Thema weder hier noch sonstwo anzusprechen.‘ Da habe sie eine solche Angst bekommen, dass sie ruhig geblieben sei.

Ein schreckliches Ereignis dort hat mich mein ganzes Leben begleitet. Wir hatten dort für mich und meinen gut ein Jahr jüngeren Bruder Bernd (*1939) eine auch als solche ausgebildete Kinderfrau, da meine Mutter ja mehrere Praxen zu versorgen hatte. Eines Tages im März 1945 erhitzte sie wie immer, wenn wir baden sollten, einen großen Topf mit Wasser und stellte ihn fatalerweise irgendwo im Keller auf den Boden. Wir tollten dort wie wohl häufig und ich jagte meinem Bruder hinterher. Er stürzte mit dem Hinterteil in diesen Topf. Verbrennungen dritten Grades, kein Spezialkrankenhaus und wohl zu wenig Medikamente. Mein Bruder starb nach wenigen Tagen. Ich habe das Bild mit dem kleinen Körper hinter dem Gazevorhang noch immer vor Augen. Er starb am 08.03.45. Als Student habe ich dann eine Therapie gemacht und es hat auch geholfen. Mir kommen allerdings auch jetzt noch die Tränen, wenn ich dies schreibe. Mein Vater erzählte später, dass ihm der Tod meines Bruders wohl das Leben gerettet habe, da ihm aufgrund des entsprechenden Telegramms der Ausflug aus Stalingrad erlaubt worden sei, und das mit einem der letzten Flugzeuge. Das war wohl so, denn der einzige Feldpostbrief meines Vaters, den ich noch fand (vom 8.4.44) lautete: ‚Ihr Lieben, ich lebe, bin gesund und denke sehr sehr häufig an Euch. In einigen Tagen ist mein Chef wieder zu erwarten. Dann hoffe ich auf Urlaub abkommen zu können und der Kessel (Stalingrad) ist auf. Die Kämpfe noch lange nicht beendet. Diese kämpferische Gefahr(?) in meinem Leben scheint abgeschlossen, hoffentlich geht es Dir mein Liebstes wenigstens ebenso gut. Grüße unsere Süßen und Küsschen 0000. Ganz (?) schließt Dich in den Arm Dein (?) Gustav‘.

Während meine Schwestern Marlene (1941) noch in Frankfurt) und Uta (1944) in Limburg) zur Welt kamen, sind wir wohl schon 1945 wieder in unsere alte Wohnung nach Frankfurt gezogen, wo dann mein zweiter Bruder Bernd am 8. März 46 geboren wurde. Meine Mutter soll den Todestag meines ersten Bruders manipuliert und exakt auf diesen Tag gelegt haben.

Nachdem wir in Niederselters noch den Einzug der Amerikaner erlebten – erste Erinnerung an Kaugummi und Schokolade, die sie vom Panzer warfen – besuchte ich die Schwanthaler Volksschule und kam dann auf das nur wenig entferntere Freiherr-vom Stein Gymnasium. Dort gab es dann eine Enttäuschung, die mir als Einziges dieser kurzen Schulzeit in Erinnerung blieb: Ich war gerade, ich glaube sogar durch einen abschließenden Boxkampf, zum Klassensprecher geworden, als meine Eltern mir einen Schulwechsel verordneten. Die erste Straßenbahn fuhr über die wiedererrichtete Friedensbrücke direkt zum Zoo und dort lag eines der beiden humanistischen Gymnasien der Stadt, für das sie mich bestimmt hatten. Das war ein regelrechter Schock und hat vielleicht auch dazu beigetragen, dass ich mich dort nie so richtig wohl gefühlt habe.

Später haben meine Geschwister es ebenfalls auf dem Gagern bis zum Abitur gebracht bis auf Uta, die nach Sitzenbleiben auf die Internatsschule in Lich wechselte. Der Vorteil meiner Schule war sicher die Vermittlung einer guten Allgemeinbildung und das Interesse daran. Das habe ich immer als Vorzug empfunden. Nur richtige Freunde habe ich dort nicht gefunden, vor allem wohl, weil wir fast alle in völlig unterschiedlichen Stadtteilen wohnten. Daher war für die nächsten zehn Jahre die Waidmannstraße der Mittelpunkt meines Lebens. Zu Beginn war das Leben dort für uns Abenteuer, da es in der Umgebung eine ganze Reihe von Ruinen gab, in denen es sich herrlich spielen ließ. So war in einer mehrstöckigen Hausruine neben dem Fahrstuhlschacht nur noch die oberste Plattform stehengeblieben, zu der wir uns hoch hangelten. Sicher nicht ganz ungefährlich. Aus der kleinen Freundesgruppe sind zwar keine lebenslangen aber für Jahre wichtige Freundschaften entstanden. Wir hielten vor allem dann zusammen, wenn es ums Kirschenklauen oder die Kämpfe (warum eigentlich) mit Nachbargruppen, vor allem mit der aus der nahen Heimatsiedlung, ging, bei denen wir mit Steinen, teilweise mit Holzlatten, selten auch handgreiflich, aufeinander losgingen. Insgesamt und vor allem bis zur Trennung der Eltern war es ein unbeschwertes Leben, das aus vielen vor allem abendlichen Feiern mit Freunden der Eltern, an denen wir intensiv teilnehmen durften, gemeinsamen Hören von Radio und Schalplatten, vielen Ausflügen in die Umgebung und kleinen Reisen zu Freunden und Verwandten (Kersten, Ernst Gratz), Theater- und Museumsbesuchen, viel Tennis und später Tanztees und Boogie-Woogie Veranstaltungen, auch einigen Italienurlauben – im Käfer zu sechst über den Arlberg. Nach dieser schönen Kinder- und Jugendzeit wurde ich dann durch den Zwist unserer Eltern und der ungewollten Quasi-Übernahme der Vaterrolle vor allem für meinen Bruder – – wie mir erst später bewusst wurde – allmählich eine erhebliche psychologische Belastung. Unsere Eltern hatten sich durch den Krieg auseinandergelebt. Vater konnte das Offiziersgehabe nicht ablegen. Dazu gehörten z. B. die beiden Reitpeitschen, die er mitgebracht hatte und die er vom Schrank holte und sie mir um die Beine schlug, wenn ich wieder einmal etwas ‚verbrochen‘ hatte. Erst als ich auch die zweite hinter den Schrank geworfen hatte und er dort nicht suchte, hatte das ein Ende.

Ursache für die Streitigkeiten zwischen den Eltern war sicher auch, dass meine Mutter sich in den Kriegsjahren zu einer selbstständigen, selbstbewussten und sozialen Frau entwickelt hatte. Sie bezog eine eigene Praxis an der Ecke Textor-/Schwanthalerstr, die sie mit der Ärztin Dr. Dommermuth-Diel teilte, die eine Kassenzulassung besaß und ihre beste Freundin wurde. Damals durfte nur ein Ehepartner die Zulassung beantragen und Mutter hatte die ihrige wie selbstverständlich meinem Vater überlassen. Während es in ihrer dortigen Praxis (wie auch in der späteren in Niederrad) kein eigenes Wartezimmer für Privatpatienten gab, hatte mein Vater ein solches in seiner Praxis über der Apotheke Gartenstr/Ecke Stresemannallee. Während mein Vater ein eigenes Krankenhaus plante und oft mit allen möglichen – teils wohl auch etwas zwielichtigen – Freunden aus Politik, Wirtschaft und Kunst zusammensaß, kümmerte sich Mutter um Haushalt, Kinder und ihre Praxis. Und wenn nachts – wie damals bei Hausärzten üblich – ein Patient meines Vaters anrief, sagte mein Vater: ‚Leni mach Du mal, ich bin zu müde‘.

Nach monatelangem Krach zog mein Vater aus und zu seiner Sprechstundenhilfe, mit der wohl schon länger liiert war. Das war für unsere Mutter ein Schlag, den sie bis zu ihrem Lebensende nicht mehr überwunden hat. Die große Liebe schlug von da an in einen maßlosen und nicht enden wollenden Hass um. So intelligent, hilfsbereit, aktiv, stark und umsichtig sie war; Ihr Hass machte sie vor allem in den anschließenden Jahren blind für Klugheit im Menschlichen. Nach drei – vielleicht auch teils nicht wirklich ernsten, ich weiß es nicht mehr – Selbstmordversuchen, die ich teilweise hautnah miterlebte, hatte sie sich zumindest äußerlich wieder im Griff. Gute Freunde wie das Ehepaar Ulrich und Frau Dr. Dommermuth, ja auch der Bruder Fritz des Vaters aus Köln, haben sich wohl mehrfach bemüht, die Beiden zusammen zu halten – vergeblich. Vater kam zwar noch einmal für kurze Zeit zurück und ich weiß noch mein Glücksgefühl, als ich hinter den Beiden im Auto saß und dachte, Alles wird wieder gut. Doch kurze Zeit später zog er wieder aus, und eines Tages ließen sich die Eltern scheiden. Durch die weiterbestehende Nähe zu ihm, gemeinsames Tennis im selben Verein, Taschengeld- und viele kleine und größere Probleme ergaben sich zwischen den Eltern und uns mit Vati dauernd Reibereien, die teilweise verbal aber auch mit Taschengeld- und sogar Haushaltsgeldentzug endeten. Wir mussten daher teilweise ziemlich sparen. Eine für mich schlimme Folge der Scheidung – was ich damals leider überhaupt nicht bewusst wahrgenommen habe – war, dass auch Mutter mir eine Art Vaterstellung zuwies. Das ging von gemeinsamen Tanzkursen im Tanzclub Schwarzsilber, den meine Eltern mitgegründet hatten, über ihre Begleitung zu den häufigen Veranstaltungen im AvD bis zu ‚notwendigen‘ Erziehungsmaßnahmen meiner Geschwister, wohl mit wenig Gewalt aber sicher mit einigem psychischen Stress für uns alle; vor allem für meinen acht Jahre jüngeren Bruder Bernd. Ich kann mich erinnern, dass er Zeitschriften austrug und wir eines Tages feststellten, dass er Geld einbehalten hatte.

Ende 1958 zogen wir nach Niederrad, wo wir mit viel Glück und Geschick zwei nebeneinanderliegende Wohnungen eines gerade fertiggestellten Wohnblocks der AG für Kleine Wohnungen bezogen, jeweils drei Zimmer. Die Jungen erhielten das kleine 9 qm-Zimmer mit 2 Klappbetten, 2 Schränken und je 1 Schreibtisch vor dem Fenster, die Mädels und Mutti je ein Schlafzimmer. Das zweite Wohnzimmer wurde das Sprechzimmer, das zweite Schlafzimmer das Wartezimmer und die zweite Küche das Labor. Das blieb auch in der Zeit, in der Schwester Marlene, die Medizin studiert hatte, die Praxis weiterführte. Ihre Nachfolgerin, bis vor wenigen Jahren unsere sehr geschätzte Hausärztin, hat in den inzwischen innen und außen gedämmten und modernisierten Räumen nicht viel geändert.

Das Verhältnis zu unserem Vater wurde immer problematischer. Ulrichs, mit die besten Freunde der Eltern, er war pensionierter Regierungsrat, hatten einen Schrebergarten in OU-Oberstedten. In der dort zum Schlafen eingerichteten gemütlichen Hütte waren wir oft zu Gast, oftmals auch der eine oder andere ohne Eltern. Sie waren auch für uns Kinder pure Erholung. Onkel Franz Ulrich war streng aber gerecht: ‘Erst wenn alles gekaut und runtergeschluckt ist, wird getrunken’. Eines Tages war er dann mit Einwilligung der Eltern zu unserem Vormund bestellt worden. Er hat es wohl gut gemacht, denn wir merkten davon nichts. Weihnachten 58 feierten wir bei Ulrichs. Ob es nun Ute Schmitz.-L. war, die mitkam oder etwas anderes, Vater erschien, meinte, das brächte jetzt das Fass zum Überlaufen und verschwand. Tage später musste er wohl Onkel Franz getroffen und ihn der Schwindelei bezichtigt haben, da dieser die Eltern bat, ihn von seinem Amt zu entbinden. Nachdem Tante Fränzel wohl vermittelt hatte, blieb vorerst alles beim Alten. Mein Vater hat später übrigens das Nachbargrundstück der Ulrichs gekauft und Jahre später darauf ein Sechsfamilienhaus gebaut, das er unserer Mutter zur lebenslangen Nutzung hinterlassen wollte. In späteren Jahren bat er mich, dessen Verwaltung zu übernehmen, da es ihm zu viel werde. Als ich ihn Wochen später darauf ansprach, hatte er es gerade verkauft.

Marlene ist für mich ein Mensch, der wie Bernd kein wirkliches Interesse an den Geschwistern hat und auch über sich selbst kaum nachdenkt. Lediglich mit Uta verstand ich mich besser. Sie hat politisches und soziales Interesse und wir telefonierten fast jede Woche, allerdings eher über unsere Familien. Zwar hat sie den Antigudrunvirus nicht abgelegt und sogar auf Katrin übertragen, ich konnte mich aber mit ihr zumindest verständigen, was sicher auch mit Berlin zu tun hat. Während ich nämlich bereits Referendar war, studierte sie dort und lebte (Studentenehe) mit Sohn Jan in einer WG. Dessen kleiner Freund hieß Che. Ich unterstützte sie eine Zeitlang und besuchte sie mehrfach. Immer hatte ich ein kleines Blechauto, damals eine Kostbarkeit, in der Jackentasche, was Jan mit glänzenden Augen herausholte.

1959 hatte ich mit Vater verabredet, bei Oma Gratz Weihnachten zu feiern. Als wir dort eintrafen, blieb Mutti erst einmal im Wagen sitzen. Ich traf dort wie befürchtet auch seine Tussi. Als ich jedem die Hand gab, ihr aber nur ein Kopfnicken und einen ’guten Abend’, rastete der Alte aus und forderte mich zum Gehen auf. Das war mir sehr recht. Unserer Mutter gab ich das nicht weiter, da sie sich wieder erheblich aufgeregt hätte. So feierten wir einige Tage später bei Oma, Onkel Willi und Tante Malchen nochmals ohne den Alten. Am 30.12.1959 starb ganz überraschend Oma Gratz.

Trotz aller dieser unschönen Vorkommnisse war das Weihnachten auch bezeichnend für diesen insgesamt schöne Zeitabschnitt meiner Jugend. Ich arbeitete bei Svan Sales, die irgendwelche Produkte an US-Soldaten verkaufte, und einem Buchversand (von Kuczkowski), und ging in die Gottesdienste des von mir sehr geschätzten Pfarrers Georgi (der Glaube ging mir allerdings von da an mehr und mehr flöten); Nächste Weihnachten gab es einen herrlichen Baum und eine Riesengans zum Essen, ich ging mit Mutter ebenso wie mit einer angebeteten Barbara zum Tanzen und anschließend auch mal ins Mex(icana), ins Kino (z. B. ‘Der Unwiderstehliche’ mit A. Guiness), und feierten Sylvester-  und andere Parties und Bälle. Da wir ausschließlich bei Mutter lebten, die jahrelang jeden Kontakt mit meinem Vater zu verhindern suchte (‚Wer zum Vater geht, braucht nicht wiederzukommen‘), war ich damals allerdings vielen Situationen nicht gewachsen. Eine Regelung, wer wann die Kinder hatte, gab es nicht. Vater versuchte später, zumindest in den Schulferien mit uns zu verreisen, was ohne größere Probleme gelang, auch wenn die Schwestern sich an Vaters Gewalttätigkeit erinnern. Schlechter waren kleinere und größere Familienfeste wie Weihnachten. Vor allem an die Konfirmationen meiner Schwestern habe ich schlechte Erinnerungen. So forderte mich Mutter einmal auf, eine Rede zu halten, bei der Vater mich wutschnaubend unterbrach, das sei seine Sache. Später brachte Vater seine neue Frau sogar zu diesen Familienfeiern mit. Mutter hat wohl auch wegen des tiefen Zerwürfnisses mit ihrem Ex bis zum Schluss den Zusammenhalt zwischen ihren Kindern gewünscht und beschworen. Vielleicht hat sie es übertrieben, ich ahne zwar, weiß aber noch immer nicht so recht, warum das nach ihrem Tode so schlecht funktioniert hat, dass diese Zusammenkünfte immer mit Streit endeten. Gudrun hat deshalb eines Tages daran nicht mehr teilnehmen wollen.

Nebenbei: 1948 machte ich den Frei- und 1949 den Fahrtenschwimmer, 1953 das Jugendsportabzeichen 1958 wurde ich wohl aufgrund eines von den Eltern veranlassten Orthopädieattests ‚nur im Kriegsfalle verwendungsfähig‘ vom Wehrdienst freigestellt.

Ein Problem damals der Glaube, in dem ich getauft und erzogen wurde. Trotz zahlreicher Besuche der Gottesdienste in der Lukaskirche mit dem geschätzten Pfarrer Georgi. Nach wirklicher Mühe, die ich mir gebe, kann ich nur sagen: ‚Die Botschaft hör ich wohl allein mir fehlt -noch immer- der Glaube’ schrieb ich in mein Tagebuch. In dieser Zeit machte ich noch den letzten Führerschein (alles für 70 DM), so dass ich auch einen Motorroller fahren konnte. Mit Herrn Pohl, dem Fahrlehrer, hatte ich mich angefreundet. Er bot mir schließlich -vergeblich- eine Mitarbeit in seiner Fahrschule an, für deren verbilligte Fahrstunden ich mit Flyern in der Uni erfolgreich geworben hatte.

Die Auswirkungen der Scheidung unserer Eltern wurden für meine Familie spürbar nach dem Tod unserer Mutter, die mit nicht immer fairen Methoden alles zusammenhalten wollte (vergl. die obige Ahnung). Sie bevorzugte auch überdeutlich Marlenes Kinder, während sie die unseren auch schon mal kleine Ungeheuer nannte. Ursache war sicher ihr schlechtes Verhältnis zu Gudrun, das mich immer bedrückt hat. Sie konnte wohl nicht verkraften, dass eine andere Frau wichtiger für mich wurde als sie. Und meine Loyalität zu ihr, wenn sie zu Besuch kam und eigentlich nur mit mir kommunizieren wollte, brachte mich in ernsthafte Schwierigkeiten mit Gudrun. Da Mutter sich auch nicht scheute, Gudrun bei den Geschwistern negativ zu reden, hatte sie immer das sicher richtige Gefühl, dort nicht akzeptiert zu werden. Und das blieb. Ein gutes Verhältnis sieht anders aus.

Nebenbei: 1948 machte ich den Frei- und 1949 den Fahrtenschwimmer, 1953 das Jugendsportabzeichen. 1958 wurde ich wohl aufgrund eines von den Eltern veranlassten Orthopädieattests ‚nur im Kriegsfalle verwendungsfähig‘ vom Wehrdienst freigestellt.

Ein Problem damals der Glaube, in dem ich getauft und erzogen wurde. Trotz zahlreicher Besuche der Gottesdienste in der Lukaskirche mit dem geschätzten Pfarrer Georgi. Nach wirklicher Mühe, die ich mir gebe, kann ich nur sagen: ‚Die Botschaft hör ich wohl allein mir fehlt -noch immer- der Glaube’ schrieb ich in mein Tagebuch.

 

Erwachsen und Familie

Ein ziemlich mäßiges Abitur beendete 1958 meine Schullaufbahn. Alle 18 hatten es geschafft, nachdem sieben vor dem letzten Schuljahr der Abgang nahegelegt worden war. Mutter wie Vater drängten mich zum Medizinstudium, was ich auch nicht übel fand. Dumm war, dass ich keinen Elternteil kränken wollte, die jeweils darauf hofften, dass ich ihre Praxis übernehme. Als Gipfel der Naivität schloss ich daher Medizin aus. Bei Degussa kam ich zwar in die Auswahl der letzten zehn Bewerber für Lehrstellen, fiel dann aber nach einem ganztägigen Auswahlverfahren durch. Bei Petrofina steckte ich nach wenigen Wochen auf, weil mir die Materien zu langweilig waren. Nach langem Überlegen und Zureden beider Eltern entschloss ich mich dann zu studieren. Da mich außer Medizin kein naturwissenschaftliches Fach interessierte, wählte ich Jura, weil man angeblich damit die größtmögliche Zahl möglicher Berufe abdecken konnte. Mein Vater bevorzugte Hamburg, da dort seine Burschenschaft Germania aus Königsberg wieder aufgemacht hatte, und bot mir sogar die Finanzierung an, wenn ich dort aktiv werden würde. Das lehnte ich ab, versprach aber auf seinen Wunsch hin, mich in Frankfurt bei den Burschenschaften umzusehen. Das brachte mir nichts, aber durch Zufall Kontakt zu Corpsstudenten. Die anschließenden Besuche dort waren zwar interessant, aber erst als ich an einem Abend beim Corps Saxonia die mir imponierenden Inaktiven (Benno) Schilling und Heinrich Kost kennenlernte, kam die Überlegung, dass ich mich hier wohlfühlen könnte. Gesagt getan. Leibbursch Benno wurde mein Freund, er starb 2019.

Nach dem Abitur war ich dem Corps Saxonia beigetreten, wurde Fuchs (F) und nach zwei erfolgreichen (Fecht)Mensuren Corpsbursch (CB). Nachdem ich schon als SC-Fechter gehandelt wurde, nämlich Bester aller drei ansässigen Corps, nahm das ein schnelles Ende, als meine dritte Partie wegen vermeintlichem Kopfzucken nicht ‘zog’, so der Fachausdruck. Da auch die nächste ’Reinigungspartie’ danebenging, wurde mir das Band entzogen und die Fechtcharge (xx); denn der aktive Vorstand eines Corps besteht aus drei Mitgliedern: dem Erstchargierten (x), dem Fechtverantwortlichen (xx) und dem Drittchargierten (xxx) als Schriftführer. Na ja, Im zweiten Semester hatte ich zwei weitere ziehende Partien gefochten, wurde wieder xx, dann Ferienvertreter, was sehr viel Arbeit bedeutete, erhielt auf dem Antritts-CC im Oktober 59 das Band zurück und wurde im nächsten Semester zum X gewählt. In den Konventen sind auch die anwesenden Inaktiven und Alten Herren stimmberechtigt, die meinten, dieses Amt könne nur ich richtig führen. Mit dreimal FM wurde ich dann auf der Semesterschlusskneipe 1960 inaktiviert. In der letzten Fechtpartie stellte ich noch einen Frankfurter Rekord auf: Ich paukte sie zwar aus (21 Gänge), erhielt aber mit 23 Nadeln mehr als es bei einer ausgepaukten Partie bisher gegeben hatte, obwohl bei mir ’überhaupt kein Blut geflossen sei’ wie der Paukarzt feststellte. Schon damals störten mich schon die bei jeder Gelegenheit ausufernden Besäufnisse, an denen sich auch oft die Alten Herren beteiligten und dabei jede Hemmung fallen ließen. Das imponierte mir ganz und gar nicht. ‘Wenn das die immer beschworene corpsstudentische Erziehung ist?’ notierte ich damals. Und ‘sind mehr oder weniger Spießer’ Ich blieb aber dabei, da die Aktiven insgesamt eine sympathische Gemeinschaft waren, wie ich sie woanders nicht gefunden hatte, und ich dort Anerkennung fand. Damals war ich als Inaktiver und dann als AH (Alter Herr) oft auf dem Corpshaus der Saxonia und nahm dabei Anteil an den Problemen dort. Sie betrafen vor allem die sich ändernde Einstellung zum Fechten. Ich unterstützte die Idee, andere – sportliche – Formen anstelle des Mensurenfechtens einzuführen. Die Aktiven waren dafür. Da die Mehrheit der meisten AH das ablehnten, löste sich die Aktivitas, die immerhin das eigentliche Corps bildete, auf. Die Wirkung verpuffte aber, da im folgenden Generalconvent die AH die Mehrheit hatten, so dass eine wenn auch verminderte Aktivitas weitermachte. Ich hatte fortan zwar bei den Vorkriegs-AH den Ruf des Abtrünnigen, wurde aber in die langwierige Suche nach einem neuen Standort für das Corps intensiv einbezogen. Da sich in der Mehrzahl der Corps kaum etwas änderte und meine Prioritäten inzwischen woanders lagen, zog ich mich allmählich zurück. Mit dem Umzug des Corps nach Konstanz erklärte ich 1986 meinen Austritt. In dieser Zeit machte ich auch den letzten Führerschein (alles für 70 DM), so dass ich auch einen Motorroller fahren konnte. Mit Herrn Pohl, dem Fahrlehrer, hatte ich mich angefreundet. Er bot mir schließlich sogar aber vergeblich eine Mitarbeit in seiner Fahrschule an, für deren verbilligte Fahrstunden ich mit Flyern in der Uni erfolgreich geworben hatte.

Das Wintersemester ging unimäßig ziemlich in die Hose, auch wenn die Arbeiten (Klausuren, Hausarbeiten mit höchsten einmal 3+) bis auf eine zählten. Wenn ich in meinem Tagebuch lese, was in diesem Halbjahr alles anfiel, war das kein Wunder, weil ich unglaublich viel Zeit im und mit dem Corps verbrachte.

Mutter und Vater verdienten in dieser Zeit wohl sehr gut, so dass es auch uns nicht schlecht ging. Vater wollte sich allerdings scheiden lassen, Mutter weigerte sich standhaft, Ihre Freundin und Ulrichs versuchten noch immer zu vermitteln.

Planungen, in Paris oder Genf zu studieren, legte ich zu den Akten, weil ich erst einmal möglichst bald Examen machen wollte und nicht wusste, ob ich dann vielleicht andere Pläne entwickeln würde. Schließlich entschied ich mich für Würzburg, weil relativ nahe (Mutters Wunsch) und Benno sich dort immatrikuliert hatte. Ab 01.03.60 arbeitete ich für 150 Mark p. m. für zwei Monate als Volontär bei der Frankfurter (späteren BHF-Bank).

Ich staune etwas, wenn ich in meinem Tagebuch von damals sehe, was ich alles schon in diesen ersten zwei Semestern gemacht habe: Im SS 58 für Jura eingeschrieben. Erste Klausur und erste Hausarbeit ohne jede Vorbereitung verhauen, anschließend wurde es dann besser. Tennis gespielt, halbtags bei Svan Sales (US-Handelsfirma) gearbeitet, Nachhilfestunden gegeben, Mutter bei der Einrichtung ihrer neuen Praxis geholfen und sie zu allen möglichen Veranstaltungen beim AvD und Tanzclub begleitet, meine Geschwister ’erzogen/betreut‘, Vorlesungen ebenso besucht wie Partys und abendliche Umzüge mit und ohne Corps und Mädels, Fahrstunden genommen und last Not least viele Morgen und Abende im Corps bei Fechtstunden und Saufen verbracht. Letzteres ging mir schon nach einem halben Jahr ziemlich auf die Nerven, ließ sich allerdings in der ersten Zeit nicht vermeiden. Von den vielen weiblichen Bekanntschaften in dieser Zeit ist vor allem eine Barbara Witthöft in Erinnerung, Tochter eines Berliner Normannen aus Kronberg, in die ich wohl ziemlich verknallt war. Sie imponierte mir auch, weil sie mir beim Ausgehen immer die Hälfte wieder zurückgab.

Mutter hat dann einen etwa Gleichaltrigen kennengelernt, der in Castop-Rauxel u.a. eine Tankstelle betrieb und sie sehr verehrte. Er besuchte Sie in den nächsten Jahren öfters und sie fuhren auch mehrfach zusammen in Urlaub. Herr Sofka verkaufte mir Anfang 1959 mein erstes eigenes Auto, eine BMW Isetta, ich glaube für etwas über 1000 DM. Damit reiste ich dann auch manchmal mehrere hundert Km zu Corpsbesuchen und Mädels. Mit meinem Bruder machte ich mit meiner Isetta noch eine tolle Reise, die uns drei Wochen im August 60 nach Luxemburg, Belgien und Holland führte. Zwar brach dabei die Kupplung (Reparatur ganze 30 DM!) und auch der Auspuff musste dran glauben; aber ich habe nie wieder so viele Städte, Kirchen. Museen und Schlösser auf einer Reise gesehen, und auch nie mehr so wenig Geld für so viel Gesehenes ausgegeben. Ich habe die gesamte Reise in meinem Tagebuch nebst Fotoalbum) nachvollzogen.

Trotz aller dieser unschönen Vorkommnisse war dieses Weihnachten bezeichnend für eine insgesamt schöne Zeit meiner Jugend. Ich arbeitete nicht nur bei Svan Sales sondern auch bei einem Buchversand (von Kuczkowski), ging in die Gottesdienste des von mir sehr geschätzten Pfarrers Georgi (der Glaube ging mir allerdings von da an mehr und mehr flöten), Weihnachten gab es einen herrlichen Baum und eine Riesengans zum Essen, ging mit Mutter ebenso wie mit meiner angebeteten Barbara zum Tanzen und anschließend auch mal ins Mex(icana), ins Kino (z. B. ‘Der Unwiderstehliche’ mit A. Guiness), feierten Sylvester-  und andere Parties und Bälle  und verbrachte viel Zeit mit dem Corps, nicht zu vergessen das Studium mit seinen Klausuren und Hausarbeiten. Die vorgeschriebenen zwei Monate beim Amtsgericht vermittelten mir sehr beeindruckend die Schwierigkeiten, denen Richter bei Ihrer Tatbestands- wie bei der Urteilsfindung gegenüberstehen.

Wohl im Sommer 1960 machte ich die Isetta klar für eine tolle Reise, die Bruder Bernd und mich drei Wochen im August 60 nach Luxemburg, Belgien und Holland führte. Zwar brach dabei die Kupplung (Reparatur ganze 30 DM!) und auch der Auspuff musste dran glauben; aber ich habe nie wieder so viele Städte, Kirchen. Museen und Schlösser auf einer Reise gesehen, und auch nie mehr so wenig Geld für so viel Gesehenes ausgegeben. Ich habe die gesamte Reise in meinem Tagebuch nebst Fotoalbum) nachvollzogen.

Ein wichtiger Einschnitt, auch wenn er sich erst nach Jahren als solcher erweisen sollte, war der Job bei der KfW in der Lindenstrasse, wo ich neben dem Studium in der aus zwei sehr sympathischen Juristen bestehenden Rechtsabteilung die Bücherei verwaltete. Die Arbeit bestand im Wesentlichen aus der laufenden Ergänzung der Loseblattsammlungen der verschiedenen Rechtsgebiete. Die Stunden á 2,50 (zuzüglich Wegegeld) waren nicht festgelegt, so dass ich nach einiger Zeit sogar (spät)abends – den Pförtner freundlich grüssend – ankam, wenn es mir passte, und manchmal auch aufhörte, wenn es (mir) passte. Ich habe es wohl nicht übertrieben, denn es hat sich nie jemand beschwert. Die Kantine (Mittagessen kostete 0,20 und besser als in der Mensa) war im übrigens im Kellergeschoss des Hauses, in dem die Gestapo residiert und gefoltert hatte.

Ein besonderes Erlebnis ist mir wichtig: Albert Schweizer war für mich ein ganz toller Typ, den ich schon damals sehr verehrte (Ehrfurcht vor dem Leben hatte es mir angetan). Da ich ihn gerade in Günzbach wusste, nahm ich am 22.09.59 die Gelegenheit war, dass die Frau von AH Benn ihn im Krankenhaus von Vorderweidenthal besuchte, übernachtete dort und trampte am nächsten Morgen über Weißenburg, Straßburg und Colmar nach Günzburg (u. a. mit einem völlig irre fahrenden Metzger). Da ich S. in Günzburg nicht antraf, übernachtete ich (für 4,00 DM). Am nächsten Morgen klopfte ich erneut. ‚Herr Dr. Schweitzer ist nicht da‘. Etwas betrübt setzte ich mich an den Hang gegenüber. Nach einiger Zeit öffnete sich die Tür des Hauses und S. trat heraus. Ich ging einfach auf ihn zu, stellte mich vor und fragte, ob ich mitgehen könne, er nickte und wir gingen in Richtung Kirche, wo er sich verabschiedete, um etwas an der Orgel zu üben. Ich setzte mich in die Kirche und hörte etwa zehn Minuten zu. Als er mit einem Begleiter von der Orgel herunterkam, wollte nicht stören und ging. Ich muss so aufgeregt gewesen sein, dass ich nicht mehr weiß, worüber wir gesprochen haben. Schade. Von seinem Haus habe ich ein Foto gemacht, einige Wochen später noch drei von ihm, als er wegen des Friedenspreises nach Frankfurt kam und aus dem Wagen vor dem Goethehaus stieg.

Mit den beiden Corpsbrüdern Breuer und Wernicke fasste ich den Plan, im Herbst die Sahara zu durchqueren, Kost und Schilling wollten sich vielleicht anschließen. Wegen der dort zu erwartenden Schwierigkeiten änderten wir dann die Route mit dem Ziel Äthiopien. Enttäuschung im Mai 60: Breuer schrieb mir, es wäre besser, wenn ich nicht mitfahre, da er Streit zwischen Wernicke und mir fürchte, der auf einer solchen schwierigen Fahrt nicht entstehen dürfte. Ich fand das zwar an den Haaren herbeigezogen, aber es erledigte sich von selbst: Keiner ist gefahren.

Im April gab es noch ein interessantes Erlebnis für mich. Von Kuczkowski, in dessen Firma ich Packen gelernt habe, hatte mich eingeladen zur Hochzeitsfeier ihrer Tochter Christa mit Carlo Fassi, einem bekannten Eiskunstläufer, und zwar als Tischherr von Marika Kilius. Das 17jährige schmale fast zierliche Mädel war immerhin schon Weltmeisterin. Keine Spur von Arroganz, zurückhaltend, fast schüchtern taute sie erst am Schluss etwas auf, hatte aber außer ihrem Sport und Mode nicht viel zu bieten. Ein eindrucksvolles und opulentes Fest.

Ab Mitte 1960 hatte ich ein Zimmer in Würzburg, im hinteren Bereich eines kleinen Gemischtwarenladens in der St. Benediktstr.9, eine ausgebaute Garage mit Fenster und einem Eingangsbereich, der neben den zwei Türen nur noch für ein WC, ein Waschbecken und einen Eisschrank reichte. Im Zimmer selbst gab es neben Schreibtisch mit Stuhl nur noch Platz für das Bett und einen kleinen Schrank. Wir haben trotzdem später mit bis zu 20 Leuten dort gefeiert.

In Frankfurt hatte ich noch meine Hausarbeit zu Ende gebracht und mit einem Bus voll Corpsbrüder Norddeutschland und Dutzende von dortigen AH besucht und auf diversen Festen unheimliche Mengen an Alkohol eingeworfen. Allein hatte ich noch in Bad Harzburg einige Tage verbracht bei Zwergs bzw. Tochter Sabine, meiner etwas längeren Freundin, aber leider ohne Sex – war damals ein Problem aber normal, ich war eh zu schüchtern.

Insgesamt war auch das erste Semester in Würzburg trotz zweier Scheine (BGB und öff. Recht) mehr von Corps und Gammelei als vom Studium geprägt. Immerhin haben das Mozartfest und das Sommerhausener Theater, wo ich Malepiero kennen lernte und der Schauspielerin aus Begeisterung einen schnell selbst geschnittenen Rosenstrauß überreichte, bleibende Eindrücke hinterlassen.

Ende Juli fuhr die ganze Familie – natürlich ohne Vater – für vierzehn Tage nach Holland, wo wir, ich glaube in Katwyk wohnten und bei meist schönem Wetter abwechselnd den Strand und das schöne Hinterland unsicher machten. Auf dem Rückweg besuchte ich noch einige Corpsbrüder, u. a. Hellmann, in dessen Tochter ich mich auf dem Stiftungsfest verknallt hatte und die mir nun gar nicht mehr gefiel (immerhin habe ich dort Golf spielen gelernt) und ging in Köln mit einem Mädel aus, das ich in Katwyk kennengelernt hatte.

In Frankfurt war dann für nächsten zwei Monate alles andere als Studium angesagt. Mutter hatte ihren neuen VW bekommen mit Weißwandreifen, Schiebedach. Starktonhupe und rotem Innenpolster. Marlene machte den Führerschein, Bildersuchfahrten mit dem alten VW, den wir behielten, eine Woche Job auf der Photokina mit Wohnung bei dem von mir sehr geschätzten Corpsbruder (Prof.) Bauermeister, Tennisclubturnier mit guten Plätzen für die Familie (Uta Juniorenmeisterin), Musical- (Oklahoma) und mehrere Besuche von Kunstauktionen (daher stammen die zwei Zilles und der Toulouse Lautrec), diverse Kneipabende, Hochzeit der Schwester von Sabine Zwerg und einige Tage bei meinem heimlichen Schwarm Tante Ilse (Mutter von Ute Schmitz-Lüdicke). Auch hatte ich zwischendurch in Würzburg meine Bude auf Vordermann gebracht und etwas aufgehübscht. Da ich den alten VW jetzt öfters benutzen konnte, verkaufte ich nach drei Tagen auf der Hauptwache die Isetta für 800 Mark und gönnte mir anschließend ein ganzes Hähnchen. Das Käufer-Pärchen stand einige Tage später vor der Tür: Der Motor hatte auf dem Weg zum Feldberg den Geist aufgegeben. Nach einigen Tagen des Lesens ging es wieder nach Würzburg zum Lernen. Da die Vorlesungen kaum System hatten, war ich wie meisten von uns beim Repetitor eingetragen (zweimal drei Stunden pro Woche). Daneben Hausarbeit, Seminarreferat, Klausuren, Seminare und ab und an Vorlesungen, von denen ich formal dreißig belegt hatte, Daneben einmal Schwimmen und Tanzklub pro Woche, Bierabende und ab und zu Konzert und Film (Faust).

Vor Weihnachten 1960 ging es dann wieder nach Hause: Weihnachtskneipe, Klassentreffen, eine Stunde alle Kinder bei Vater, Gottesdienst, gemütliches Fest mit drei Tagen Pute und anschießend mehrere Skifahrten in wechselnder Begleitung auf den Feldberg und in die Rhön.

In der zweiten Januarwoche nach Krach mit Vater wieder nach Würzburg mit anschließendem erheblichen Studienstress, der bis Ende Februar dauerte, unterbrochen allerdings durch eine Reihe von langen Pokernächten, Faschingsfesten und -kneipen, Freß- (Indonesisches Reisgericht, Krautwickel), und Saufgelagen mit Corpsbrüdern und Kommilitonen, u. a. bei mir, wo ich dann morgens in einem schrecklichen Durcheinander aufwachte, Besuchen zu Hause wegen Geburtstag und Bernds von mir organisierter Konfirmation (ohne den angesäuerten Vater). In dieser Zeit habe ich notiert, dass ich erst hier merkte, welch große Bedeutung meine Mutter für mich hatte. Auch meine Bequemlichkeit einerseits und meine Zielstrebigkeit habe ich damals beschrieben. Damit enden meine Tagebuchaufzeichnungen, was vielleicht auch den Vorteil hat, dass es im Weiteren bei weitem nicht so langatmig wird, da ich meine Erinnerung einschalten muss, hoffentlich gestützt durch einiges Schriftliche aus meinem weiteren privaten und Berufsweg.

Bei einem Seminar des Europäisch -Föderalistischen Studentenverbandes (EFS), deren Hauptziel die Vereinigten Staaten von Europa war, machte ich meine ersten politischen Erfahrungen, die mich immerhin veranlassten, die Hochschulsektion Würzburg mit zu gründen (am 23.02.1961), Seminare zu organisieren und bis Ende 1962 (1. Jur. Examen) auch zu leiten – allerdings ohne weitere Folgen.

Im August 1961 besuchte ich das erste Mal für drei Wochen ein Seminar der Haager Akademie für internationales Recht. Sehr interessant, geblieben ist mir nur die Erinnerung, dass ich einem Wiener Kollegen 50 Mark lieh, damit er wieder nach Hause kam. Das Geld bekam ich zwar nicht zurück, aber als ich nochmals 1964 dort ein Seminar besuchte, welch ein Zufall, traf ich ihn wieder. Statt Entschuldigung und Zahlung bat er mich wieder um Geld, er würde mir alles sofort aus Wien überweisen. Es geschah nichts. Daher wohl meine Skepsis gegenüber den Wienern.

Die Jahre 1961/62 waren dann im Wesentlichen Würzburg und dem Studium gewidmet, auch wenn die diversen Abwechslungen nicht ganz zu kurz kamen. Die meiste Zeit verbrachte ich weiterhin beim Repetitor und Sparsamkeit war angesagt, denn Benno Sch. Und Heinrich Kost waren weg und ich hatte keinen Nebenjob. So war warme Kuttelsuppe für 90 Pfennig der Teller in meiner Stammwirtschaft öfters mein Mittag- oder Abendessen.

In dieser Zeit habe ich ein Brüderpaar kennengelernt: Veit und Michael Bachmann. Mit Veit habe ich Examen gemacht und wir wollten anschließen mit dem in den Orient. Doch er rief mich eines Tages an, er wolle in den Staatsdienst und benötige dafür ein Prädikatsexamen. Damit und viel Arbeitswut aber ohne Kinder hat er es bis zum Landgerichtsdirektor gebracht und ist dann leider wohl wegen zu wenig Bewegung und zu viel Bier mit 71 auf einer Indienreise gestorben, seine Frau kurze Zeit später an Krebs. Sein Bruder wurde Betriebswirt, stieg bis zum Vorstand der Generali, ist heute mehrfacher Millionär, hat drei Kinder und spielt noch immer Tennis. Mit beiden Brüdern habe ich damals viele schöne Tage verbracht, vor allem in und um Marquartstein. Dort hatte ihre Mutter ein Haus mit einer Art Souvenirladen, wo wir nächtigen. uns von den zahlreichen Fahrten und Discobesuchen erholen konnten und gut verköstigt wurden (handgemachtes Früchtebrot: ‚Hans-Jürgen, die Andern wollen auch noch was‘). Später sind wir mit den Kindern mehrfach bei Veit und vor allem bei Michael gewesen. Wenn er kam, tranken wir Unmengen von Äppelwein – auch vorbei seit 2019.

Oktober 1962 habe ich dann das Referendarexamen – ohne Prädikat – bestanden (6 Klausuren an 6 Tagen) und mich am 2.1.1963 für das Referendariat angemeldet, auf Wunsch meiner Mutter in Hessen, wo ich dann im Dezember 1966 das Assesorexamen bestanden habe. In diesen Jahren habe ich nicht nur 13 Stationen mit jeweiligen Prüfungen absolviert (vom Amtsgericht und Verwaltung bis zum OLG) sondern auch zweimal die Akademie für Internationales Recht in Den Haag, die Verwaltungshochschule in Speyer und einen Lehrgang für französisches Recht in Saarbrücken besucht. Viel Zeit habe ich mit insgesamt zwei Doktorarbeiten verbracht, was nicht gelang, weil mir von der ersten, für die ich schon über 50 Seiten geschrieben hatte, vom EWG-Präsidenten persönlich als zu komplex abgeraten worden war (Europarecht) und bei der zweiten mein Doktorvater an der Uni Frankfurt, Prof. Lüdecke, plötzlich starb. Es ging auch so.

Im privaten Bereich ist noch einiges Vergangene nachzutragen. Während meines Studiums in Speyer lernte ich Ingrid Matthes kennen, meine erste richtige Liebesbeziehung, die in Heidelberg studierte (Dolmetscherin). Sie war eine hübsche und ganz kluge Frau, allerdings für mich bald keine Partnerin mehr, da sie zu allem ja sagte.  Daher ging es nach zwei Jahren sang- und klanglos zu Ende. Die intensivste Verbindung war dann Ruth Scheider, Arzttochter aus Weilburg und Medizinstudentin (Marburg), die ich über ihren Bruder Ulli (Corpsbruder), der jetzt wohl schon zehn Jahr tot ist, kennen und lieben gelernt hatte. Es war wohl 1968, als wir uns verlobten, wie es damals Brauch war mit einer richtig schönen Familienfeier. Leider war die wirklich schöne Zeit mit uns begrenzt und ziemlich kurz. Sie war in Marburg und ich nur am Wochenende dort, wo sie irgendwann einen Kollegen kennen- und eben mehr lieben lernte. Ich war das erste Mal in meinem Leben saumäßig traurig, schrieb Ihr Märchen und überlegte sogar ernsthaft, mit meinem Porsche gegen einen Brückenpfeiler zu fahren. Immerhin siegte die Vernunft.  Dann war da noch Claudia Pohl, fast 10 Jahre jünger und zufällig die Tochter meines bereits erwähnten damals bereits verstorbenen Fahrlehrers Pohl. Ich lernte sie bei einem Sprachkurs in England kennen. Sie ging noch zur Schule, war groß und blond, und hatte ein starkes natürliches Selbstbewusstsein. Ich war in sie verliebt, fuhr mit ihr mit dem Porsche bis nach Genf, war aber leider zu eifersüchtig, was sich dann auch negativ auf unsere Beziehung auswirkte, zumal ihre Mutter beharrlich gegen mich arbeitete. So ging es nicht gerade im Einvernehmen zu Ende.

Diese Porsche hatte eine Geschichte und eine weitere folgte ihr. In der Waidmannstraße uns gegenüber wohnte seinerzeit der Inhaber eine Offenbacher Lederfirma. Er fuhr einen Porsche und dessen faszinierenden Klang hatte ich im Ohr behalten. Ich erfüllte mir daher von meinen ersten Gehältern bei der KfW einen Traum und kaufte einen Porsche 356 Cabrio, weiß, von einem Amerikaner. Er war trotz 75 PS ein Superding, wurde mir dann zu teuer und ich wechselte zu einem weißen Käfer Cabrio. Als Musch auf den Plan trat, musste ich zu einem normalen Käfer wechseln, denn sie verträgt bis heute keinen Zug. Doch auch wenn wir in den folgenden Jahrzehnten aus nachvollziehbaren Gründen immer Familienautos (Kombis) fuhren                                                                                                                        Auf dem Gagern machte ich nach den üblichen Flirts, Tennis, Parties und Theater ein mäßiges Abitur und schrieb mich mangels anderer Ideen schrieb ich mich an der Uni für Jura ein. Als ein kleines mweiteres Glück betrachtete ich die als Studentenjob angenommene Betreuung der KfW- (Kreditanstalt für Wiederaufbau) Rechtsbücherei, gerade gegenüber der Uni. Wie gewünscht erhielt ich nämlich dadurch bei der KfW meinen ersten Job. sucht Gemeinschaft, kloppte während zweier Jahre neun Partien in einer studentischen Verbindung (Corps Saxonia genannt) und ging dann an die Uni Würzburg, wo ich nach weiteren zwei Jahren mit den neun notwendigen Klausuren Rechtsreferendar wurde. Nicht zu vergessen die vielen Bier- und anderen Genüsse eines damaligen Stundentenlebens. Nicht zu vergessen die vielen Bier- und anderen Genüsse eines damaligen Stundentenlebens. 1965 habe ich als Reiseleiter unter meinem (2016 verstorbenen) Freund Benno Schilling als Chef mit Neckermann zwei tolle Schiffreisen durch die Ägäis bis nach Odessa und Alexandria gemacht 1965 habe ich als Reiseleiter unter meinem (2016 verstorbenen) Freund Benno Schilling als Chef mit Neckermann zwei tolle Schiffreisen durch die Ägäis bis nach Odessa und Alexandria gemacht. Die Folgezeit als Referendar brachten zwar einige juristische (Gerichte, Jugendgefängnis, Polizei- immerhin mit einem sehr gut für meine Ausarbeitung) aber vor allem menschliche (Rock im Überfluss, Mädels, Club Voltaire, zeitweise Leitung des Corps) Erkenntnisse

 

Ein wichtiger Einschnitt, auch wenn er sich erst nach Jahren als solcher erweisen sollte, war der Job bei der KfW in der Lindenstrasse, wo ich neben dem Studium in der aus zwei sehr sympathischen Juristen bestehenden Rechtsabteilung die Bücherei verwaltete. Die Arbeit bestand im Wesentlichen aus der laufenden Ergänzung der Loseblattsammlungen der verschiedenen Rechtsgebiete. Die Stunden á 2,50 (zuzüglich Wegegeld) waren nicht festgelegt, so dass ich nach einiger Zeit sogar (spät)abends – den Pförtner freundlich grüssend – ankam, wenn es mir passte, und manchmal auch aufhörte, wenn es (mir) passte. Ich habe es wohl nicht übertrieben, denn es hat sich nie jemand beschwert. Die Kantine (Mittagessen kostete 0,20 und besser als in der Mensa) war im übrigens im Kellergeschoss des Hauses, in dem die Gestapo residiert und gefoltert hatte.

Ein besonderes Erlebnis ist mir wichtig: Albert Schweizer war für mich ein ganz toller Typ, den ich schon damals sehr verehrte (Ehrfurcht vor dem Leben hatte es mir angetan). Da ich ihn gerade in Günzbach wusste, nahm ich am 22.09.59 die Gelegenheit war, dass die Frau von AH Benn ihn im Krankenhaus von Vorderweidenthal besuchte, übernachtete dort und trampte am nächsten Morgen über Weißenburg, Straßburg und Colmar nach Günzburg (u. a. mit einem völlig irre fahrenden Metzger). Da ich S. in Günzburg nicht antraf, übernachtete ich (für 4,00 DM). Am nächsten Morgen klopfte ich erneut. ‚Herr Dr. Schweitzer ist nicht da‘. Etwas betrübt setzte ich mich an den Hang gegenüber. Nach einiger Zeit öffnete sich die Tür des Hauses und S. trat heraus. Ich ging einfach auf ihn zu, stellte mich vor und fragte, ob ich mitgehen könne, er nickte und wir gingen in Richtung Kirche, wo er sich verabschiedete, um etwas an der Orgel zu üben. Ich setzte mich in die Kirche und hörte etwa zehn Minuten zu. Als er mit einem Begleiter von der Orgel herunterkam, wollte nicht stören und ging. Ich muss so aufgeregt gewesen sein, dass ich nicht mehr weiß, worüber wir gesprochen haben. Schade. Von seinem Haus habe ich ein Foto gemacht, einige Wochen später noch drei von ihm, als er wegen des Friedenspreises nach Frankfurt kam und aus dem Wagen vor dem Goethehaus stieg.

Das Wintersemester 1959/60 ging unimäßig ziemlich in die Hose, auch wenn die Arbeiten (Klausuren, Hausarbeiten mit höchsten einmal 3+) bis auf eine zählten. Wenn ich in meinem Tagebuch lese, was in diesem Halbjahr alles anfiel, war das kein Wunder, weil ich unglaublich viel Zeit im und mit dem Corps verbrachte. Mutter und Vater verdienten in dieser Zeit wohl sehr gut, so dass es auch uns nicht Planungen, in Paris oder Genf zu studieren, legte ich zu den Akten, weil ich erst einmal möglichst bald Examen machen wollte und nicht wusste, ob ich dann vielleicht andere Pläne entwickeln würde. Im April gab es noch ein interessantes Erlebnis für mich. Von Kuczkowski, in dessen Firma ich Packen gelernt habe, hatte mich eingeladen zur Hochzeitsfeier ihrer Tochter Christa mit Carlo Fassi, einem bekannten Eiskunstläufer, und zwar als Tischherr von Marika Kilius. Das 17jährige schmale fast zierliche Mädel war immerhin schon Weltmeisterin. Keine Spur von Arroganz, zurückhaltend, fast schüchtern taute sie erst am Schluss etwas auf, hatte aber außer ihrem Sport und Mode nicht viel zu bieten. Ein eindrucksvolles und opulentes Fest. Schließlich entschied ich mich für Würzburg, weil relativ nahe (Mutters Wunsch) und Benno sich dort immatrikuliert hatte. Ab 01.03.60 arbeitete ich für 150 Mark p. m. für zwei Monate als Volontär bei der Frankfurter (späteren BHF)-Bank.

und verbrachte viel Zeit mit dem Corps, nicht zu vergessen das Studium mit seinen Klausuren und Hausarbeiten. Die vorgeschriebenen zwei Monate beim Amtsgericht vermittelten mir sehr beeindruckend die Schwierigkeiten, denen Richter bei Ihrer Tatbestands- wie bei der Urteilsfindung gegenüberstehen. Ab Mitte 1960 hatte ich ein Zimmer in Würzburg, im hinteren Bereich eines kleinen Gemischtwarenladens in der St. Benediktstr.9, eine ausgebaute Garage mit Fenster und einem Eingangsbereich, der neben den zwei Türen nur noch für ein WC, ein Waschbecken und einen Eisschrank reichte. Im Zimmer selbst gab es neben Schreibtisch mit Stuhl nur noch Platz für das Bett und einen kleinen Schrank. Wir haben trotzdem später mit bis zu 20 Leuten dort gefeiert.

In Frankfurt hatte ich noch meine Hausarbeit zu Ende gebracht und mit einem Bus voll Corpsbrüder Norddeutschland und Dutzende von dortigen AH besucht und auf diversen Festen unheimliche Mengen an Alkohol eingeworfen. Allein hatte ich noch in Bad Harzburg einige Tage verbracht bei Zwergs bzw. Tochter Sabine, meiner etwas längeren Freundin, aber leider ohne Sex – war damals ein Problem aber normal, ich war eh zu schüchtern.

Insgesamt war auch das erste Semester in Würzburg trotz zweier Scheine (BGB und öff. Recht) mehr von Corps und Gammelei als vom Studium geprägt. Immerhin haben das Mozartfest und das Sommerhausener Theater, wo ich Malepiero kennen lernte und der Schauspielerin aus Begeisterung einen schnell selbst geschnittenen Rosenstrauß überreichte, bleibende Eindrücke hinterlassen.

Ende Juli fuhr die ganze Familie – natürlich ohne Vater – für vierzehn Tage nach Holland, wo wir, ich glaube in Katwyk wohnten und bei meist schönem Wetter abwechselnd den Strand und das schöne Hinterland unsicher machten. Auf dem Rückweg besuchte ich noch einige Corpsbrüder, u. a. Hellmann, in dessen Tochter ich mich auf dem Stiftungsfest verknallt hatte und die mir nun gar nicht mehr gefiel (immerhin habe ich dort Golf spielen gelernt) und ging in Köln mit einem Mädel aus, das ich in Katwyk kennengelernt hatte.

In Frankfurt war dann für nächsten Monate alles andere als Studium angesagt. Mutter hatte ihren neuen VW bekommen mit Weißwandreifen, Schiebedach. Starktonhupe und rotem Innenpolster. Marlene machte den Führerschein, Bildersuchfahrten mit dem alten VW, den wir behielten, eine Woche Job auf der Photokina mit Wohnung bei dem von mir sehr geschätzten Corpsbruder (Prof.) Bauermeister, Tennisclubturnier mit guten Plätzen für die Familie (Uta Juniorenmeisterin), Musical- (Oklahoma) und mehrere Besuche von Kunstauktionen (daher stammen die zwei Zilles und der Toulouse Lautrec), diverse Kneipabende, Hochzeit der Schwester von Sabine Zwerg und einige Tage bei meinem heimlichen Schwarm Tante Ilse (Mutter von Ute Schmitz-Lüdicke). Auch hatte ich zwischendurch in Würzburg meine Bude auf Vordermann gebracht und etwas aufgehübscht. Da ich den alten VW jetzt öfters benutzen konnte, verkaufte ich auf der Hauptwache die Isetta für 800 Mark und gönnte mir anschließend ein ganzes Hähnchen. Das Käufer-Pärchen stand einige Tage später vor der Tür: Der Motor hatte auf dem Weg zum Feldberg den Geist aufgegeben. Nach einigen Tagen des Lesens ging es wieder nach Würzburg zum Lernen. Da die Vorlesungen kaum System hatten, war ich wie meisten von uns beim Repetitor eingetragen (zweimal drei Stunden pro Woche). Daneben Hausarbeit, Seminarreferat, Klausuren, Seminare und ab und an Vorlesungen, von denen ich formal dreißig belegt hatte, Daneben einmal Schwimmen und Tanzklub pro Woche, Bierabende und ab und zu Konzert und Film (Faust).

Vor Weihnachten 1960 ging es dann wieder nach Hause: Weihnachtskneipe, Klassentreffen, eine Stunde alle Kinder bei Vater, Gottesdienst, gemütliches Fest mit drei Tagen Pute und anschießend mehrere Skifahrten in wechselnder Begleitung auf den Feldberg und in die Rhön.

In der zweiten Januarwoche nach Krach mit Vater wieder nach Würzburg mit anschließendem erheblichen Studienstress, der bis Ende Februar dauerte, unterbrochen allerdings durch eine Reihe von langen Pokernächten, Faschingsfesten und -kneipen, Freß- (Indonesisches Reisgericht, Krautwickel), und Saufgelagen mit Corpsbrüdern und Kommilitonen, u. a. bei mir, wo ich dann morgens in einem schrecklichen Durcheinander aufwachte, Besuchen zu Hause wegen Geburtstag und Bernds von mir organisierter Konfirmation (ohne den angesäuerten Vater). In dieser Zeit habe ich notiert, dass ich erst hier merkte, welch große Bedeutung meine Mutter für mich hatte. Auch meine Bequemlichkeit einerseits und meine Zielstrebigkeit habe ich damals beschrieben. Damit enden meine Tagebuchaufzeichnungen, was vielleicht auch den Vorteil hat, dass es im Weiteren bei weitem nicht so langatmig wird, da ich meine Erinnerung einschalten muss, hoffentlich gestützt durch einiges Schriftliche aus meinem weiteren privaten und Berufsweg.

Bei einem Seminar des Europäisch -Föderalistischen Studentenverbandes (EFS), deren Hauptziel die Vereinigten Staaten von Europa war, machte ich meine ersten politischen Erfahrungen, die mich immerhin veranlassten, die Hochschulsektion Würzburg mit zu gründen (am 23.02.1961), Seminare zu organisieren und bis Ende 1962 (1. Jur. Examen) auch zu leiten – allerdings ohne weitere Folgen.

Im August 1961 besuchte ich das erste Mal für drei Wochen ein Seminar der Haager Akademie für internationales Recht. Sehr interessant, geblieben ist mir nur die Erinnerung, dass ich einem Wiener Kollegen 50 Mark lieh, damit er wieder nach Hause kam. Das Geld bekam ich zwar nicht zurück, aber als ich nochmals 1964 dort ein Seminar besuchte, welch ein Zufall, traf ich ihn wieder. Statt Entschuldigung und Zahlung bat er mich wieder um Geld, er würde mir alles sofort aus Wien überweisen. Es geschah nichts. Daher wohl meine Skepsis gegenüber den Wienern.

Die Jahre 1961/62 waren dann im Wesentlichen Würzburg und dem Studium gewidmet, auch wenn die diversen Abwechslungen nicht ganz zu kurz kamen. Die meiste Zeit verbrachte ich weiterhin beim Repetitor und Sparsamkeit war angesagt, denn Benno Sch. Und Heinrich Kost waren weg und ich hatte keinen Nebenjob. So war warme Kuttelsuppe für 90 Pfennig der Teller in meiner Stammwirtschaft öfters mein Mittag- oder Abendessen.

In dieser Zeit habe ich ein Brüderpaar kennengelernt: Veit und Michael Bachmann. Mit Veit habe ich Examen gemacht und wir wollten anschließen mit dem in den Orient. Doch er rief mich eines Tages an, er wolle in den Staatsdienst und benötige dafür ein Prädikatsexamen. Damit und viel Arbeitswut aber ohne Kinder hat er es bis zum Landgerichtsdirektor gebracht und ist dann leider wohl wegen zu wenig Bewegung und zu viel Bier mit 71 auf einer Indienreise gestorben, seine Frau kurze Zeit später an Krebs. Sein Bruder wurde Betriebswirt, stieg bis zum Vorstand der Generali, ist heute mehrfacher Millionär, hat drei Kinder und spielt noch immer Tennis. Mit beiden Brüdern habe ich damals viele schöne Tage verbracht, vor allem in und um Marquartstein. Dort hatte ihre Mutter ein Haus mit einer Art Souvenirladen, wo wir nächtigen. uns von den zahlreichen Fahrten und Discobesuchen erholen konnten und gut verköstigt wurden (handgemachtes Früchtebrot: ‚Hans-Jürgen, die Andern wollen auch noch was‘). Später sind wir mit den Kindern mehrfach bei Veit und vor allem bei Michael gewesen. Wenn er kam, tranken wir Unmengen von Äppelwein – auch vorbei seit 2019.

Oktober 1962 habe ich dann das Referendarexamen – ohne Prädikat – bestanden (6 Klausuren an 6 Tagen) und mich am 2.1.1963 für das Referendariat angemeldet, auf Wunsch meiner Mutter in Hessen, wo ich dann im Dezember 1966 das Assesorexamen bestanden habe. In diesen Jahren habe ich nicht nur 13 Stationen mit jeweiligen Prüfungen absolviert (vom Amtsgericht und Verwaltung bis zum OLG) sondern auch zweimal die Akademie für Internationales Recht in Den Haag, die Verwaltungshochschule in Speyer und einen Lehrgang für französisches Recht in Saarbrücken besucht. Viel Zeit habe ich mit insgesamt zwei Doktorarbeiten verbracht, was nicht gelang, weil ich die erste, die mir ein zu konservativer Prof. angeboten hatte, wegen ihrer Nähe zu Waffen ablehnte und mir von der zweiten, die ich in Frankfurt schon mit 50 Seiten geschrieben hatte, vom EWG-Präsidenten persönlich als zu komplex abgeraten worden war (Europarecht) und mein Doktorvater Prof. Lüdecke, plötzlich starb. Es ging auch so.

Im privaten Bereich ist noch einiges Vergangene nachzutragen. Während meines Studiums in Speyer lernte ich Ingrid Matthes kennen, meine erste richtige Liebesbeziehung, die in Heidelberg studierte (Dolmetscherin). Sie war eine hübsche und ganz kluge Frau, allerdings für mich bald keine Partnerin mehr, da sie zu allem ja sagte.  Daher ging es nach zwei Jahren sang- und klanglos zu Ende. Von meinen ersten Gehältern bei der KfW kaufte ich ein Auto; In der Waidmannstraße uns gegenüber wohnte seinerzeit der Inhaber eine Offenbacher Lederfirma. Er fuhr einen Porsche und dessen faszinierenden Klang hatte ich im Ohr behalten. Ich erfüllte mir daher einen Traum und kaufte einen Porsche 356 Cabrio, weiß, von einem Amerikaner. Er war 75 PS damals ein Superding. Den stellte ich morgens in eine Seitenstraße und holte ihn abends, manchmal erst nach einer Vietnam-Demonstration vor dem US-Generalkonsulat, wieder ab. Die intensivste Verbindung war dann Ruth Scheider, Arzttochter aus Weilburg und Medizinstudentin (Marburg), die ich über ihren Bruder Ulli (Corpsbruder), der jetzt wohl schon zehn Jahr tot ist, kennen und lieben gelernt hatte. Es war wohl 1968, als wir uns verlobten, wie es damals Brauch war mit einer richtig schönen Familienfeier. Leider war die wirklich schöne Zeit mit uns begrenzt und ziemlich kurz. Sie war in Marburg und ich nur am Wochenende dort, wo sie irgendwann einen Kollegen kennen- und eben mehr lieben lernte. Ich war das erste Mal in meinem Leben saumäßig traurig, schrieb Ihr Märchen und überlegte sogar ernsthaft, mit meinem Porsche gegen einen Brückenpfeiler zu fahren. Immerhin siegte die Vernunft.  Dann war da noch Claudia Pohl, fast 10 Jahre jünger und zufällig die Tochter meines bereits erwähnten damals bereits verstorbenen Fahrlehrers Pohl. Ich lernte sie bei einem Sprachkurs in England kennen. Sie ging noch zur Schule, war groß und blond, und hatte ein starkes natürliches Selbstbewusstsein. Ich war in sie verliebt, fuhr mit ihr und dem Porsche bis nach Genf, war aber leider zu eifersüchtig, was sich dann auch negativ auf unsere Beziehung auswirkte, zumal ihre Mutter beharrlich gegen mich arbeitete. So ging es nicht gerade im Einvernehmen zu Ende.

 

Erwachsen

Als meine künftige Frau auf den Plan trat, mußte ich von aus Sparsamkeitsgründen gekauften Käfer-Cabrio zu einem normalen Käfer wechseln, denn sie verträgt bis heute keinen Zug. Doch auch wenn wir in den folgenden Jahrzehnten aus nachvollziehbaren Gründen immer Familienautos (Kombis) fuhren.

Die Auswirkungen der Scheidung unserer Eltern wurden für meine Familie spürbar nach dem Tod unserer Mutter, die mit nicht immer fairen Methoden alles zusammenhalten wollte (vergl. die obige Ahnung). Sie bevorzugte auch überdeutlich Marlenes Kinder, während sie die unseren auch schon mal kleine Ungeheuer nannte. Ursache war sicher ihr schlechtes Verhältnis zu Gudrun, das mich immer bedrückt hat. Sie konnte wohl nicht verkraften, dass eine andere Frau wichtiger für mich wurde als sie. Und meine Loyalität zu ihr, wenn sie zu Besuch kam und eigentlich nur mit mir kommunizieren wollte, brachte mich in ernsthafte Schwierigkeiten mit Gudrun. Da Mutter sich auch nicht scheute, Gudrun bei den Geschwistern negativ zu reden, hatte Gudrun auch immer das sicher richtige Gefühl, dort nicht akzeptiert zu werden. Und das blieb. Ein herzliches Verhältnis sieht anders aus.

Als einen der Gründe dafür sehe ich die besondere Gesprächskultur unserer Familie. Probleme, Vorwürfe wie Scherze wurden so verklausuliert, dass wir aber keine Außenstehende den Sinn erfassten. Das galt insbesondere für Helmut und Gudrun. Bernd, acht Jahre jünger als ich, hat seinen Vater sicher am meisten entbehrt. Wohl bedingt durch unsere besondere Situation wurde er mit 19 Vater. Während er sein Abitur machte, verließ die 18jährige Mutter die Schule, die beiden heirateten und mussten die ersten Jahre unter der Gluckenaufsicht der beiden Elternpaare leben. Bernd trat kurze Zeit nach Beendigung seines Studiums in die Firma seines Schwiegervaters ein, der wenig später starb. Er übernahm im Lauf der Jahre die Firma und war tüchtig, entwickelte sich allerdings zu einem ziemlich selbstherrlichen Unternehmer. Im Laufe der Jahrzehnte hatten sich die Reibereien anlässlich unserer Zusammenkünfte, die nach Mutters Tod nochmals aufgeflammt waren, so vermindert, dass ich sozusagen als Beginn eines endgültigen friedlichen Miteinanders alle Geschwister einlud. Darüber sprachen wir auch, als wir an einem schönen Sommerabend entspannt auf unserer Terrasse zusammenkamen. Bis Punkt zwölf Helmut und Marlene aufstanden und trotz meiner herzlichen Bitten abdampften. Marlene, die ich Wochen später zu einer Aussprache traf, erzählte dann, dass Sie durch die Absage von Uta, bei ihr zu übernachten, so gekränkt gewesen sei, dass sie mit Helmuts Vorschlag, statt einer Absage zumindest um Mitternacht zu gehen, angenommen habe. Was ein Armutszeugnis. Ich glaube, sie hat nichts verstanden. Doch es kam noch schlimmer: Bernd geriet sich mit Arne anschließend so in die Haare, dass er keine halbe Stunde später wutentbrannt aufsprang und mit Gitti ebenfalls verschwand. Das Ergebnis dieses Abends traf mich mehr als alles, was es zwischen uns Geschwistern in den letzten Jahrzehnten gegeben hatte; auch weil sich keine/r anschließend bei uns entschuldigte – Ausnahme Gitti. Sie rief am nächsten Tag an und entschuldigte sich für Bernds Verhalten. Uta und Arne schweigen bis heute zu diesem Vorfall.

Das Verhältnis zu meinem Bruder war von da an gestört. Als ich meinen 70. feierte und nur ‚befreundete‘ Menschen dabeihaben wollte, fehlte Bernd. Das hat er mir dann nicht verziehen. Als ich ihm zum Geburtstag gratulieren wollte und Gitti nach einigen netten Worten den Telefonhörer an Bernd weitergab, hörte nach meinem ‚hallo Bernd’ nur noch ‚mit dir wollte ich eigentlich nicht sprechen’. Dann legte er den Hörer auf. Auf der Hochzeit von Max habe ich ihm noch mal die Hand reichen wollen, aber nach einigen Sätzen endete das mit seinem ‚Wir haben uns ja eigentlich nie verstanden‘. Doch dann – 78 war ich – hat der von mir geschätzte kleine Bernd (einer der beiden Söhne von Marlene) das Blatt gewendet: An Marlenes Geburtstag im Sommer 2016 hat er meinen Bruder auf unser Zerwürfnis angesprochen; ob er mich nicht mal anrufen würde. Bernds Reaktion: Das könne er nicht; und wenn sein Bruder ihn anrufen würde? Darüber würde er sich freuen. Das hat der kleine Bernd mir weitergeben, ich habe angerufen, wir haben uns im Restaurant getroffen und beschlossen, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Darüber war ich sehr froh. Eigenartig ist, dass Bernd, angesprochen auf den Streitabend, daran nicht die geringste Erinnerung zu haben schien. Er ist schon lange von seiner zweiten Frau Gitti geschieden, ist seit einige Jahre mit einer ganz sympathischen Witwe zusammen und wir waren (mit Marlene) inzwischen mehrmals bei ihm eingeladen. Jetzt lebt er nach dem Verkauf seines Hauses in einer ETW, leider mit Parkinson. Seine Tochter lebt mit Partner im Silikon Valley, Sein Sohn Alexander war nach wohl zu viel Drogen in Australien einige Jahre psychisch krank und einige Jahre im Frankfurter Untergrund abgetaucht, in einem kalten Winter aber wieder bei Mama aufgetaucht und studiert wieder.

Die Auswirkungen der Scheidung unserer Eltern wurden für meine Familie spürbar nach dem Tod unserer Mutter, die mit nicht immer fairen Methoden alles zusammenhalten wollte (vergl. die obige Ahnung). Sie bevorzugte auch überdeutlich Marlenes Kinder, während sie die unseren auch schon mal kleine Ungeheuer nannte. Ursache war sicher ihr schlechtes Verhältnis zu Gudrun, das mich immer bedrückt hat. Sie konnte wohl nicht verkraften, dass eine andere Frau wichtiger für mich wurde als sie. Und meine Loyalität zu ihr, wenn sie zu Besuch kam und eigentlich nur mit mir kommunizieren wollte, brachte mich in ernsthafte Schwierigkeiten mit Gudrun. Da Mutter sich auch nicht scheute, Gudrun bei den Geschwistern negativ zu reden, hatte Gudrun auch immer das sicher richtige Gefühl, dort nicht akzeptiert zu werden. Und das blieb. Ein herzliches Verhältnis sieht anders aus. Das wirkt sich auch bei mir aus. Marlene ist für mich ein Mensch, der wie Bernd kein wirkliches Interesse an den Geschwistern hat und auch über sich selbst kaum nachdenkt. Lediglich mit Uta verstand ich mich besser. Sie hat politisches und soziales Interesse und wir telefonierten fast jede Woche, allerdings eher über unsere Familien. Zwar hat sie den Antigudrunvirus nicht abgelegt und sogar auf Katrin übertragen, ich konntr mich aber mit ihr zumindest verständigen, was sicher auch mit Berlin zu tun hat. Während ich nämlich bereits Referendar war, studierte sie dort und lebte (erste Ehe) mit Sohn Jan in einer WG. Dessen kleiner Freund hieß Che. Ich unterstützte sie eine Zeitlang und besuchte sie mehrfach. Immer hatte ich ein kleines Blechauto, damals eine Kostbarkeit, in der Jackentasche, das Jan dann mit glänzenden Augen herausholte. Das hat gehalten. Er rief mich noch immer alle paar Wochen an und griff mir beim Zusammentreffen in die Jackentasche. Aus zweiter Ehe mit Arne Arnemann hat Uta (früher Lehrerin) zwei weitere Söhne: Obwohl ich mit Phillip, (2 Töchter und geschieden) und Max als Kinder bei meinen Besuch gerne spielt, hatte ich nur sporadisch und mit Max gar keine Verbindung mehr. Er hatte mich enttäuscht, als er nach einem vagen Plan, uns beruflich zusammen zu tun, mir seine Absage einfach nicht mitteilte. Er lebt heute als mehrfacher Millionär mit den entsprechenden Macken und 4 Töchtern in Scheidung. Marlene wurde schon vor Jahren von ihrem Mann von einem Tag auf den anderen verlassen zugunsten einer Italienerin, mit der er schon lange ein Verhältnis hatte. Marlene, obwohl gute Ärztin, war und ist naiv. Noch ein paar Sätze über ihre Kinder. Sohn Jörg lebt als Junggeselle (wohl sich nicht outender homo) und selbständiger Energieberater noch immer in ihrem Haus. Der vorzügliche Volljurist Bernd (wegen meines Bruders kleiner Bernd genannt) war mit seiner Mutter jahrelang über Kreuz und lebt nach unsteten Jahren (weil ‚Rechtsanwälte zu viel Unrecht vertreten müssen‘) mit Partnerin und deren Sohn, nun doch in einer Sozietät. Tochter Anne, Ärztin, hatte große Probleme mit ihren beiden Söhnen. Der Ältere geb.2008) wurde durch ein Koma, verursacht durch eine zu spät entdeckte bzw. nicht richtig behandelte Überzuckerung, stark behindert. Inzwischen lebt er nach Jahren in einer Behinderteneinrichtung, geistig wieder recht gesund, körperlich aber noch längst nicht. Bernd hat es erreicht, dass er wieder bei Marlene und Jörg wohnen kann, die inzwischen auch das Umgangsrecht haben. Aufgrund einer schweren wohl nicht mehr zu heilenden Geisteskrankheit wurd Anne wurde Anne das Sorgerecht entzogen. Der jüngere Sohn (geb. 2010) lebt in einer Jugendeirichtung in Wien, weil der Vater (die Eltern waren nicht verheiratet), der mit neuer Familie und neuen Kindern leb, ihn nicht aufnimmt. Der Junge raucht und ist wohl etwas verwahrlost.  Der Vater in Salzburg (mit neuer Familie und 2 Kindern) hat wohl noch immer das Sorgerecht für beide Kinder und kein Verhältnis zu Anne Kinder. Ich habe mich lange für den Älteren eingesetzt, was sich inzwischen erledigt hat. Das Alles hat für mich nur deshalb Bedeutung (gehabt), weil für mich die ‚Familienbande‘ lange besonders zählten.

Aus meiner alten Familie gibt es im Ergebnis nicht viel Erfreuliches (Stand 2024).

Im Sommer 2022 waren wir Geschwister zum zweiten Mal, jetzt mit Partnern, bei Uta auf Kreta. Es waren schöne Tage für Alle, die leider am Abend vor meiner Abreise schlecht endeten, da Arne Christofer, der Gudrun im Auto hatte, und sich das Haus ansehen wollte hinauswarf. Beim Frühstück am nächsten Morgen zogen beide Schwestern, ohne dass einer der anwesenden Arne, Bernd, Erwin ein Wort dazu sagten, derart über Gudrun her, dass ich sehr deutlich meinen Unmut äußerte. Nach einigem Überlegen zogen wir uns später unsere Einladung zu unserem 50Jahre-Jubiliäumsfest einige Monate nicht zurück, das dann auch sehr gut verlief. Beim Abschied von Uta und Arne konnte ich mir   die Bemerkung nicht verkneifen, dass die Angelegenheit Kreta nicht erledigt sei. Kurze Zeit danach hatte ich dann den folgenden Mailwechsel

Liebe Uta,

Du hast Dich sicher gewundert über den sehr unhöflichen Patzer, den ich mir bei Eurer Abfahrt geleistet habe und für den ich mich erstmal ausdrücklich entschuldige. Ich habe dafür hier schon kräftig den Kopf gewaschen bekommen. Mein aus Kreta mitgebrachter Frust hat mir da einen üblen Streich gespielt.

Eine Bemerkung: Marlene rief mich an, die Du wohl informiert hast: Sie habe Alles verstanden. Im übrigen stünde ich restlos unter Gudruns Pantoffel, die ja auch eingeladen gewesen aber nicht wollte und auch ihr ganzes Leben immer gejammert habe. Ihre ausschließlich auf Gudrun gerichteten Worte waren für mich unerträglich… ich habe aufgelegt. Die Gründe hierfür und für eine lange Reihe verbaler Boshaftigkeiten gegen Gudrun wurden in der Vergangenheit von unserer Mutter gelegt. Da es für sie emotional nur ein entweder oder gab, hat sie das Auftauchen von Gudrun als wohl zu großen mentalen Verlust empfunden. Das hat sie in ihrem weiteren Leben nicht nur Gudrun und meine Kinder selbst spüren lassen, sondern es auch Euch intensiv vermittelt. Diesen Eindruck hat unsere Familie schon sehr lange gewonnen. Er wurde jetzt nur bestätigt. Ihr habt es jahrzehntelang nicht fertiggebracht, Euch ein eigenes Bild von meiner Familie zu machen, was auch in Euer beider Argumentation am Morgen nach dem fraglichen Abend deutlich wurde. Auch wenn Du es nicht wahrhaben willst, ich habe es so empfunden. Auch die Rückmeldungen unserer Kinder haben mir deutlich gemacht, wie verletzend diese vielen Äußerungen sind. Die üblen Bemerkungen von Marlene über Gudrun in besagtem Telefonat sind bezeichnend für das oben Gesagte. Jedenfalls hat mir Gudrun einen großen Gefallen getan, trotz ihrer Schmerzen mitzukommen und sich so gut wie es ihr möglich war einzubringen.

Nur noch zur Klarstellung des Vorgangs an besagtem Abend: Christofer hatte seine Zusage eingehalten, unser Frühstück nicht zu stören. Arne hat die Beiden an besagten Abend eingeladen. Gudrun, die mit der Vorgeschichte nun gar nichts zu tun hatte, wurde gleich mit ‚ausgeladen‘. Nach Bernds ‚Wir wollen Dich hier nicht haben‘ betretene Stille, keine Reaktion. Ich brachte die Beiden zum Auto und ging wortlos auf mein Zimmer. Am nächsten Morgen Frühstück friedlich wie immer bis der vorherige Abend erwähnt wurde. Was dann folgte, war für mich erschreckend. Außer wenigen Worten von mir nahmen ausschließlich Du und Marlene dazu Stellung, das aber in einer Art, die keinen Zweifel daran ließ, dass der Betroffene (Chr.) an dem Rauswurf, denn das war er ja zweifellos, selbst schuld war. Ich habe das auch bei meinem Abschied am letzten Morgen so höflich wie möglich und sicher besser als bei Eurem Abschied von hier ausgedrückt. Mit Bernd habe ich mich noch in P. ausgesprochen. Er hat sich dabei für seine Bemerkung entschuldigt, die ich mir aufgrund seiner Mentalität und seiner Krankheit auch als nicht allzu bewusst gemacht erkläre.

Über Marlene habe ich oben genug gesagt. Nicht erklären kann ich mir Dein anschließendes Verhalten. Warum kam wenigstens bei Eurem Hotel Besuch keine weitere Erklärung von Dir?

Die ganze Sache bedaure ich sehr. Sie hat aber für mich zu einer größeren Transparenz der Vergangenheit geführt. Ich sehe zwar nirgendwo Schuld, weil ich in unser aller Handeln bzw. Nichthandeln keine Bösartigkeit erkennen kann, wohl aber eine gewisse fehlende Verantwortlichkeit für Ansichten und Handlungen bzw. Unterlassungen. Sie werden nämlich so wahrgenommen, wie sie beim Gegenüber ankommen. Und das ist unserer jeweiligen Entwicklung zuzuschreiben, die auch hier von der Familiengeschichte geprägt ist. Es ist mir ein Rätsel, dass es nach wie vor keine Akzeptanz meiner Familie gibt. Gerade weil auch Ihr ein Teil meiner Familie seid und mir am Herzen liegt, tut mir Euer Verhalten besonders weh. Und dieser Vorfall war nur der Auslöser für all das, was schon seit Jahren hätte ausgesprochen werden müssen. Herzlichen Gruß Dein Hans-Jürgen

Ein zwei Monate später hat Uta mir geantwortet

Hallo Hans-Jürgen, deine mail vom Juli habe ich nach langer Zeit gelesen. Leider habe ich nichts Neues darin erfahren, was zu Klärung des Vorfalls in Petrokefalo beitragen konnte.

Es ist schade, wir haben eine sehr, sehr unterschiedliche Sicht auf diesen ‚Vorfall‘. Mir ist völlig schleierhaft, was dieser mit der von dir beschriebenen Geschichte zu tun hat.

Ich wünsche dir ein Gesegnetes Weihnachtsfest im Kreise deiner Familie!  Uta

Ich habe dann kurze Zeit später geantwortet:

Hallo Uta, schön, von Dir zu hören. Ich habe mir meine Mail nochmal durchgelesen. Meine Sicht des Vorfalls in P. und die Reaktion von Dir wie Marlene am nächsten Morgen, meine Schlüsse daraus und die sicher sehr späte Offenlegung der langjährigen Diskriminierungen (mich ausgeschlossen) habe ich dort doch so deutlich gemacht, dass man sie eigentlich gut nachvollziehen kann, zumindest dann, wenn man erkennt, wie eigene Kommunikation beim Anderen ankommt. Marlene, mit der ich ja darüber ausführlich gesprochen habe, hat das bei unserem Treffen wohl erkannt, konnte aber auch in den von mir genannten Fällen der Vergangenheit sich nicht erinnern oder hielt es für unwichtig. Sicher eine bei ihr verständliche Verdrängung. Für mich zählt aber die Befindlichkeit meiner Familie. Und ich bin froh, dass ich das endlich ausgesprochen habe, wenn P. auch nicht gerade der beste Anlass dafür war. Einen Hinweis auf die Problematik kann auch unser gegenseitiges Verhältnis zu den Kindern der jeweiligen Geschwister geben.

Uns geht es altersgemäß gut, ich bin nach dem kleinen Schlaganfall wieder fit bis auf die Feinmotorik der linken Hand. Weihnachten sind wir mit beiden Kindern im Allgäu in Katrins kleiner Ferienwohnung. Auf dem Hinweg besuche ich Xandi. Hat Jan eigentlich das Silberbesteck erhalten? Euch wünschen wir friedliche Weihnachtstage und auch fürs nächste Jahr die notwendige Gesundheit!

Herzlichen Gruß von Gudrun und Hans-Jürgen

Seitdem gibt es lediglich noch kurze Glückwünsche per Mail von ihr und von Jan, die ich erwidere. Ihm habe ich vor zwei Jahren noch das von ihm gewünschte Silberbesteck aus dem Erbe geschickt,

 

Der Berufsweg
Da ich erstmals 59/60 und dann wieder in der Referendarzeit nebenbei in der Rechtsbücherei der KfW gearbeitet hatte, fragte ich gegen Ende 1966 den Syndikus (Dr. Scheer) nach der Möglichkeit einer Anstellung. Er sah keine Probleme, obwohl ich gar nicht bei ihm, sondern im Entwicklungshilfe-Kreditgeschäft arbeiten wollte, und schickte mich zum Leiter der Abteilung Entwicklungsbanken (Dr. Engel), der mir sagte, ich hätte das Denken gelernt und das Übrige würden sie mir schon beibringen. Im April 1967 fing ich bei ihm an, zuständig für die Entwicklungsbanken Afrikas. In der Bank fühlte ich mich wohl, wurde ich den Personalrat gewählt (1969-1971), wechselte nach zwei Jahren in das Vorstandssekretariat und arbeitete dort auch für den Vorsitzenden des Vorstands (Dr. Rieck, ein feiner Kerl), für den ich u.a. seine diversen Vorträge und Mandate vorbereitete.

Neben einigen Kurzreisen (so mit dem Vorstand nach Jugoslawien) bin ich dort erstmals nach Afrika gereist. Mit dem erfahrenen Abteilungsleiter haben wir in Ghana die NIB (National Investment Bank) auf eine Kreditvergabe zur Finanzierung kleiner Unternehmen geprüft. Nach fünf anstrengenden Tagen wurden wir dann drei Tage durch das Land gefahren bis zum Volta-Staudamm – eine wunderschöne Fahrt. Am letzten Abend auf der Fahrt zum Hotel hörten wir Trommeln aus dem Urwald, fuhren hin und erlebten zwei tolle Stunden in einem feiernden winzigen Fischerdorf – mit Band und Tanz. Am nächsten Morgen fuhr ich mit unserem Fahrer hin und kaufte ihnen alle fünf Instrumente einschließlich zweier Trommeln für ein paar Dollar ab. Ich habe sie heute noch im Keller.

Rieck fragte ich Anfang 1970 nach einer neuen Aufgabe, da ich mit dem stv. Abteilungsleiter Petry nicht so recht konnte. Er wusste, dass der deutsche Kommissar in Straßburg einen Assistenten suchte. Ich war einverstanden und buchte gleich einen Französischkurs bei Genf. Die Sache zog sich hin, da man neuerdings in Straßburg erst eine – wie man mir versicherte förmliche – Ausschreibung vornehmen musste (Januar 1971). Inzwischen hatte es in der KfW eine Umorganisation gegeben und ich plötzlich keine Aufgaben mehr – unglücklich, was mich zum Studium des Stellenteils der FAZ veranlasste. Als ich dort etwas bei der Deutschen Bank fand, sprach ich mit Rieck, der rief dort an und am 1.4.1971 war ich mit der Perspektive Stv. Abteilungsleiter der Abt. Industrievermittlungsdienst – später nannten wir uns Mergers & Aquisitions – eingestellt. Und es ist wirklich wahr, am 2.4. kam die schriftliche Zusage aus Str. Da wäre ja mein Leben fast anders gelaufen. In der DB wurde ich nach der Probezeit Oberbeamter mit Handlungsvollmacht und ein Jahr später als Prokurist Stellvertreter des Abteilungsleiters (Müller, ein Ekel). Die Arbeit war interessant, aber letztlich unbefriedigend, da die Leiter der großen Filialen die Arbeit behinderten und Müller ein eine Art Frühstückdirektor und zudem ein Weichei war. Das Interessanteste waren die wenigen Male, wenn ich bei den Sitzungen des von Dr. Seipp (sehr guter Mann) geleiteten Generalsekretriats Müller vertrat. S., den ich ja noch bei der KfW kennengelernt hatte, war kompetent und eine beeindruckende Persönlichkeit. Als mir M. dann zu sehr auf die Nerven ging, wechselte ich als Gruppenleiter in die Zentrale Aussenhandelsfinanzierung. Das war eine interessante Tätigkeit, aber bald merkte ich, dass ein Weiterkommen gedauert hätte, da zwei gute Ältere vor mir waren. Da ich mit dem stv. Abteilungsleiter Dr. Arendt (feiner Mann) konnte, fragte ich ihn um Rat und er kam plötzlich mit einem tollen Job bei Siemens/Erlangen. Das lief wie geschmiert, deren Generalbevollmächigte kam aus München und war mit mir – und der mit eingeladenen Ehefrau – einverstanden. Auf dem Rückweg bekam meine liebe Frau einen Heulanfall: Ich wäre ja das halbe Jahr auf Dienstreisen und sie bliebe als grüne Witwe mit zwei kleinen Kindern, so habe sie sich unser Leben nicht vorgestellt. Ob ich nun ein zu großes Weichei bin und die große Chance meines Lebens nicht genutzt habe, ich sagte Siemens ab. Bei S. wie bei DB machte man mir dann schnell deutlich, dass ich hier wie dort keinen Fuß mehr in die Tür kriegen würde. Meine Bewerbungen führten schnell zum Erfolg und ich fing am 1.10.1977 bei der Allgemeinen Kreditversicherung (AK) in Mainz an als Abt. Leiter Vertragsverwaltung. Leider stürzte der noble Vorstandsvorsitzende, der mich eingestellt hatte, nach wenigen Wochen vom Pferd und zwar so unglücklich, dass er den Dienst quittieren musste. Sein Vertreter, jetzt Alleinvorstand, rief mich und teilte mir kurz mit, dass ich zwar weiter dort arbeiten könne, aber als normaler Angestellter und da ich noch in der Probezeit sei, könne er mich auch sofort entlassen. Nach einer im Nachhinein gesehen schlechten Beratung durch einen Rechtsanwalt zog ich den Schwanz ein, ließ mir das Zeugnis schreiben und ging.

Es folgten deprimierende 12 Monate, in denen ich insgesamt genau hundert Bewerbungen schrieb, alles ja noch ohne PC, und auch einige Gespräche führte. Es gab schließlich einige wenige Möglichkeiten, von denen ich die heute zur SEB gehörende Bank für Gemeinwirtschaft (BfG), wählte, weil ich damals noch daran glaubte, dass ich bei einer den Gewerkschaften gehörenden Bank auch mit meinen sozialen Vorstellungen gut aufgehoben sei. Diese Einstellung änderte sich dann in wenigen Jahren. Aufsichtsrat und Vorstand waren mehrheitlich inkompetent und wenig sozial. Unten durch war ich wohl (so ein Kollege anschließend), als ich bei einer Betriebsversammlung fragte, warum der bei uns jeweils als Prozentsatz vom Gehalt einbehaltene Mitgliedsbeitrag für die Gewerkschaft für die Vorstandgehälter gekappt würden. Gehalten hat mich lange, dass ich das völlig fehlende Geschäft in Afrika aufbauen sollte. Diesen Erdteil habe ich in den folgenden Jahren kennen und lieben gelernt, aber die Bank war schlimmer als die Deutsche Bank, weil sie zwar ‚Gemeinwirtschaft‘ im Namen trug aber tatsächlich Klüngelwirtschaft und Inkompetenz vorherrschten.  In Afrika hatte ich zwar freie Hand, stellte aber nach einigen Jahren fest, dass die Einräumung notwendiger Kreditlinien für die dortigen Banken immer restriktiver gehandhabt wurde, so dass ich schließlich nach etwa sechs Jahren dem Abteilungsleiter vorschlug, mein Referat aufzulösen. Ich wechselte in die Auslandskreditabteilung, wo ich vor allem die vielen Konsortialkredite bearbeitete, an denen sich die BfG mit kleinen Anteilen beteiligte. Währenddessen nahm das Kreditgeschäft mit der Sowjetunion, das von meiner alten Abteilung gemanaged wurde, immer größere Dimensionen an – neben der Inkompetenz der Leitung einer der Gründe für den Notverkauf der Bank einige Jahre später.

Da ich mich für die von Grünen geplanten Gründung einer grünen Bank sehr interessierte und entsprechende Kontakte aufbaute, war es für mich so etwas wie die Erfüllung eines beruflichen Traums, als mich Dieter Reinke, der Initiator und Gründer der Ökobank e.G. in Frankfurt zur Mitarbeit aufforderte. Nach 10 Jahren BfG war das Gehalt als Mitglied der Geschäftsführung mit monatlich DM 7.500 zwar alles andere als angemessen aber der Ausblick vielversprechend. Ich mache es kurz: Die Arbeit war interessant, wurde aber immer mehr, die Organisation chaotisch und das Menschliche von einem Paar geprägt, das die Fäden in der Hand hielt und seine Machtstellung rücksichtslos einsetzte. Als Reinke resignierte, war auch ich dran. Als ich abgeschoben werden sollte, trennte ich mich mit DM 50.000 Abfindung ‚einvernehmlich‘. Die Bank wurde einige Jahre später insolvent.

Mit der Abfindung gründete ich die altera consult als Einzelfirma, später als GmbH zur Finanziererung von umweltverträglichen bzw. ökologischen Kapitalanlagen, damals einer der beiden ersten Unternehmen in diesem noch neuen Finanzsektor. Das brachte mir für weitere 10 Jahre eine befriedigende und finanziell ganz ordentliche Betätigung. Wir hatten auch vor, eine AG zu gründen für die Finanzierung ökologischer Projekte. Den ganz passablen Businessplan hatte ich schon fertig in der Schublade. Neue Gesetze zwangen mir allerdings ab 1998 die Regeln auf, die für Geschäftsbanken (Kapital, Wirtschaftsprüferbericht. Beiträge für alles Mögliche) gelten. Hinzu kam, dass mich Lahmeyer, immerhin das zweitgrößte deutsche Ingenieurunternehmen, um den ersten von uns geplanten Windpark regelrecht betrog. Aufgrund der kosten- und personalintensiven Vorarbeiten hatte ich unser normales Geschäft an einen uns bekannten ähnlichen Vertrieb ausgelagert, der leider unseren Kunden vor allem seine eigenen Produkte verkaufte. Auch wenn ich später dafür eine gewisse Entschädigung herausholte, hatte ich dann nicht mehr genug Geld, um meine Rechte gerichtlich durchzusetzen und kein Prozessfinanzierer wollte gegen Lahmeyer engagieren. Nachdem der mir auch noch meinen wichtigsten Mitarbeiter-Zeugen ‚abgekauft‘ hatte, beschloss unser Familienrat: Schluss. Auf eine Frage meiner Frau, wie lange ich wohl brauchen würde, bis ich wieder meinen alten Status erreicht hätte, hatte ich nämlich ‚etwa zehn Jahre‘ geantwortet. Ich verkaufte meine Kundendatei, löste meine schöne Lebensversicherung auf, um alterra schuldenfrei zu machen und wickelte sie ab.

 

Die Politik

Was die politische Entwicklung betrifft: Mein Elternhaus war völlig unpolitisch und dasselbe gilt für die Gymnasialzeit. Auch ein Seminar 1961 des Europäisch -Föderalistischen Studentenverbandes (EFS), dessen Hauptziel die Vereinigten Staaten von Europa war, und mich zur Gründung ihrer Hochschulsektion Würzburg veranlasste, blieb ohne Folgen. Politisch aktiv wurde ich durch erste Berufserfahrungen in der KfW, wo ich erfuhr, wohin der Großteil unserer Mittel der Entwicklungshilfe tatsächlich landeten, und in der Folge im Club Voltaire, wo ich die brodelnde linke Scene erlebte und nach Büroschluss mit Ho Ho Hoh Chi Min gegen den Vietnamkrieg vor dem US-Generalkonsulat protestierten. Einen Stein habe ich allerdings nie geworfen. 1966 schloss ich mich den Frankfurter Jusos an, wo neben Wahlkampf-Hausbesuchen kräftig diskutiert und (auch von mir) geschrieben wurde (Schulden der Entwicklungsländer u.a.). Alles nach der regulären Arbeitszeit als werdender ‚Banker‘ im Anzug. Dann zog ich als Spätachtundsechsziger mit Gudrun in eine ziemlich chaotische WG. 1970/71 gründeten wir im noch selbständigen Ober Erlenbach eine Jusogruppe, von wo ich kurz darauf stv. Vorsitzender des SPD-Ortsvereins wurde, der 1972 in den Ortsverein Bad Homburg überging. Dort war ich bis 1977 im Vorstand (als Schriftführer).

Dann war ich zwei mal vier Jahr im Ortsparlament und anschließend denselben Zeitraum im Parlament des später aufgelösten Umlandverbands. Im Ergebnis bleibt, von meinen zahlreichen politischen Artikeln in den diversen Medien abgesehen: Zuviel verschwendete Zeit, kaum messbare Erfolge, immerhin aber viel Erfahrung. Der Frust war wohl auch der Grund, warum ich während der Zeiten bei der BfG und der Ökobank politisch kaum mehr aktiv war. Als Unternehmer fehlte mir dann auch jede Zeit dafür. Erst als Rentner habe ich mich jahrelang mit der Abzocke bei Finanzprodukten (Ergebnis: Buch ‚Basiswissen Geldanlage‘) über Mitarbeit bei Attac und Aufstehen, Leserbriefe und schließlich eine eigene Webseite wieder in die Politik ‚eingemischt‘. In den 80igern sind wir regelmäßig bei den Ostermärschen mitgelaufen. Jetzt (2021) habe ich den Rheinmetallvorstand wegen Beihilfe zum Mord angezeigt, bisher ohne Erfolg. Anlass: 2015 wurde in einem Haus im Jemen eine ganze Familie getötet und in den Trümmern eine Bombe mit Rheinmetallkennung gefunden.   

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Schreiben

Erwähnen will ich eine gewisse Schriftstellerei, auch wenn ihre Ergebnisse insgesamt wohl eher als dilettantisch durchgehen. Meine dicke Abiturarbeit ‚Die römische Baukunst in der Provence‘, für die ich auf einer Reise 1958 mit meinem Vater fotografiert hatte, habe ich noch, da mir der zuständige Lehrer erklärte, sie leider einen Tag zu spät abgeliefert zu haben. Zu meiner Genugtuung haben wir dann nach der Abiturfeier in seinen Briefkasten abgelassen.

Von 1963 bis 1966 habe ich die Pressestelle des Kösener Gesamtverbands mit geleitet und dort die Hauptarbeit gemacht. Wurde das auch anerkannt (so die ‚Gedanken zur Neugestaltung der Deutschen Corpszeitung, 1964 dort einen längeren Beitrag: ‚50 Jahre Johann-Wolfgang- Goethe Universität‘), so hatte ich mit meinem späteren Entwurf einer Informationsschrift ‚Über die Corpsstudenten‘ bei VAC (Vorstand des Verbands) kein Glück. Es war ihm zu modern. Die Konsequenz war unser Rücktritt.

Ob ich einige Gedichte und zwei Märchen eines 1968 unglücklich Verliebten überhaupt erwähnen soll, weiß ich nicht so recht. Die Gedichte gefallen mir aber heute noch.

Die Liebe meiner Schülerzeit (Oberstufe) Marianne Streng, die mir vor einigen Jahren beim Klassentreffen verriet, dass sie von dieser heimlichen Liebe nichts mitbekommen hätte, bot mir, inzwischen bei dem kleinen Wochenschau Verlag in Schwalbach, eine Mitarbeit an. Dort habe ich mehrere Artikel in dem für die Oberstufe/Sekundarstufe II herausgegebenen Monatsperiodikum ‚Wochenschau für politische Erziehung, Sozial und Gemeinschaftskunde‘ geschrieben: Der Außenhandel und seine politische Bedeutung (10/70), Entwicklung und Auswirkung des Welthandels? (11/70), Weltinnenpolitik (12/70), Was ist faul an der Entwicklungshilfe? (01/71) Eine europäische Währung – Trugbild oder Notwendigkeit? (05/71), Die UNO – eine moralische Instanz, mehr nicht? (07/71), Bleibt Abrüstung ein Wunschtraum? (08/71). Ich finde sie heute noch gut richtig und lesbar.

Während meiner Zeit im Kirchenvorstand der Gemeinde Ober Eschbach/Ober Erlenbach habe ich an der Gründung der Zeitung ‚Stimmen‘ und in der Redaktion mitgewirkt. Ich habe lediglich noch einen meiner Artikel ‚Revolution in der Kirche‘ gefunden, da ich alle Unterlagen 2015 der damaligen Archivarin gegeben habe, dies sie verschlammt hat – auch kein Erfolg trotz Nachfrage im Pfarramt und allen möglichen Bibliotheken.

In meiner Zeit als Vorstand der Ober Erlenbacher SPD und dann als Parlamentarier in Bad Homburg habe ich zahlreiche Artikel vor allem über kommunale Sachverhalte im ‚Ober Erlenbacher‘ der Stadtteilzeitung der SPD verfaßt.

 

Das Alter

Mit knapp 65 beantragte ich meine drei Renten: BfA, BVV (Beamtenversicherungsverein, seit fast 20 Jahren keinen Cent erhöht)), BFG- Betriebsrente, zusammen mit der späteren klitzekleinen BfA-Rente meiner Frau immerhin netto an die 2.500. heute 2024 sind es 3.300). Nach Hausverkauf und Erwerb einer wunderschönen Wohnung in der Nähe blieb noch eine für unsere Verhältnisse ordentliche Reserve – für das mögliche Pflegeheim.

Seit dem Umzug in den Nachbarort 2005 ohne unsere beiden erwachsenen Kinder sind wir im dortigen Bürgerhilfeverein aktiv. Ich habe dort einige Jahre den Vorstand für Finanzen gemacht und dann nach zwei Jahren Vorarbeit die Tafel (als selbständig arbeitende Ausgabestelle der überörtlichen Tafel Hochtaunus) gegründet und einige Jahre geleitet.

Da ich in meinem Berufsleben nie mit dem Verkauf von Finanzprodukten zu tun gehabt hatte, war ich ziemlich genervt zu sehen, wie unsere Kinder mit Lebensversicherungen abgezockt wurden, zu deren Abschluss ich auch noch geraten hatte. Ich arbeitete mich in die Materie ein und musste erfahren, dass man in Deutschland kaum ein Produkt findet, in dem so massiv getäuscht und betrogen wird wie im Finanzbereich. Ergebnis nach zwei Jahren Recherche: Basiswissen Geldanlage, 2012, Signum Verlag, der umfassende und wohl noch immer kritischste Ratgeber für Geldanleger. Ab 2017 habe ich für zwei Jahre monatlich die 2 Seiten ‚Langfristige Geldanlage‘ der im VNR Verlag (Rentrop) erschienenen Finanzzeitschrift ‚simplify Geld‘ gefüllt und jetzt (2020) die 2. aktualisierte und gestraffte Auflage von Basiswissen redigiert.

Das Alles hätte ich übrigens nie und nimmer ohne meine Frau machen können: Gudrun, Fremdsprachensekretärin und PTA, schon immer mein Backoffice und unersetzbare mentale Korrektorin. Sie bleibt meine beste Freundin und in Vielem meine bessere Hälfte.

 

Teile des folgenden Textes müssen oben rein

 

Ich staune etwas, wenn ich in meinem Tagebuch von damals sehe, was ich alles schon in diesen ersten zwei Semestern gemacht habe: Im SS 58 für Jura eingeschrieben. Erste Klausur und erste Hausarbeit ohne jede Vorbereitung verhauen, anschließend wurde es dann besser. Tennis gespielt, halbtags bei Svan Sales (US-Handelsfirma) gearbeitet, Nachhilfestunden gegeben, Mutter bei der Einrichtung ihrer neuen Praxis geholfen und sie zu allen möglichen Veranstaltungen beim AvD und Tanzclub begleitet, meine Geschwister ’erzogen/betreut‘, Vorlesungen ebenso besucht wie Partys und abendliche Umzüge mit und ohne Corps und Mädels, Fahrstunden genommen und last Not least viele Morgen und Abende im Corps bei Fechtstunden und Saufen verbracht. Letzteres ging mir schon nach einem halben Jahr ziemlich auf die Nerven, ließ sich allerdings in der ersten Zeit nicht vermeiden. Von den vielen weiblichen Bekanntschaften in dieser Zeit ist vor allem eine Barbara Witthöft in Erinnerung, Tochter eines Berliner Normannen aus Kronberg, in die ich wohl ziemlich verknallt war. Sie imponierte mir auch, weil sie mir beim Ausgehen immer die Hälfte wieder zurückgab.

Mutti hatte einen etwa Gleichaltrigen kennengelernt, der in Castop-Rauxel u.a. eine Tankstelle betrieb und sie sehr verehrte. Er besuchte Sie in den nächsten Jahren öfters und sie fuhren auch mehrfach zusammen in Urlaub. Herr Sofka verkaufte mir Anfang 1959 mein erstes eigenes Auto, eine BMW Isetta, ich glaube für etwas über 1000 DM. Damit reiste ich dann auch manchmal mehrere hundert Km zu Corpsbesuchen und Mädels.

, mein Traum von Porsche war noch nicht zu Ende. Nachdem ich mich 2002 verrentet, ein Buch geschrieben und die Friedrichsdorfer Tafel aufgebaut hatte, erinnerte ich mich und merkte, dass wir doch einige zehntausend (zu viel) auf der hohen Kante hatten, die noch immer nicht für Pflege oder sonstige Altersnotwendigkeiten aufgebraucht worden waren. Ich bohrte einige Jahre Jahre bei Musch und konnte ihr dann mit kräftiger Hilfe beider Sprösslinge die Zusage für einen Porsche (911) abringen. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass der 995 (letzter luftgekühlter) mit allen von Musch vorgeschriebenen Sicherheiten einfach zu teuer war, wurde ich im April 2015 Besitzer eines 911/996 Carrera (Jahrgang 2000, mit 300 Ps. El. Verdeck, Hardtop, silber, Xenon und Sportauspuff mit Schalter, 135‘ km gelaufen) für 19.000 plus Generalüberholung 2.000. Vorbesitzerinnen drei italien. Frauen. Ein Traum! Vorbei in 2020! Die Familie meinte, er sei jetzt jetzt zu schnell für mich: Christofer nahm ihn nach Hamburg, wo ihn ein Freund für ihn verkaufen wollte. Der fuhr wohl zu schnell und der Motor war im Eimer. Leider wollte dieser ‚Freund‘ nicht schuld sein. Zweites Maleur: Die Freundschaft brach dadurch. Jetzt fährt ihn ein Südfranzose. Wir kauften uns einen Mazda3 automatic wegen Gudruns schwachen Knie.

 

Schriftstellerei

Meine Abiturarbeit ‚Die römische Baukunst in der Provence‘, für die ich auf einer Reise 1958 mit meinem Vater fotografiert hatte, habe ich noch, da mir der zuständige Lehrer erklärte, sie leider einen Tag zu spät abgeliefert zu haben. In seinen Briefkasten haben wir dann zu meiner Genugtuung nach der Abiturfeier abgelassen.

Ob ich einige Gedichte und die oben schon erwähnten Märchen eines unglücklich Verliebten überhaupt erwähnen soll, weiß ich nicht so recht. Die Gedichte gefallen mir aber heute noch.

Von 1963 bis 1966 habe ich die Pressestelle des Kösener Gesamtverbands geleitet und dort die Hauptarbeit gemacht. Wurde das auch anerkannt (so die ‚Gedanken zur Neugestaltung der Deutschen Corpszeitung, 1964 dort einen längeren Beitrag: ‚50 Jahre Johann-Wolfgang- Goethe Universität‘), so hatte ich mit meinem Entwurf einer Informationsschrift ‚Über die Corpsstudenten‘ bei VAC (Vorstand des Verbands) kein Glück. Es war ihnen zu modern. Die Konsequenz war der Rücktritt der gesamten Pressestelle. Die einzige Liebe meiner Schülerzeit (Oberstufe) war Marianne Streng (gestorben 2021), die mit mir Abitur gemacht hat, einen Mitschüler heiratete und mir vor einigen Jahren beim Klassentreffen antwortete, dass sie von dieser heimlichen Liebe nichts mitbekommen hätte. 1970 hatte sie, inzwischen bei dem kleinen Wochenschau Verlag in Schwalbach, mich angesprochen und ich habe mehrere Artikel in dem für die Oberstufe/Sekundarstufe II herausgegebenen Monatsperiodikum ‚Wochenschau für politische Erziehung, Sozial und Gemeinschaftskunde‘ geschrieben: Der Außenhandel und seine politische Bedeutung (10/70), Entwicklung und Auswirkung des Welthandels? (11/70), Weltinnenpolitik (12/70), Was ist faul an der Entwicklungshilfe? (01/71) Eine europäische Währung – Trugbild oder Notwendigkeit? (05/71), Die UNO – eine moralische Instanz, mehr nicht? (07/71), Bleibt Abrüstung ein Wunschtraum? (08/71). Ich finde sie heute noch gut, habe ich sie auf meine Webseite gesetzt.

Während meiner Zeit im Kirchenvorstand der Gemeinde Ober Eschbach/Ober Erlenbach habe ich an der Gründung von deren Zeitung ‚Stimmen‘ und in der Redaktion mitgewirkt. Ich habe lediglich noch einen Artikel von mir ‚Revolution in der Kirche‘ gefunden. Meine Unterlagen hatte ich nämlich 2015 der damaligen Archivarin gegeben, aber trotz mehrfacher Bitten nicht zurückerhalten. Trotz Nachfrage im Pfarramt, allen möglichen Bibliotheken und bei damaligen Mitstreiterinnen sind ihre Ausgaben nirgendwo mehr vorhanden.

1965 habe ich als Reiseleiter unter meinem Leibbursch Benno Schilling (gestorben 2016) als Chef mit Neckermann zwei tolle Schiffreisen durch die Ägäis bis nach Odessa und Alexandria gemacht.

Nach unserem Umzug ins eigene Haus im Speckgürtel mit unseren und Kindern (Katrin 1974, Christofer 1977) war ich ab 1966 Mitgründer des Kirchbauvereins und dann einige Jahre im Kirchenvorstand, aus dem ich mich wegen seiner starren Einstellung und dem immer schwächeren Glauben zurückzog. Mitglied der Kirche bin ich aufgrund ihrer vielen sozialen Betätigungen bis heute. 1967 war ich in der Aktionsgruppe zur Gründung der Tennisabteilung des Turn- und Sportvereins, wo dann Jahrzehnte die ganze Familie gespielt hat, Auch etwa 1971 habe ich die Ortsgruppe von amnesty international Bad Homburg mitgegründet. In den Siebzigern habe ich zahlreiche Artikel in der von mir mitinitiierten SPD-Stadtteilzeitung ‚Der OberErlenbacher‘ geschrieben. Einer hat es jetzt auf meine Webseite geschafft. Eine Kurzfassung meines Buchs habe ich 2021als ‚Geldanlage kurz und gut‘ drucken lassen. 204 verrentet habe ich mich nach zwei Jahren im Vorstand des Kinderschutzbundes Hochtaunus 2010 als Schatzmeister in den Vorstand des Bürgerhilfevereins ‚Wir Friedrichsdorfer‘ wählen lassen, den ich nach der von mir veranlassten und durchgeplanten Gründung der Tafel Friedrichsdorf im April 2012 verließ, um die Tafel für zwei Jahre zu leiten.

 

Das Alter

Mit knapp 65 beantragte ich meine drei Renten: BfA, BVV (Beamtenversicherungsverein, seit fast 20 Jahren keinen Cent erhöht)), BFG- Betriebsrente, zusammen mit der späteren klitzekleinen BfA-Rente meiner Frau immerhin netto an die 2.500. heute 2024 sind es 3.300), sahen aber bald hohe Kosten für die Renovierung unseres doch recht großen Hauses. Da die Kinder kein Interesse zeigten, in der Region zu bleiben, und wir gerne in die Nähe des Waldes leben wollten, verkauften wir und hatten das Glück, eine der bestimmt schönsten ETWs in im Nachbarort Friedrichsdorf zu finden. Nach intensivem Umbau und Renovierung behielten wir auch noch einen kleinen Batzen als Reserve. Hier leben wir nun schon über 20 Jahre und fühlen uns sehr wohl in dieser großen Wohnung mit dem schön eingewachsenen Garten. Einen geplanten Umzug nach Berlin ließen wir aufgrund der langjährigen Auseinandersetzungen Katrins mit ihrem inzwischen Ex und ihrer Kinder fallen. Hier sind wir im dortigen Bürgerhilfeverein aktiv. Ich habe dort einige Jahre den Vorstand für Finanzen gemacht und dann nach zwei Jahren Vorarbeit die Tafel (als selbständig arbeitende Ausgabestelle der überörtlichen Tafel Hochtaunus) gegründet und einige Jahre geleitet.

Da ich in meinem Berufsleben nie mit dem Verkauf von Finanzprodukten zu tun gehabt hatte, war ich ziemlich genervt zu sehen, wie unsere Kinder mit ‚ökologischen‘ Lebensversicherungen abgezockt wurden, zu deren Abschluss ich auch noch geraten hatte. Ich arbeitete mich in die Materie ein und musste erfahren, dass man in Deutschland kaum ein Produkt findet, in dem so massiv getäuscht und betrogen wird wie im Finanzbereich. Ergebnis nach zwei Jahren Recherche: Basiswissen Geldanlage, 2012, Signum Verlag, der umfassende und wohl noch immer kritischste Ratgeber für Geldanleger. Ab 2017 habe ich für zwei Jahre monatlich die 2 Seiten ‚Langfristige Geldanlage‘ der im VNR Verlag (Rentrop) erschienenen Finanzzeitschrift ‚simplify Geld‘ gefüllt und jetzt (2020) die 2. aktualisierte und gestraffte Auflage von Basiswissen redigiert.

Das Alles hätte ich übrigens nie und nimmer ohne meine Frau machen können: Gudrun, Fremdsprachensekretärin und PTA, schon immer mein Backoffice und unersetzbare mentale Korrektorin. Sie bleibt meine beste Freundin und in Vielem meine bessere Hälfte

Am 24.02.18 haben wir mit 25 Gästen meinen 80. gefeiert. Es wurde einer der schönsten Tage meines Lebens, weil ich so viel Anerkennung und Zuneigung erfuhr, wie ich sie nie erwartet hätte. Nach meiner kleinen Einführung

‚ Liebe Freunde, liebe Gäste

Seid willkommen! Schon beim 70. habe ich gedacht, in 10 Jahren werde ich so taprig sein, dass es dann wenig Sinn macht zu feiern. Ich habe aber Glück gehabt, doch etwa ein Drittel meiner damaligen Gäste sind nicht mehr und ich denke oft und auch heute mit Wehmut an sie. Solange Menschen aber lebendig sind, feiern sie die Feste wie sie fallen. Das ist das Leben und das machen wir heute.

Wir sind ja eine Generation, der es besser geht als allen vor uns – jedenfalls der überwiegenden Mehrheit. Dank meiner Eltern und dem sozialen Umfeld habe ich davon profitiert. Ich habe zwar keine Reichtümer angehäuft und nur eine Minikarriere hingelegt aber ein gutes Leben führen dürfen. Und das verdanke ich vor allem drei Umständen:

Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich etwas von den Vorteilen, die ich genieße, an die Gesellschaft, der ich so viel verdanke, zurückgeben sollte. Die Zufriedenheit, die ich damit so vielfältig erlebt habe, hat mein Leben geprägt.

Daneben habe ich Vieles durch die Kommunikation mit meinem Umfeld gelernt. Und dazu gehört auch ihr, die einen ziemlich sperrigen Typen über lange oder kurze Frist ertragen habt und ihm dadurch geholfen habt, andere Leben und Einsichten zu verstehen. Danke daher an Euch.

Und, last but not least meine Familie, und hier ein besonders inniger Dank an meiner Frau, die mir – Egoist wie eigentlich alle Männer meiner Generation – seit fast 50 Jahren den Rücken freihält, mich umsorgt und im richtigen Moment einen auf die Mütze gibt. Deswegen erhebt doch bitte Euer Glas und lasst uns auf meine im eigentlichen Sinn des Wortes bessere Hälfte anstoßen‘

Dann gab es ein Gedicht von Gudrun, das schon wegen seiner Schlussaussage sehr bewundert wurde:

‚Zum 70. bekamst Du ein langes Gedicht, erzählte Dir unsere Lebensgeschicht‘.

Die damals geschilderten Fakten schlummern sicher noch in den Akten.

Zum 80. rede ich nicht lange, überlass das den Anderen, keine Bange.

Eines sollst Du dennoch wissen, ich möchte unsere Zeit nicht missen.

Von Herzen gratuliere ich Dir vor Allen in dieser Runde hier.

Benutze weiter Deinen Verstand, sei immer schön kritisch, das ist keine Schand.

Zum Schluss möchte ich Dir sagen: Ich würde es wieder mit Dir wagen.

Happy Birthday mein lieber Mann, ich stosse mit Dir und den Anderen an.‘

 

Katrin hat dann eine Fotoschau und Arne A. eine aus der ferneren Vergangenheit gezeigt. Lothar mit freundlicher Rede ohne Bezug, Bettina mit kurzem aber sehr eindrucksvollem Statement und auf mich bezogen.

Christofer hat den Vordruck verteilt: ‚Bitte beschreibt Hans-Jürgen in Adjektiven Eurer Wahl, aber gerne mit Skalierung, natürlich alles anonym: Adjektiv – leicht-mäßig-stark-extrem‘

Anschließend hat er aus den folgenden Stichworten Kommentare geformt: Toll gemacht: ‚Keine große Reden schwingen…..lieber Ankdoten (dazu hat er jeweils einen Kommentar gegeben):

A wie: Akazienstr. : Damit sind einfach meine größten Kindheitserinnerungen verbunden: Ob es die Zeiten war wo ich mich abends auf die Rückkehr von Papa von der Arbeit gefreut habe…die wurde nur von unserer Mischlingshündin Hexe übertroffen, die sich vor Freude fast in die Hose machte wenn Papa heim kam. B  wie Berge – wir beide wandern. Noch keine EU zeiten: An der Slowenisch-Austria Grenze , Grenzsoldaten, Papa: „Drogen“…..Folge: Abmarsch Richtung Tal—Slowenien wohlgemerkt…ich heulen…wieder rauf…alles gut

C – wie Computer….ach ja ….wo fange ich da an? Papa sitzt gerne am Computer….den ganzen Tag eigentlich als ob er einen Vollzeitjob hätte….problem ist nur….er kann eigentlich nicht mit einem PC umgehen…dabei ist es so einfach….für das was er braucht. Leider konnte er sich nie nur ein Stück begeistern für die Technik und so kam ich mir die letzen 20 Jahre vor wie im Film: „und täglich grüßt das Murmeltier“

D  – Dreissig Du Arschloch, wenn jemand mit 60 im 30iger Bereich vorbeifährt

E – Ebbelwoi…..wie das Amen in der Kirche….in der Regel ist dann der Ebbelwoi zu kalt oder zu bizzelig….da lässt Papa gerne den Kenner heraus…aber papa ist nunmal echter Frankfurter Bub…und da gehört ein Geripptes und Bembel nunmal dazu
F- Friedrichsdorfer Tafel

G – Basiswissen Geldanlage – tolle Sache….auch wenn es nicht auf die Bestseller listen geschafft hat. Überhaupt verlegt zu werden ist ein riesen Erfolg. Eine Sache aber habe ich mich immer gefragt…warum Papa ein Buch schreibt über Dinge, die ihn eigentlich nicht wirklich interessieren. Und noch besser: seine Anlagenstrategien waren oft das Gegenteil.

H-wie Hochhaus….BFG Bank Frankfurt
IJ jung und knackig…..das hat sich bei Papa nie geändert…sieht immer jünger aus und ist immer fit gewesen….richtig krank kenne ich meinen Papa zum Glück nicht

K wie Kaipinga Marangi – ohje ich kann diese Insel eigentlich nicht mehr hören….

L-wie leserbrief….also Respekt….am Anfang dachte: mach dir doch nicht so viel Arbeit….am Ende wird dein Brief doch nicht veröffentlich …aber seit ein paar Jahren ist papa stammgast
M- wie Mama,  ja was erzähle ich dazu? Ich bin froh, dass ihr immer gesund seid, dass ihr euch gefunden habt….und dass ihr meine Eltern seid. Und bis heute immer für mich da seid. Wenn ich euch beide so nach 40 jahren aber mal analysiere frage ich mich schon wie ihr das geschafft habt. Ihr seid so unterschiedlich…..

N- wie 911er….40 Jahre musste Papa aushalten….jetzt hat er ihn wieder . Und auch Mama, die schon mit Scheidung gedrohte, hat sich arrangiert….nachdem sie gemerkt hat, dass der Wagen quasi eine Geldanlage ist.                                                                                                                                            O wie Oman….da geht es Ende März für ein paar Tage hin….                                                              P- Politik…….darüber diskutiert man mit Papa besser nicht…. ach ja wie war das….seit kurzem wieder Mitglied?  Aus rein politscher Überzeugung wie ich annehme ?                                                       Q – Querulant…quer denker ?
R – Ruhe, papa ist die Ruhe in sich….gott sei dank, weil sonst wäre in dieser Familie eine Bombe hochgegangen                                                                                                                                           S-  Selbstständigkeit:  Hut ab, dass Papa sich damals getraut hat….ich habe ihn schuften gesehen, und oft frustiert…..heute kann ich das viel besser bewerten….und habe großen Respekt davor…und finde es schade, dass ich damals noch zu jung /unreif wie immer das man auch nennen mag…..denn heute hätte ich seine alterra consult sehr gerne weiter geführt.                                                                          T -Tennis, war und ist seine Leidenschaft…..natürlich hat er mich versucht zu begeistern..aber so richtig warm wurde ich nie mit diesem Sport….vielleicht lags aber auch an dem suboptimalen Coaching skills meines Vaters: so erinnere ich mich , dass ich bei einem Medenspiel einen Doppelfehler produzierte und Papa hinterm Zaun nur solch eine Geste..                                                                              U-Umwelt : da war papa immer vorreiter, erster in der Nachbarschaft mit Scherheitsgurten im Auto mit G kat. Erster, der Müll getrennt hat…erster der eine Solaranlage auf dem Dach hatte. Erster der umweltfreundliche Kapitalanlagen verkauft hat…ich könnte immer so weiter machen. Papa war in diesem bereich seiner zeit vorraus und wurde teilweise müde belächelt
W- Washington State: Im August habe ich Papa die Tage mit nach Seattle genommen …..und meine Kollegen haben ihn geliebt…noch heute höre : dein papa, der ist so lieb und socool….‘

Das war der 80. Und was ich davon hatte, sagt die Email, die ich an alle Gäste verschickt habe: ‚Liebe Freunde und Gäste,

Erwin sei Dank, dass er uns die Erinnerung an diesen Abend durch die schöne Bilderstrecke erlaubt, die Ihr mit dem ersten Link unten aufmachen könnt. Einige von Euch haben den Link schon von Erwin direkt erhalten, so dass ich um Verständnis bitte, dass sie es nun doppelt haben.
Ich möchte diese Gelegenheit nämlich nutzen, Euch Allen nochmals danke zu sagen, weil Ihr mir durch diesen Abend einen der schönsten Tage meines Lebens geschenkt habt.

Ich grüße Euch ganz herzlich‘

Anbei die Freigabelinks:

80.https://c.gmx.net/@334645946434453844/y5QLgHOSTXWhtBv06WZUkA
70. https://c.gmx.net/@334645946434453844/0Ypk5hqfRjSyKGtSYiNttA

 

Die etwas lang geratenen Ausführungen über den 80. nehme ich zum Anlass, Einiges aus der eher emotionalen Erinnerungskiste zu kramen.

Tennisspielen habe ich über meine Eltern gelernt. Da mein Vater eine Zeitlang für die Deutsche Bahn arbeitete, spielten sie auf deren Anlage im Frankfurter Stadtwald. Dort sammelte ich für sie die Bälle und durfte mit etwa 14 selbst anfangen, wie dann auch meine Geschwister. Später wechselten wir zum SC Forsthausstraße, ganz in der Nähe unserer Wohnung. Ich habe dann bis zu meinem 65. ziemlich leidenschaftlich aber ohne viel Training und daher auch nur mit mäßigem Erfolg (Doppelmeister Uni Würzburg, Aufstieg 1977 Herren Bezirksliga TSV Ober Erlenbach).

Mit 81 haben die intensiven Bemühungen unserer guten Hausärztin mich von meinem seit Jahren starken Husten befreit (es war ein Heliobakter) und wir waren mit Katrin (Enkel waren erstmals beim Papa) am Walchsee, wo wir mit Christofer und seiner Gerade-Freundin Jasmin drei schöne wenn auch kaum sonnige Tage mit guten Betten, vorzüglichem Essen und einer hübschen Weihnachtsfeier, abgesehen von der inzwischen schon neurotische Fremdbeziehung unserer beiden Kinder. Dann stand ein neues unteres Bad an, nachdem wir fast drei Monate weben eines Wasserschadens das gesamte UG ausräumen, zweimal zwei Wochen riesige Entfeuchtungsmaschinen, viel Staub, Dreck und Handwerker ertragen mussten. Jetzt haben wir jedenfalls ein völlig neues UG, Tapeten und neues Bad eingeschlossen. Wenigstens bezahlt, bis auf das von Gudrun gewünschten neue Bad, die Wohngebäudeversicherung den Schaden (allein die höheren Stromkosten liegen bei 400 Euro). Gudrun ist der wahre Engel, besorgt, putzt, räumt fast Alles allein und sorgt dafür, dass ich mal ins Freie gehe.

Christofer hat mir im letzten Jahr noch einige wunderschöne Erlebnisse geschenkt, indem er mich jeweils auf einige Tage nach Seattle, Windhoek, Varna und Salala (dort sogar eine Woche und mit Gudrun) mitnahm. Er hat mir nicht nur die Flüge komfortabel gemacht, sondern auch vor Ort für Alles und vom Feinsten gesorgt. Ein persönlicher Butler hätte es nicht besser machen können, von der guten Organisation ganz abgesehen.

Mit jetzt 83 habe ich in den letzten beiden Jahren die Restauflage (350) meines Buchs (Auflage 2000) nach Auflösung des Vertrags mit dem miesen Althea Verlag mit Christofers Hilfe in den Keller geschafft und anschließend mit Hilfe der Enkel vom Plastikeinband befreit und ab in den Papiercontainer. Die zweite Auflage ist fertig, ich wollte mir aber die Mühe einer Verlagssuche ersparen, und habe es als EBook rausgebracht. Danach habe ich es auf 70 Seiten Kleinformat komprimiert und als BoD mit dem Titel ‚Geldanlage kurz und gut‘ hundertmal drucken lassen.

Mein nächstes Projekt war dann eine eigene Webseite mit dem von Christofer vorgeschlagenen Titel ‚geldmachtgier.de‘, eine Art Vermächtnis, das ein wenig die Biografie ergänzt und ersetzt. Sie wurde 2021 fertig und ich habe sie mal an ca. 100 Anschriften versandt, von denen ich meine, dass an Teilen davon bei dem einen oder anderen Interesse gibt, bin also eine Art Bloggergeworden. Anfang 2024 habe ich das aber Abo aufgegeben, weil es zu viel Arbeit macht und ich das Schreiben einschränken wollte.

Mein zwar langsamer aber merkbarer körperlicher Verfall haben mir einen Hauch vom Ende meines Lebens spüren lassen. Ich werde meine zu vielen Leserbriefe und meine politischen Aktivitäten einschränken. Der schon kleine Kreis von Attac Hochtaunus hat in Corona aufgelöst. Immerhin sind zwei Freunde geblieben, bei Aufstehen das Gleiche, nur Alles weg. Daher sehe ich abends vermehrt fern; vor allem arte, 3sat, Phönix u. a. sparen nicht mit berechtigter Kritik an sozialen und wirtschaftlichen Missständen. Und die fast immer sehenswerten Naturfilme zeigen, wie schön unsere Erde ist. Die Kritik an den öffentlichen Medien finde ich daher beschämend, denn ich möchte nicht wissen, was davon bliebe, wäre das Fernsehen ganz in privater Hand.

Sollte man Vorbilder haben? Für mich ja, und sie symbolisieren auch meine Mentalität und Interessen: Albert Schweitzer, Beuys, Ströbele, Jean Ziegler, von Arnim, Pepe, Marc Aurel.

So ganz kann ich es nicht lassen: Neben Leserbriefen und den ein oder anderen Beitrag auf meiner Webseite, die kaum einer liest, betätige ich mich seit 84 wieder in meiner BUND-Ortsgruppe. In der von der Stadt Anfang 22 veranstalteten Bürgerverssammlung, wo ein voluminöses Klimaprogramm vorgestellt und diskutiert wurde, habe ich eine Bürger-Energiegenossenschaft vorgeschlagen. Die Anregung wurde im Mai 23 zusammen mit unserer BUND- Ortsgruppe verwirklicht. Und 2025 habe ich das Fest der Gruppe zum 50- Jährigen des BUND organisiert (ca. 50 Besucher), dem ich 10 Jahre später (1985) beigetreten bin. Ich habe eine afrikanische Band organisiert, die (klarer Höhepunkt) sogar meine 7 Instrumente mit u. a. zwei Trommeln, bespielt hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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