Tagebuch laufend
10.2025 In Waffen zu investieren ist nicht nachhaltig
Europa muss Verteidigung draußen halten, wenn es um nachhaltige Finanzen geht. In der EU gibt es aber Bestrebungen zur Aufweichung der EU-Finanzregeln, um Verteidigung neben grünen oder sozialen Investitionen vermarkten zu können. Doch durch ein eigenes Verteidigungslabel oder sogar durch die Öffnung der EU-Liste für gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten Waffen zu nachhaltigen Finanzierungen zu machen, ist unglaubhaft. Das entsprechende ESG-Label signalisiert nämlich, dass ein Fonds bestimmte ökologische, soziale und Governance-Standards erfüllt. Ob man höhere Militärausgaben unterstützt oder nicht – sie als nachhaltig einzustufen, würde die Glaubwürdigkeit des gesamten EU-Regelwerks für nachhaltige Finanzen untergraben, grüne Investitionen verdrängen, damit die Klimaziele gefährden und nicht zuletzt die ethischen Bedenken den Anlegern auferlegen
10.2025 Wieder ein Kippunkt überschritten
Eine 29köpfige internationale Arbeitsgruppe von Klimawissenschaftlern hatte 2009 das Prinzip der planetarischen Belastungsgrenzen für jede der neun Gebiete erarbeitet
Das in Klimafragen zu den führenden Forschungsinstitutionen zählende Potsdam Institut für Klimaforschung (PIK) hat vor wenigen Tagen seinen zweiten Bericht zum Zustand des Erdsystems veröffentlich. Es hatte 2023 zum letzten Mal umfassen den ‚Gesundheitszustand des Planeten‘ untersucht und festgestellt, dass bereits 6 der 9 Grenzen überschritten waren. Der aktuelle ‚Planetary Health Check‘ sieht mit der seit Beginn der Industrialisierung um 30-40 % gestiegenen Übersäuerung der Meere eine weitere Grenze gerissen. ‚Mehr als Drei Viertel der lebenswichtigen Erdsystem-Funktionen befinden sich nicht mehr im sicheren Bereich‘ Der Grund für die Übersäuerung sind die gestiegenen CO2-Werte in der Atmosphäre, vor allem durch das Verfeuern fossiler Rohstoffe. Das C02 löst sich im Meerwasser auf, führt zu seiner Übersäuerung, was sich dort direkt und indirekt auf die Fauna und Flora der Fortpflanzungs- und Nahrungskette auswirkt. Der Druck wachse auf ein System, das für stabile Lebensbedingungen auf der Erde unabdingbar ist.
Der Bericht kommt zum Ergebnis, dass sich der Zustand unseres Planeten massiv verschlechtert und ohne eine politische Kertwende schon 2050 mehrere Prozesse die Schwelle zum Hochrisikobereich überschreiten. Es liege an uns, es zu verhindern
09.2025 Die notwendige Systemänderung
Unsere Volksparteien übersehen ganz offensichtlich die Gründe für das fehlende Vertrauen großer Teile der Bürger in das Regierungshandeln. So ist eine Mehrheit der Bürger, einschließlich der in ausreichenden finanziellen Verhältnissen, gefrustet über die immer größere Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung. Dennn heute haben die zehn Prozent der Menschen mit den geringsten Einkommen nicht mehr Kaufkraft als vor 30 Jahren. Und wie eine jüngste Studie des DIW Berlin zeigt, ist der Anteil, den diese Haushalte für das Wohnen ausgeben, in den letzten 30 Jahren von 24 auf 36 Prozent des verfügbaren Einkommens gestiegen. Viele Menschen zahlen heute 40 Prozent oder mehr ihres monatlich verfügbaren Einkommens fürs Wohnen. Dagegen haben die 10 Prozent der einkommensstärksten Haushalte heute knapp 60 Prozent mehr davon im Vergleich zu 1995. Die Ungleichheit des Lebensstandards in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren deutlich gestiegen. Initiativen, hier gegenzusteuern, fehlen. Stattdessen wird das untere Viertel finanziell unter Duck gesetzt und der Lobby der Wohlhabenden gefolgt – Anlass für immer mehr Bürger, Protest zu wählen. Die AfD lässt grüßen. So besteht erstmals in unserer Demokratie die Gefahr, mit einem ‘weiter so’ in den Sumpf der Folgen einer jahrzehntelangen Feudaldemokratie ähnlich der USA zu geraten. Der Zwang zum Gegensteuern ist unübersehbar. Schließlich sind wir in einem der wohlhabensten Länder, u. a. mit den im Verhältnis zur Bevölkerung weltweit meisten Milliardären, und doch auch mit 27% Armen und Ärmsten (2024). Unsere Politiker haben nämlich in den letzten Jahrzehnten ein stark zugunsten des Kapitals und zu Lasten von Arbeitsleistung ausgebautes Steuersystem geschaffen, sodass Einkommen und Vermögen gerechter behandelt werden müssen. Und das wird in erste Linie durch Steuerreformen erreicht, die seit langem bekannt und ohne Probleme umzusetzen sind. Und das, ohne die Wirtschaftskraft zu schmälern und ohne die wirklich wohlhabenden Bürger mehr als geringfügig zu belasten. Und das sind die Werkzeuge:
Einkommensteuer: Den Spitzensteuersatz wieder auf die früheren 49 % setzen
Erbschaft- und Schenkungsteuer: keine Ausnahmen, wie bei der Weitergabe großer Betriebsvermögen.
Finanztransaktionssteuer: Vor allem für Derivate und Hochfrequenzhandel.
Kapitalerträge: Normale Besteuerung statt pauschale anonyme Abgeltungssteuer.
Gewerbesteuer: Steuerbefreiung von Mieteinnahmen streichen
Globale Konzerne gerecht besteuern anstelle einer globalen Mindeststeuer
Immobilien: Wertzuwächse konsequent besteuern
Kapitalerträge: Normale Besteuerung statt pauschale anonyme Abgeltungssteuer.
Kapitalertragsteuer: Steuerbefreiung substanzloser Holdings streichen
Das konditionsfreie Bürgergeld, das die finanzielle Existenz sichert und Freiheit gibt
Vermögensbesteuerung: für Großvermögen wieder einführen
Eine kontinuierliche Umsetzung dieser Maßnahmen würde die wachsende finanzielle Kluft im Lande tatsächlich nur leicht verringern, aber das Vertrauen der Bürger in die Politik stärken. Die Politik aber zusätzlichen Handlungsspielraum zur Verbesserung des Bildungs- und Pflegesystems, zur Finanzierung der Auswirkungen des Ukrainekriegs und des für die Klimawende unumgänglichen Transformationsprozesses.
Es gibt natürlich noch eine ganze Anzahl weiterer Möglichkeiten, unser Steuersystem gerechter zu machen, von der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs und der Bemessungsgrenze bis zum subventionierten Dieselpreis für die Landwirtschaft, nicht zu reden von einer Luxussteuer u. ä. für Yachten in anderen Ländern. Doch von einer Regierung mit einem im Finanzwesen Millionär mit eigenem Flugzeug gewordenen Kanzler dürfen wir Verständnis für gerechte Streuern nicht erwarten.
09.2025 Die eigene Verantwortung sehen
Kürzlich hat die angesehene israelische Tageszeitung Haaretz ihre Bürger angemahnt, auch eine eigene Mitverantwortung zu erkennen für das schreckliche Blutbad vom Oktober 2023. Hätten doch zu lange und über Jahrzehnte die Bürger Israels Regierungen gewähren lassen, die das palästinensische Volk in eine immer tiefere und unerträglichere Unterdrückung führten. Diese Einschätzung der Zeitung muss auch für uns gelten, denn die Bekämpfung des Antisemitismus als Staatsräson führt bis heute dazu, jedwede Kritik an israelischem Regierungshandeln eo ipso als Antisemitismus zu kennzeichnen. Das vollständige Negieren der von jeder Empathie freien Palästinapolitik der israelischen Regierung wurde leider gleichzeitig vor allem bei uns zu einer Art Mainstream, wo jede Kritik an Israel als Antisemitismus diffamiert wird. Das stellte noch vor dem 9.Oktober 2023 die renommierte jüdische Professorin Susanne Neimann fest, seit zwanzig Jahren Direktorin des Einstein Forums in Potsdam. In einem Interview hielt sie die Regierung Israels vielleicht noch mit dem Regime in Ungarn vergleichbar, ihren radikalen Flügel aber nur noch mit dem KuKlux Clan. Ob Menschen, die zum Boykott von Waren aufrufen, die von israelischen Siedlern auf Palästinenserland angebaut werden. Ob renommierte Menschenrechtsorganisationen wie Greenpeace und Human Rights Watch (HRW) zur Beendigung der Apartheit aufrufen. All diese Kritik ist an eine Regierung und nicht gegen ein Volk, erst recht nicht gegen einen Glauben gerichtet, wurde und wird doch bei uns noch immer als antisemitisches Verhalten bewertet, zumindest von den meisten Politikern und vielen Medien. Ein Uwe Becker, Vorsitzender der CDU Frankfurt, der es in Hessen zum Landesbeauftragten gegen Antisemitismus gebracht hat, ist dafür ein gutes Beispiel, weil er seit mehr als zehn Jahren sozusagen am Fließband die meist schwachsinnigen Anlässe dafür sucht. Und noch etwas fällt auf. Die Mehrzahl der Juden bei uns sind deutsche Staatsbürger. Doch ihre Repräsentanten halten sich auffallend zurück mit objektiven Stellungnahmen zur Politik der israelischen Regierung. So bleibt es wohl noch immer bei dem schon einige Jahre alten Beispiel eines Daniel Neumann, Direktor des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen: ‘Als Privatperson und Jude habe ich natürlich eine Meinung. Die lautet: Unbedingte Solidarität und Verteidigungsbereitschaft für Israel, ganz egal, wer da gerade führender Politiker ist. Wir Juden in Deutschland betrachten Israel nach wie vor als unseren Zufluchtsort.‘ Für ein Abrücken von dieser Haltung gilt vor allem bei unseren politischen Protagonisten: Fehlanzeige bis heute, ob es sich um den genannten Herrn Becker, die Frankfurter Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg oder den Vorstand des Zentralrats der Juden in Deutschland handelt.
Die Menschen jüdischen Glaubens sind seit Jahrhunderten ein nicht wegzudenkender Bestandteil der westlichen Kulturentwicklung. Ich behaupte sogar, dass sie vielleicht mehr als jede andere Bevölkerungsgruppe im Verhältnis zu ihrer Anzahl bisher und noch immer hervorragende Denker, Dichter und Wissenschaftler besitzen. Dieses Volk hat es verdient, das Land zu behalten, das sie besetzt haben, wie es ja schon hunderte anderer Völker vor ihnen taten, doch sie müssen die Rechte der dortigen indigen Bevölkerung ebenso wie die eigenen Interessen wahren. Sehen wir daher in die Zukunft. „Ein Abzug der Israelis aus den besetzten Gebieten und die Gründung eines palästinensischen Staates. Dies würde eine faire Teilung des Landes zwischen indigenen Palästinensern und dem so lange verfolgten jüdischen Volk und eine nachhaltige Lösung des Konflikts mit dem Ende der Apartheit bedeuten.“ (Benyaire)
08.2025 Was wir von Bundeskanzler Friedrich Merz wissen müssen
Geboren 1955 wurde er nach dem Studium der Rechtswissenschaft 1985/86 Richter am Amtsgericht und war 1986-1989 als Syndikus beim Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Bonn und in Frankfurt am Main angestellt. Von 1989 bis 1994 war er Mitglied des Europäischen Parlaments, von 1994 bis 2009 war er und ist erneut seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2000 bis 2002 sowie von 2022 bis 2025 war er Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zwischenzeitlich war er als Wirtschaftslobbyist und Rechtsanwalt tätig. Seit 2022 ist er Bundesvorsitzender der CDU und seit 2025 deutscher Bundeskanzler.
Moralist
Schon als Bundestagsabgeordneter wollte Merz sich zu seinen Nebeneinkünften nicht äußern und klagte sogar dazu bis zum Bundesverfassungsgericht. Die Klage wies das höchste Gericht damals ab und machten seine Interessenskonflikte mehr als deutlich. Im Urteil: Seine Tätigkeit zeige, Zitat: „..in exemplarischer Weise“ besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung..“ Beim deutschen US-Kanzlei Mayer Brown war Merz von 2005 bis 2021 als Anwalt tätig und betreute dort vor allem Konzerne, wo er dann auch in zahlreichen Aufsichts- und Verwaltungsratspositionen saß: AXA Konzern AG, DBV-Winterthur Holding AG, Deutsche Börse AG, IVG Immobilien AG, WEPA Industrieholding, Stadler Rail AG, Trinkaus & Burkhardt AG (HSBC), BASF Antwerpen. Bis 2020 war er zudem Vorstand von „United Europe“, einem Lobbyverband, der ein „wettbewerbsfähiges Europa“ anstrebt. Im Vorstand und unter den Mitgliedern finden sich vorwiegend Industrievertreter, etwa der Öl-Multi Saudi-Aramco, Meta, Siemens, Eon und BASF. Schon diese zahlreichen Aufsichtsrats- und Beiratsposten machte ihn zum Millionär.
Raffke
Im Mai 2010 erhielt er vom noch amtierenden Finanzminister Linssen der CDU-Landesregierung, die gerade die Wahlen verloren hatte, als „Verkaufsbevollmächtigte“ den Auftrag zum Verkauf der maroden Westdeutsche Landesbank, obwohl er selbst die Erfolgsaussichten „deutlich unter 50 Prozent“ einschätzte – für ein Tageshonorar von 5.000 Euro, den der Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) anschließend schon wegen der festen langen Laufzeit mit einer garantierten Einnahme und das über sieben Tage die Woche für deutlich überzogen hielt, Als Ergebnis seiner im übrigens erfolglosen Arbeit – die WestLB wurde ja nicht verkauft – erhielt Merz knapp zwei Millionen Euro. Buchautor Werner Rügemer dazu: „Friedrich Merz steht persönlich für die organisierte Selbstbereicherung (…)“. Kritisiert wurde er auch als Aufsichtsrat der schon genannten HSBC von 2010-2019, weil er gleichzeitig den Bankenrettungsfonds Soffin beriet, was einen weiteren Interessenkonflikt bedeutete. Außerdem war die HSBC in die Cum-Ex-Geschäfte verwickelt, durch die dem Staat Milliardeneinnahmen durch Steuertricks verloren gingen. Merz wird daher richtig vorgeworfen, als Aufsichtsrat von den Geschäften gewusst haben zu müssen ohne sie zu verhindern.
Lobbyist
Auch diese Kennzeichnung wird ihm zurecht zugeschrieben. So war er ab 2016 Vorsitzender des Aufsichtsrats der deutschen Niederlassung des Finanzkonzern Blackrock, dem weltweit größten Finanzkonzern, der allein in Deutschland an praktischen allen im Dax gelisteten Konzernen Beteiligungen hält. Zu seinen Aufgaben zählte laut dem Unternehmen auch, Kontakte zu Behörden und Regierungen zu pflegen. Seine Behauptung, für Blackrock keine Kontakte in die Politik gepflegt zuhaben, ist daher unglaubwürdig, zumal solche Kontakte exakt seiner Aufgabenbeschreibung entsprachen. Diesen Job gab er Anfang 2020 auf, nachdem er sich das zweite Mal für den Parteivorstand beworben hatte. Unabhängig davon war er gleich in mehreren Lobbynetzwerken aktiv: So als Gründungsmitglied des Fördervereins der arbeitgeberfinanzierten PR- und Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), und von 2009 bis 2019 als Vorsitzender der Atlantik-Brücke, einem exklusiven transatlantischen Lobbynetzwerk, in dem vor allem Konzernchefs, aber auch Spitzenpolitiker*innen und Journalist*innen Mitglied sind. Interessant ist auch, dass Merz zusätzlich jahrelang Positionen im ‚Wirtschaftsrat der CDU‘ innehatte. Der ist nämlich kein Parteigremium, sondern ein mächtiger Lobbyverband, der Konzernen privilegierte Zugänge zur CDU ermöglicht. Weil dieser Lobbyverband dauerhaft im Parteivorstand sitzt, muss Merz nun als Parteichef wohl dessen Sonderrolle im Parteivorstand rechtfertigen, da der Wirtschaftsrat einen Dauergaststatus im Parteivorstand hat – mit Rederecht. Solche Privilegien für die Wirtschaftslobby sind undemokratisch, weil andere gesellschaftliche Gruppen nicht die gleichen Zugänge haben – und es ist auch rechtswidrig. Teile des Wirtschaftsrats dienen nämlich auch als Türöffner für Kreise, die sogar die Rolle der fossilen Industrie an der Klimakrise herunterspielen oder sogar ganz infrage stellen.
Beurteilung
Merz ist kein korruptionsanfälliger Politiker und ohne Hang zu kriminellem Verhalten wie beispielsweise ein Donald Trump oder ein Jens Spahn. Aus den obigen Erläuterungen wird aber ganz deutlich, dass sein aus der Vergangenheit erklärbares Denken massiv von den Interessen des Kapitals bestimmt wird und kaum von den Anforderungen an Gemeinwohlinteressen. Zahlreiche frühere Stellungnahmen, sein Parteiprogramm und sein bisheriges Handeln als Bundeskanzler sprechen eine deutliche Sprache. So müssen wir ihn als Wirtschafts- und nicht als Bürgerkanzler erkennen – ein Grund für mich, ihn als möglichen Wegbereiter einer deutschen Feudaldemokratie zu sehen mit den Folgen, die uns gerade in den USA gezeigt werden. Und schließlich sollten wir von einem im Finanzwesen Millionär mit eigenem Flugzeug gewordenen Kanzler kein Verständnis erwarten für gerechte Streuern im Interesse der vielen Menschen unter uns mit nur wenig mehr als dem Dach über dem Kopf.