Reich und Arm, Sozial und Gerecht

Reich und Arm

10.07.2023          Armut und Reichtum bei uns
Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagt einmal wieder, dass in einem so wohlhabenden Land wie bei uns jede*r Siebte als arm anzusehen ist. Die staatlich Quelle Destatis stellt in ihrem Bericht aus 2022 „Monetäre Armut in Deutschland“ fest, dass dies für über zwölf Millionen Einwohner zutrifft
Etwa die Hälfte von ihnen waren sogar von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen. Es bedeutet, dass ihre Lebensbedingungen aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln deutlich eingeschränkt waren. „Die Betroffenen waren zum Beispiel nicht in der Lage, ihre Rechnungen für Miete, Hypotheken oder Versorgungsleistungen zu bezahlen, eine einwöchige Urlaubsreise zu finanzieren, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder einmal im Monat im Freundeskreis oder mit der Familie etwas essen oder trinken zu gehen“, so das Ergebnis der Untersuchung zum Thema Armut und soziale Ausgrenzung. Dem entspricht, dass nach der kürzlich veröffentlichten Studie „Does Inequality Matter?“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Deutschland zu den Ländern gehört, in denen besonders viele Menschen es besonders schwer haben, aus der Armut der eigenen Familie auszubrechen. Zusätzlich fand eine gemeinsame Analyse der OECD sowie der Bertelsmann Stiftung 2021 heraus: Die Mittelschicht in Deutschland bröckelt. „Das Risiko, aus der Mittelschicht abzusteigen, hat in den vergangenen Jahren vor allem in der unteren Mittelschicht zugenommen“, heißt es in der Analyse. Gefährdet seien all jene, die unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße ein verfügbares Einkommen zwischen 75 und 100 Prozent des mittleren Einkommens haben. Während 1995 noch 70 Prozent der Bevölkerung zu dieser Einkommensgruppe zählten, waren es 2018 nur noch 64 Prozent. Mit dem Abstieg aus dem Mittelstand in die untere dieser Einkommensschicht wächst das Risiko, von Armut bedroht zu sein oder gar bereits arm zu sein. Zwischen 2014 und 2017 rutschten 22 Prozent der 18- bis 64-Jährigen in die unteren Gehaltsregionen. Die Folgen für Valentina Consiglio, Mit-Autorin und Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung: „Wer in Deutschland einmal aus der Mittelschicht herausfällt, hat es heute deutlich schwerer, wieder aufzusteigen“.
Das Ergebnis ist eindeutig: Die Schere zwischen arm und reich klafft trotz ständig steigendem Bruttosozialprodukt immer weiter. Eine Folge ist, dass zehn Prozent von uns inzwischen über mehr als die Hälfte unseres Gesamtvermögens verfügen. Und noch etwas gibt zu denken: In Europa sind wir das Land mit dem höchsten Prozentsatz an Mindestlöhner*innen und weltweit das Land mit den meisten Milliardären im Verhältnis zur Zahl der Einwohner.
Das Alles ist unseren Regierenden bekannt, stört dort aber offenbar niemand. Stattdessen sollen ab und an kleine Zugaben, wie kleine HartzIV- Erleichterungen und eine Erhöhung des Kindergelds das Volk wohl bis zur nächsten Wahl beruhigen. Die Bürger allerdings, die etwas von Solidarität halten, sind damit ganz und gar nicht einverstanden. Warum werden bei uns nicht wie in vielen anderen Ländern alle Einkommen besteuert, zahlen alle in die gleiche Rentenkasse ein, werden die ungerechtfertigten Subventionen kontinuierlich heruntergefahren? Nur so würde Solidarität gestaltet. Wissenschaftler aller Richtungen sind sich im Übrigen einig in der Überzeugung, dass die zur Bewältigung der Klimakrise notwendige Transformation ohne eine gerechtere Einkommens- und Vermögensstruktur nicht zu erreichen ist.
Viele Bürger fordern inzwischen die Einführung dazu ein seinen Namen verdienendes Bürgergeld. Das steht jedem Bürger zu und wird mit seinem bisherigen Einkommen verrechnet, so dass die bestehende Vermögens- und Einkommensstruktur dadurch nicht wesentlich geändert wird. Es wäre für 15 Millionen unter uns das Ende eines Lebens von der Hand in den Mund, einem Schandfleck für unsere Republik. Seine Einführung erst einmal nur für Bürger, die bereits heute unter der Steuerpflichtgrenze liegen, wäre auch politisch ein wichtiges Signal, dass unser Staat der finanziell begründeten Ausgrenzung von Bürgern begegnen will.

25.05.2023          Böhmermann auf Seefahrt
Die TV-Show dieses Journalisten hatte ich mal gemieden, als er den von mir wirklich ungeliebten Erdogan einmal zu weit unterhalb der Gürtellinie angegangen war. Unsere Justiz hat ihn dankenswerterweise dafür zur Rechenschaft gezogen. Das ändert aber nichts daran, dass B. inzwischen zu unseren schärfsten Enthüllungsjournalisten zählt. So Ende Mai 2023 in seiner der Seefahrt gewidmeten wöchentlichen immer etwas funkyhaften Show. Wir erfuhren dort nämlich von einer Steuer, die auch politisch interessierten Bürgern wie mir bisher unbekannt war, die Tonnagesteuer. Sie gilt für Gewinne der Reedereien aus der Seeschiffart. Sie werden mit 1,15 % der transportierten Tonnage besteuert und ersetzt die mindestens 15 %, die für sonst überall in der Wirtschaft mit dem Umsatz erzielten Gewinn fällig sind. Mit dem Ergebnis, dass zum Beispiel für den Milliardär und größten deutschen Reeder, Kühne, dessen Reederei Hapag Lloyd für seinen Jahresgewinn 1922 von 17,5 Milliarden Euro statt 2,6 Milliarden (!) ganze 206 Millionen Euro gezahlt hat – kein Scherz, sondern Realität. Doch die deutschen Reeder managen noch mehr: Nur 16 % ihrer Schiffe fahren unter deutscher Flagge. Die übrigen 84 % fahren unter Billigflaggen von Ländern, vor allem Aruba und Liberia, wo anstelle der für Sicherheit und Mannschaft der Schiffe gültigen deutschen Vorschriften entsprechend minderwertige gelten. Und es ist nahezu tolldreist: So ist die zuständige Gesellschaft in Liberia ein privates US-Unternehmen, das sogar eigene für Prüfungen zuständige Büros in deutschen Küstenstädten unterhält – ich sehe keinen Unterschied zur Bananenrepublik. Den Schlusspunkt setzen dann usere Reeder, die sich in den deutschen Hafenstädten als ehrbare Kaufleute geben, wenn sie ihre unbrauchbare Schiffe an Händler verkaufen, die sie in Indien direkt am Strand unter menschenunwürdigen und umweltschädlich Bedingungen abwracken lassen. Die Reste unserer sozialen Marktwirtschaft vermindern sich weiter. Diese von Böhmermann wie immer sicher wieder sorgfältig recherchierte Story ist ein Armutszeugnis nicht nur für die Reeder sonder auch  für jede Regierung, die das schon seit 40 Jahren zulässt.

 30.01.2023          Enttäuscht – Kinderarmut bei uns
Gerade haben wir – wieder – erfahren müssen, dass noch immer ein Drittel bis ein Viertel aller Kinder bei uns armutsgefährdet sind. Das macht mich traurig. Diese Kinder werden überwiegend nicht die notwendige Allgemeinbildung erfahren, die ihnen hilft, die Welt zu erkennen, nicht die Ausbildung erhalten, die sie für eine gutbezahlte Arbeitsstelle qualifiziert, ihre Lebenszeit wird kürzer sein als unsere, sie können sich in ihrem Leben kaum Urlaubsfreuden leisten. Und genauso wird ihr Lebensabend aussehen; denn fürs Sparen bleibt nichts übrig, wenn man gerade so über die Runden kommt und ein nennenswertes Erbe kaum zu erwarten ist. Natürlich wissen wir, dass weltweit etwa 42 Millionen Kinder hungern und zum großen Teil sogar täglich im wahrsten Wortsinn von der Hand in den Mund leben. Dem gegenüber sind wir in einem der weltweit wohlhabensten Länder zu Hause, weisen bezeichnenderweise allerdings auch die höchste Prozentzahl an Niedriglöhnern in der gesamten EU auf. Die Mehrheit von uns kann sich sogar mit völlig überflüssigen Konsumgütern vollstopfen, unter ihnen die in Relation zur Einwohnerzahl meisten Milliardäre und Millionäre weltweit. Da also genug Geld vorhanden ist, bin ich enttäuscht, dass wir es dennoch nicht fertigbringen, allen Kindern bzw. deren Eltern ein menschwürdiges Leben zu finanzieren. Die Französische Revolution hat doch schon alles gesagt: Liberté, Egalité, Fraternité, (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit). Und unser Grundgesetz gibt es wörtlich vor: „Eigentum verpflichtet“. Das müsste doch jeder verstehen. Nur sollten wir als Demokraten auch danach handeln. Wo, wenn nicht hier, müssen wir ansetzen. Es ist schäbig und beschämend, dass wir, und das sind vor allem die dafür gewählten Politiker, nicht mit Hilfe der schon lange überfälligen gerechteren Besteuerung allen Kindern die gleichen Bildungschancen ermöglichen. Das wäre auch für deren Eltern und damit dem unteren Drittel von uns ein Schritt weg von der Existenzangst in ein selbstgestaltetes Leben. Dazu wiederum kann das unbedingte Bürgergeld beitragen, das schon Millionen Bürger und sogar eine der großen Parteien befürworten. Doch noch immer ist die Politik den Einflüssen von Wirtschaft und Gewerkschaften hörig, die auf noch höheren Gewinnen bzw. dem Erhalt ihrer Pfründen bestehen.

10.12.2022          Transformation für Benachteiligte
Kürzlich veröffentlichte ‚Das Progressive Zentrum‘, ein Berliner Thinktank, das Ergebnis seiner Studie ‚Die Übergangenen‘. Es wurde gewonnen aus 217 Interviews mit den unterschiedlichsten Menschen aus vier besonders strukturschwachen Regionen mit insgesamt 13 Millionen Einwohnern. Beeindruckend ist, dass diese Menschen die Notwendigkeit der großen Transformation sehr wohl sehen und akzeptieren. Sie machen sich aber erhebliche Sorgen, dass die Politik ihre bereits bestehende Benachteiligung dabei nicht berücksichtigt und diese sich dann eher noch verstärken wird. Am häufigsten werden dabei Alters- und Kinderarmut bis hin zur Schere zwischen Arm und Reich genannt. Für die Verfass*erinnen der Studie ist beeindruckend wie nahe dies mit den Sorgen um die Bewältigung der Klimakrise selbst als nächstgenannten Punkt zusammenhängt. Gefragt nach den Wünschen für ihre Region nennt die große Mehrheit der Befragten eine Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur, vom ÖPNV bis hin zu Schulen und Kultureinrichtungen. Das Klischee, Abgehängte wünschten sich kaum Veränderungen und eher die gute alte Zeit zurück, bestätigte sich nicht; die Interviewer*innen entdeckten dagegen einen fein justierten Kompass für soziale Gerechtigkeit. Sie zitieren dazu den Ortsvorsteher eines kleinen Dorfs im Brandenburgischen: Die Menschen haben hier so viel fundamentale Probleme, dass sie gar keine Kapazitäten haben, sich über große Transformationsfragen Gedanken zu machen – oder darüber, ob sie sich Solarzellen aufs Dach bauen. Auch wenn es dem einen oder anderen nicht ins Schema passt: Ein wirkliches Bürgergeld würde den meisten dieser Benachteiligten das Leben erleichtern.

22.7.2021   Lohnpolitik vom Feinsten
Gerade habe ich einen Mann (Familie mit zwei Kindern) getroffen, den ich im Gespräch nach seinem Beruf fragte. Als angelernter Arbeiter im technischen Bereich bei Siemens, war seine Antwort. Ein angesehenes Unternehmen und gut für einen sicheren Arbeitsplatz, betonte ich. Richtig sagte er, aber immer nur für ein Jahr und für 13,50 Euro die Stunde; dann muss ich mich erneut bewerben. Ist das denn nach Tarif bezahlt? fragte ich. Nein, war die Antwort, denn angestellt bin ich gar nicht bei Siemens sondern bei einer Zeitarbeitsfirma, die meines Wissens etwa 40 Euro für meine Arbeitsstunde von Siemens erhält.  Der seit fünf Jahren in Deutschland lebender und derzeit als Zeitarbeiter tätige Türke bestätigt, dass seine Arbeit schlecht bezahlt und noch anstrengender als seine frühere Akkordarbeit sei. Der Gund: Die Arbeiter machen sich selbst noch mehr Druck in der Hoffnung, dann eher übernommen zu werden. Wie ist das eigentlich mit unserer sozialen Marktwirtschaft vereinbar ?

12.12.2021          Verfassungswidriges Erbschaftsteuergesetz
Nach einer Untersuchung der NGO Finanzwende zahlten 2019 zahlten Erben und Beschenkte bei einem Volumen von über 20 Millionen Euro im Schnitt einen deutlich niedrigeren Steuersatz als Menschen, die geringere Vermögen erhielten. Die 127 größten Schenkungen mit einem Volumen von insgesamt 12 Milliarden Euro wurden mit weniger als einem Prozent besteuert, während bei vielen kleineren Erbschaften ein Satz von 30 Prozent anfiel. Diese Ungerechtigkeiten haben oberste Gerichte wiederholt als verfassungswidrig erklärt. In einem Urteil aus dem Jahr 2006 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das damalige Erbschaftsteuergesetz gleichheits- und damit verfassungswidrig war. Ein wesentlicher Grund dafür war die 1992 eingeführte, vom aktuellen Wert abweichende Bewertung von Betriebsvermögen. Nach einer Reform wurden Betriebsvermögen zwar nach ihrem aktuellen Wert bewertet, zugleich wurde aber ein unbegrenzter Verschonungsabschlag eingeführt. Dieser sorgte dafür, dass Betriebsvermögen komplett steuerfrei bleiben, wenn die Summe der Löhne in den folgenden sieben Jahren etwa konstant gehalten wurde. Nach einer erneuten Ermahnung durch das Bundesverfassungsgerichts 1914 erfolgte 2016 wurde zwar eine Obergrenze von 90 Millionen Euro für die steuerliche Begünstigung eingeführt, es gab aber wieder mehrere Ausnahmen und Erleichterungen, inklusive einer kompletten Ausnahme dieser Obergrenze unter bestimmten Umständen. Der Bundesfinanzhof entschied dann 1917, dass die Sicht von Finanzämtern nicht richtig sei, den Besitz von Wohnimmobilien ab einem Bestand von 300 Wohnungen pauschal als Betriebsvermögen zu klassifizieren. Diese Regelung führt nämlich unter anderem dazu, dass auf das Erbe eines Mietshauses mit fünf Wohnungen Steuern gezahlt werden müssen. Erbt jemand aber 3.000 Wohnungen, dann gilt das als “Wohnungsunternehmen” und es werden keine Steuern fällig. Das kann nicht grundgesetzkonform sein.

27.6.2021        Die Kluft wächst weiter
Die Zahl der Dollar-Millionäre weltweit hat auch im Jahr der Corona-Krise noch schneller zugelegt. Allein das Vermögen von Bezos, dem reichsten Mann der Welt, stieg von 180 auf 190 Mrd. Dollar. Er läßt sich gerade für 500 Mio eine Yacht bauen. Die Zahl der Milliardäre stieg weltweit um fast 25 % auf jetzt 2755, ihr Vermögen beträgt jetzt über 13 Billi0nen (13 x 1000 Mrd.). diese Entwicklung macht auch vor unserer Republik nicht halt, auch wenn wir die wachsende Kluft zwischen den mehr und den weniger Wohlhabenden nur abgeschwächt wahrnehmen. Sehe ich mir das bisherige Wahlverhalten der Deutschen an, dann bin ich aber doch erstaunt, wenn ich aus einer von der renommierten Oxfam durchgeführten Befragung entnehme, dass ganze 13 % glauben, bei uns seien Einkommen und Vermögen gerecht verteilt. Dagegen hält die Mehrheit die ‘Wirtschaft in Deutschland für sozial und wirtschaftlich ungerecht’. Ebenfalls eine Mehrheit ist der Meinung, dass kleine Verbesserungen nicht ausreichen, um an dieser Situation etwas zu ändern. Für etwa jeweils drei Viertel der Befragten üben große Unternehmen zu viel Einfluss auf die Politik aus, der begrenzt und deren Umweltmaßnahmen  stärker  reguliert werden müssten.

30.4.2021          Angst um Privilegien
In Deutschland gelten derzeit 16 Millionen Menschen (20 %) als von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Es gibt knapp 4 Millionen Hartz-IV Empfänger und 7,7 Millionen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, wobei Millionen kleiner Freiberufler, Künstler und Kleinhandwerker nicht eingerechnet sind. Und doch gibt es Politiker, die eine aus Klimagründen geforderte Verteuerung von Flugreisen, zum Beispiel durch die schon lange überfällige Einführung einer Kerosinsteuer, ablehnen, weil dadurch die wohlverdienten Urlaube vieler Menschen unzumutbar belastet würden. Angesichts dessen, dass Urlaubmachen an sich schon für ein Drittel unserer Bevölkerung finanzielle Überlastung bedeutet, ein Zynismus, der einem Volksvertreter die Schamröte ins Gesicht treiben müsste!