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Tagebuch laufend

12.2025               Wohin unser Weg geht
Aufgrund einer einzigartigen Entwicklung in der Natur hat sie aus Milliarden von Lebewesen eines sich zum Menschen entwickeln lassen, das dank Verstand und daraus folgendem Bewusstsein unglaublich viel mehr als Nahrungssuche und Fortpflanzung zu beherrschen gelernt hat. Im Verlauf seiner vieltausenden Entwicklung hast er die übrige Natur für seine Zwecke und Bedürfnisse genutzt und ausgenutzt. Erst seit einer verhältnismäßig äußerst kurzen Zeit hat der dann erkannt, dass er inzwischen dieser Natur mehr nimmt als sie zu auch für sein eigenes Fortbestehen an Regeneration benötigt. Er weiß inzwischen, dass diese Erkenntnis Folgen hat und damit Konsequenzen für einen beträchtlichen Teil der acht Milliarden Menschen, auf die wir inzwischen angewachsen sind. Und diesem Teil von uns, der durch die starke Nutzung der Natur zu einem wirtschaftlich guten Leben gelangt ist, Einschränkungen aufzuerlegen, ist jetzt ein kaum zu überwindendes Hindernis. Es wird verstärkt durch eine inzwischen weltweit vorherrschende als Kapitalismus oder Neoliberalismus bezeichnete Wirtschaftsform. Sie hat dazu geführt, dass die von Menschen zu diesem Leben entwickelte Industrie mit als Kapital bezeichnetem Geld mehr verdient als Arbeit, die nur nach Bedarf und so gering wie möglich bezahlt wird. Mit dem Argument, mehr Wohlstand zu schaffen, werden daher Inhabern von Kapital mehr Rechte eingeräumt mit der Folge, dass Arbeit immer stärker eingeengt wird. Die Macht des Kapitals ist heute so stark, dass sie längst die Politik dominier, was durch entsprechende Entscheidungen der gewählten Volksvertreter schon in vielen unserer als Demokratien bezeichneten Volkswirtschaften deutlich sichtbar.
Diese Problematik ist immerhin der Wissenschaft bekannt. Erich Fromm (vergl. unter Thema ‚Und Mehr/Philosophie), der wohl fundierteste Sozialphilosoph unserer Zeit, lässt in seinem Buch ‚Wege aus einer kranken Gesellschaft‘ eine ganze Anzahl von Soziologen zu Wort kommen, die sich schon vor hundert Jahren mit den uns heute mehr denn je auf den Nägeln brennenden Problemen beschäftigt haben. So sieht E. H. Tawney in seinem Werk ‚The Aquisitive Society‘ (1920, S. 183 f.) als einzigen Ausweg aus der Krise der modernen Gesellschaft eine Änderung unserer moralischen Werte: „Wir müssen der wirtschaftlichen Tätigkeit selbst den ihr zukommenden Platz als Diener und nicht als Herr der Gesellschaft zuweisen. Unsere Zivilisation wird nicht….dadurch belastet, dass das Industrieprodukt schlecht verteilt ist, oder dass Unternehmen tyrannisch gleitet werden oder dass die Arbeit im Werk durch ….Arbeitskämpfe unterbrochen wird. Es kommt daher, dass die Industrie inzwischen selbst eine absolut vorherrschende Position unter allen menschlichen Interessengebieten besitzt, eine Position, die keine Einzelinteressen und am allerwenigsten die Beschaffung menschlicher Existenzmittel einzunehmen vermag…… Die Gesellschaft muss ihre Wertskala neu ordnen und die wirtschaftlichen Interessen als ein Element im Leben und nicht als das Leben selbst betrachten. Sie muss ihre Mitlieder dazu bringen, darauf zu verzichten, jede Gelegenheit wahrzunehmen, Gewinne zu erzielen, die ihnen ohne entsprechende Arbeitsleistung zufallen, So sieht Tawney als einzigen Ausweg aus der Krise der modernen Gesellschaft eine Änderung unserer moralischen Werte: „Wir müssen der wirtschaftlichen Tätigkeit selbst den ihr zukommenden Platz als Diener und nicht als Herr der Gesellschaft zuweisen.  …….. Es kommt daher, dass die Industrie inzwischen selbst eine absolut vorherrschende Position unter allen menschlichen Interessengebieten besitzt, eine Position, die keine Einzelinteressen und am allerwenigsten die Beschaffung menschlicher Existenzmittel einzunehmen vermag. Für Fromm ist die daraus entstehende seelische Gesundheit die wichtigste Voraussetzung für das menschliche Leben. Sie hängt von der Struktur seiner Gesellschaft ab. Dazu stellt er fest, dass „wohl das Wohlstandsleben der Mittelklasse zwar unsere materiellen Bedürfnisse befriedigt, ihr aber das Gefühl einer intensiven Langweiligkeit gibt und u.a. Alkoholismus (heute würde er die Drogen und den ständigen Handygebrauch hinzufügen) pathologische Auswege sind ….und  dass sie zeigen, dass die moderne Zivilisation es nicht fertigbringt, die tiefen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen?“ (1, S.12). Fromm folgert: “Heute begegnen wir einem Menschen, der wie ein Automat handelt und fühlt, der niemals erlebt, was wirklich zu ihm gehört, der sich ganz als die Person erlebt, die er seiner Ansicht nach sein sollte, dessen künstliches Lächeln an die Stelle eines echten Lachens getreten ist, dessen sinnloses Geschwätz die der Mitteilung dienende Sprache ersetzt….Sie zeigen, dass die moderne Zivilisation es nicht fertigbringt, die tiefen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen.  Sein Begriff der seelischen Gesundheit ergibt sich aus den Bedingungen der menschlichen Existenz selbst und gilt für alle Menschen, unabhängig von allen Zeiten und Kulturen.“ (1, S.12). Fromm begründet auch, warum gerade der (lohnabhängige) Mensch seine tiefen Bedürfnisse nicht befriedigt erhält. Die heute populäre Auffassung behauptet, dass die seelische Gesundheit sich objektiv bestimmen lässt, die gegenwärtige westliche Gesellschaft und insbesondere der American way of life den tiefsten Bedürfnissen der menschlichen Natur entspricht. Die Anpassung an diese Lebensweise verspricht daher Gesundheit und seelische Reife Dem widerspricht Fromm vehement. Für ihn ist ungesund eine Gesellschaft, wenn sie zu gegenseitiger Feindseligkeit und zum Misstrauen führt, wenn sie den Menschen in ein Werkzeug verwandelt, das von anderen benutzt und ausgebeutet wird, wenn sie ihn seines Selbstgefühls beraubt und es ihm nur insoweit lässt, als er sich anderen unterwirft und zum Automaten wird.  Die grundsätzliche Problematik unserer westlichen Gesellschaft wurde anschließend weiter aufgearbeitet, vor allem durch die Vertreter der sogenannten Frankfurter Schule: Horkheimer und Adorno bis zu Weiss (*1972). Horkheimer hatte die Krisentendenz schon 1939 als strukturell gesehen, die bis ins Bürgertum hinein das Gefühl der sozialen Katastrophe erzeugt. Und Adorno stellte in einem Wiener Vortrag 1967 fest, dass die nach wie vor herrschende Konzentrationstendenz des Kapitals faschistische Tendenzen fördert. Sogar Schichten, die nach ihrem subjektiven Klassenbewusstsein eher bürgerlich sind, und alles hassen, was nach Sozialismus aussieht, werden permanent deklassiert. Trotz Vollbeschäftigung gehe auch dort das Gespenst der technologischen Arbeitslosigkeit um, sodass im Zeitalter der Automatisierung auch die Menschen, die im Produktionsprozess stehen, sich als potentiell überflüssig und damit arbeitslos fühlen.
Heute müssen wir daher feststellen, dass unsere Form der Demokratie ausgedient hat. Die Kluft zwischen arm und wohlhabend wächst seit Jahrzehnten jeden Tag und ebenso lange schon bestimmt die Wirtschaftslobby die Ziele der Politik. Das ‚Weiter so‘, womit sie noch immer eine Mehrheit der Wähler erreicht, die teils auch aus Mangel an politischem Wissen, teils auch aus Angst, ihren Wohlstand zu vermindern, lieber auf die Vergangenheit sieht, die ihnen das heutige Leben ermöglicht hat. Ein kleiner Vorgang aus 11/2025 ist ein gutes Beispiel. Der Verein Familienunternehmer, dessen Mitglieder vielleicht einige zehn Prozent der Millionärsfamilien sind, aber wohl mindestens fünfzig Prozent des gesamten Vermögens im Lande besitzen, hat nun der AfD, einer teilweise faschistischen Partei, Gesprächsbereitschaft angeboten. Das Ziel ist klar: Eine Partei im Wachsen wollen diese Kapitalmächtigen nicht meiden, um später vielleicht die eigenen Profitquellen nicht in Gefahr zu bringen. Besonders krass ist der Satz dazu, man wolle aber jede Zusammenarbeit mit Parteien ganz rechts und ganz links nach wie vor vermeiden. Es entlarvt den Verein, denn damit ganz konkret die Linke gemeint, immerhin die einzige der Volksparteien, deren Hauptziel gerade eine gerechtere Vermögensverteilung ist. Demokratie bezeichnet eine Gemeinschaft von Menschen, in der alle möglichst gleich in Freiheit und ihren Lebensbedürfnissen gemäß leben können. Diese ideale Gesellschaft gibt es nicht, doch kommt die Demokratie für die Mehrheit der Soziologen ihr am nächsten. Wir leben in einer solchen, doch machen die oben genannten Entwicklungen deutlich, dass unsere derzeitige Form der Demokratie nicht mehr trägt. Die Initiativen für eine gerechtere und zeitgemässe Demokratie sind zahlreich: Für die 1961 gegründete Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union ist die Einführung von mehr direkter Demokratie eines ihrer wichtigsten Ziele. Und 1971 gründete Joseph Beuys die Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung. Seit 1987 gibt es den Omnibus für direkte Demokratie. Der Verein Mehr Demokratie e.V. wurde 1988 gegründet. Von ihm gehen heute fast alle direktdemokratischen Initiativen und Kampagnen sowie die meisten Volksbegehren auf Länderebene aus, die plebiszitäre Instrumente stärken sollen.
Um den Grundgedanken für eine Herrschaft durch das Volk zu behalten, bieten sich nicht viele Alternativen an für ein die Politik der Gemeinschaft bestimmendes Gremium. Neben dem Rat der Erfahrenen, der wegen der Art der Auswahl der Verantwortlichen besonders kompliziert erscheint, wäre sicher der Zufallsrat ein wirkliches Bürgerparlament. Es eröffnet eine andere Möglichkeit, unsere Regierung demokratisch weiter zu entwickeln. Dieses System könnte vereinfacht so aussehen: Dazu werden aus vielleicht 5000 zufälllig ausgewählten Bürger*innen zwischen 18 und 85 Jahren, die Alters-, Geschlechts- und Berufsklassen entsprechend dem jeweiligen Bevölkerungsanteil repräsentieren. Die vielleicht 400 ausgesuchten und einverstandenen Parlamentarier*innen wählen nach intensiver Klausunr aus ihrer Mitte die Bürgerregierung. Die Mitglieder des Parlaments werden  auch nach ihrem Ausscheiden, gut bezahlt, müssen allerdings spätestens nach Annahme ihrer Wahl für ihre Amtszeit alles, was über das absolut Notwendige (Haus und Auto) hinausgeht, lebenslang aufzugeben, einschließlich aller Ämter und Posten in allen denkbaren Institutionen und Einrichtungen. Nach jeweils sechs Jahren werden 50 % nach dem gleichen Zufallsprinzip ersetzt. In dieser neuen Form der Demokratie würden die politischen die Parteien im Übrigen weiter bestehen, jedoch auf die Bundesländer beschränkt. Das erhält eine verstärkte Berücksichtigung regionaler und kommunaler Belange. Dieses bereits mehrfach erfolgreich erprobte Bürgerparlament haben Timo Rieg (2013) in  ‚Demokratie für Deutschland‘ und ebenso der belgische Historiker Van Reybrouck in seinem Buch (2016) ‚Gegen Wahlen, Warum Abstimmen nicht demokratisch ist‘ das Losverfahren mit überzeugenden Argumenten als Alternative beschrieben. Die Einführung einer neuen Form unserer Demokratie erfordert allerdings einen Bürgerentscheid, da das Grundgesetz dafür geändert werden muss. Auch wenn also ein Bürgerparlament derzeit von Politik wie Wirtschaft und leider auch vielen Bürgern (aus Mangel an Kenntnis) noch abgelehnt werden, würde es mit Sicherheit ein vielfaches Mehr an Demokratie und Gerechtigkeit ebenso wie eine bessere Kontrolle der ‚sozialen‘ Marktwirtschaft ermöglichen. Noch ist das Utopie. Doch auch die Demokratie war einst eine Utopie.

11.2025                   Globale Ungerechtigkeit angehen
Aus Anlass der im Herbst 2025 erstmals in Afrika stattgefundenen Konferenz der G20 (die Länder mit der höchsten Wirtschaftskraft) hat der veranstaltende Präsident Südafrikas den international sehr angesehensten Wirtschaftsexperten Prof. Joseph Stiglitz um einen Bericht gebeten. Der soll vor allem den Einfluss der weltweit immer größeren Ungleichheit der Lebensverhältnisse und dessen Einfluss auf die Klimakrise und die politische Entwicklung untersuchen und beurteilen. Das Ergebnis eines von ihm dazu vorgelegten Entwurfs ist die Erkenntnis, dass wirtschaftlicher Ungleichheit eine politische, arbeitsmäßige und gesundheitliche Ungleichheit folgt. Und die entwickelt sich aufgrund von fehlenden Eingriffen generationenübergreifend. Daher soll eine Organisation von Fachleuten Ideen und Lösungen finden, die ähnlich dem Weltklimarat für die unterschiedlichen Länder Lösungen aufzeigt, wobei Stiglitz diese wohl vor allem den Demokratien vorlegen will.

10.2025                 In Waffen zu investieren ist nicht nachhaltig
Europa muss Verteidigung draußen halten, wenn es um nachhaltige Finanzen geht. In der EU gibt es aber Bestrebungen zur Aufweichung der EU-Finanzregeln, um Verteidigung neben grünen oder sozialen Investitionen vermarkten zu können.  Doch durch ein eigenes Verteidigungslabel oder sogar durch die Öffnung der EU-Liste für gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten Waffen zu nachhaltigen Finanzierungen zu machen, ist unglaubhaft. Das entsprechende ESG-Label signalisiert nämlich, dass ein Fonds bestimmte ökologische, soziale und Governance-Standards erfüllt. Ob man höhere Militärausgaben unterstützt oder nicht – sie als nachhaltig einzustufen, würde die Glaubwürdigkeit des gesamten EU-Regelwerks für nachhaltige Finanzen untergraben, grüne Investitionen verdrängen, damit die Klimaziele gefährden und nicht zuletzt die ethischen Bedenken den Anlegern auferlegen 

 10.2025             Wieder ein Kippunkt überschritten
Eine 29köpfige internationale Arbeitsgruppe von Klimawissenschaftlern hatte 2009 das Prinzip der planetarischen Belastungsgrenzen für jede der neun Gebiete erarbeitet
Das in Klimafragen zu den führenden Forschungsinstitutionen zählende Potsdam Institut für Klimaforschung (PIK) hat vor wenigen Tagen seinen zweiten Bericht zum Zustand des Erdsystems veröffentlich. Es hatte 2023 zum letzten Mal umfassen den ‚Gesundheitszustand des Planeten‘ untersucht und festgestellt, dass bereits 6 der 9 Grenzen überschritten waren. Der aktuelle ‚Planetary Health Check‘ sieht mit der seit Beginn der Industrialisierung um 30-40 % gestiegenen Übersäuerung der Meere eine weitere Grenze gerissen. ‚Mehr als Drei Viertel der lebenswichtigen Erdsystem-Funktionen befinden sich nicht mehr im sicheren Bereich‘ Der Grund für die Übersäuerung sind die gestiegenen CO2-Werte in der Atmosphäre, vor allem durch das Verfeuern fossiler Rohstoffe. Das C02 löst sich im Meerwasser auf, führt zu seiner  Übersäuerung, was sich dort direkt und indirekt auf die Fauna und Flora der Fortpflanzungs- und Nahrungskette auswirkt. Der Druck wachse auf ein System, das für stabile Lebensbedingungen auf der Erde unabdingbar ist.
Der Bericht kommt zum Ergebnis, dass sich der Zustand unseres Planeten massiv verschlechtert und ohne eine politische Kertwende schon 2050 mehrere Prozesse die Schwelle zum Hochrisikobereich überschreiten. Es liege an uns, es zu verhindern