Israel und Palästina
12.03.2024 Dürfen wir Israel kritisieren
Diese für den deutschen Mainstream provokante und für viele Politiker wie den aggressiven Frankfurter CDU-Politiker Becker sicher unverschämte Frage stellt nicht nur der Historiker und Vorurteilsforscher Wolfgang Benz, sondern auch viele renommierte jüdische Wissenschaftler*innen und Autor*innen wie Eva Menasse, Deborah Feldmann und Susan Neimann, letzere immerhin nach Yale und Tel Aviv seit zwanzig Jahren Direktorin des Einstein Forums in Potsdam. Sie alle stellen fest, dass Deutschland seine Nazi-Vergangenheit zwar aufgearbeitet hat, aber in den letzten Jahren eine Art Hysterie entwickelt hat, die jede Kritik an Israel als Antisemitismus brandmarkt. Die Ansicht, dass die Organisation DBS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) antisemitische Thesen vertrete, sei dafür ein Beispiel von vielen. Denn diese richtet sich keineswegs gegen den Staat Israel, sondern gegen eine israelische Regierung, die mit viel Dreck am eigenen Stecken lebt und zweifellos seit Jahrzehnten gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte verstößt. Ihre massiver Unterdrückumg der Palästinenser zeigt, dass die dortige Regierung vielleicht mit Ungarn, ihr radikaler Flügel aber nur noch mit dem KuKlux Clan oder der Hamas vergleichbar ist. Die genannten Wiessenschaftler können daher das Verhalten der Mehrzahl der deutschen Politiker aber auch der Medien nicht nachvollziehen, die das negieren und sich auf mögliche antisemitische Vorfälle fokussieren. So sehen sie sich weniger als Betroffene, sondern in der Tradition von Moses Mendelsohn, Albert Einstein, Karl Marx und Hannah Arendt. Die beziehen sich nicht auf jüdisches Leid, sondern auch auf das Leid der Anderen. So wie es die Bibel vorschreibt – und achten die Rechte anderer, auch wenn sie Palästinenser sind. Die Meinung, alle Juden seien Betroffene, entstehe nur aus einem Mangel an Kenntnis der jüdischen Geschichte. Sie verdienen unsere Hochachtung und sprechen mir aus der Seele. Übrigens ist festzuhalten, dass nach der Polizeistatistik über 90 % der antisemitischen Straftaten von weißen, rechten Deutschen begangen werden und nicht von den Linken, die Israel kritisieren.
1.10.2023 Israelkrieg – Die Katastrophe und das Muss des Friedens
Auch wenn es uns das Zugeständnis schwerfällt. Dieser unmenschliche Krieg mit all seinen Opfern ist ein Ergebnis jahrzehntelanger Versäumnisse. Für sie tragen Israel ebenso wie die Palästinenser, religiöse Fanatiker weltweit, aber auch unser sogenannter Westen Verantwortung. Auch wer hier mit Recht eine Hamas als terroristische Bewegung sieht, deren einziges Ziel die Vernichtung des Staates Israel ist, muss erkennen, dass der Hamas mit Sicherheit bewusst war, mit dem Überfall dieses Ziel niemals gegen einen derart aufgerüsteten Staat wie Israel zu erreichen. Warum also dieser brutale vor nichts zurückschreckende Angriff auf friedliche Bürger eines Nachbarlands. Für mich als Beobachter, der die Entwicklung dort seit Jahrzehnten verfolgt, gibt es nur eine Erklärung dafür. Es waren selbsternannte Selbstmörder, für ein verzweifelten Volk handeln wollten, hervorgerufen durch eine jahrzehntelange Knechtschaft eines mächtigen Nachbarlandes, aus der es sich ohne jede Hoffnung – sogar mit der Aussicht auf noch mehr Unterdrückung – nicht selbst würde befreien können. Denn sie hatten nur schwache, der mächtige Nachbar dagegen viele Unterstützer, die sich dessen auch bewusst waren, aber aus den verschiedensten Gründen einfach nur zusahen, weil es auch die einfachste Lösung schien.
Viele Menschen haben diese Situation seit langem gesehen und kritisiert, einschließlich zahlreicher angesehener Juden auch aus Israel. Sie haben sich auch jetzt zu Wort gemeldet. So beginnt der Philosoph und bekannteste Denker Sloweniens Slavoj Zizek mit den unvereinbaren Behauptungen beider aus der jeweiligen Religion entstandenen Ideologien. Während die Hamas-Führung das ganze Land einschließlich Jerusalem allein für die Palästinenser reklamiere, beanspruche die israelische Regierung für das jüdische Volk das exklusive und unveräußerliche Recht auf alle Teile des Landes. Wie erschreckend die darauf aufbauenden Folgerungen für beide Seiten sind, bewiesen dann Äußerungen von Extremisten beider Lager, diese Forderungen auch mit Gewalt gegen Leben durchsetzen zu wollen. Für Zizek wird es daher keinen Frieden ohne die Lösung der Palästinenserfrage geben, und die nur ohne irgendwelche Kompromisse. Und Israel muss sich dazu bewegen. Michael Benyaire, ehemaliger Richter am obersten Gericht in Jerusalem hat gerade vor einem Jahr gesagt: ‚Ein Israel, das zwischen Jordan und Mittelmeer Millionen Palästinensern zivile und politische Rechte vorenthält, das ist israelische Apartheit.‘ Ähnlich sieht es der in den USA lehrende Historiker Omer Bartov, der Mitverfasser einer in diesem Jahr verfassten israelkritischen Petition war, die von über 2.900 meist jüdischen und israelischen Wissenschaftlern unterzeichnet wurde. Dort heißt es unter anderem, dass es „für die Juden in Israel keine Demokratie geben kann, solange Palästinenser unter einem Apartheidregime leben, wie es auch israelische Juden charakterisiert haben“. Bartov liegt sicher auch richtig mit seiner Analyse, dass Israel überzeugt war, die palästinensische Frage managen zu können – durch gelegentliche Bombenangriffe auf Gazaland und die Aufteilung des besetzten Jordanlands in isolierte Gemeinden unter einem System von Kontrollpunkten und Überwachung – begleitet von Friedensabkommen mit arabischen Golfstaaten und der Aufrechterhaltung der Rhetorik gegen den Iran, alles in der Erwartung, dass Palästina damit aus dem Blickfeld der Weltöffentlichkeit rücken würde.
Das vollständige Negieren der von jeder Empathie freien Palästinapolitik der israelischen Regierung wurde leider gleichzeitig vor allem bei uns zu einer Art Mainstream, wo jede Kritik an Israel als Antisemitismus diffamiert wird. Das stellt auch die renommierte jüdische Professorin Susanne Neimann fest, seit zwanzig Jahren Direktorin des Einstein Forums in Potsdam. In einem kürzlichen Interview hält sie die Regierung Israels vielleicht mit Ungarn vergleichbar, ihren radikalen Flügel aber nur noch mit dem KuKlux Clan. Sie kann daher das Verhalten der Mehrzahl der deutschen Politiker aber auch der Medien nicht nachvollziehen, die das negieren und sich auf mögliche antisemitische Vorfälle fokussieren. Sie stellt fest, dass nach der Polizeistatistik über 90 % der antisemitischen Straftaten von weißen rechten Deutschen begangen werden und nicht von Linken, die Israel kritisieren. Meine Erfahrungen bestätigen das. Ob Menschen, die zum Boykott von Waren aufrufen, die von israelischen Siedlern auf Palästinenserland angebaut werden. Ob renommierte Menschenrechtsorganisationen wie Greenpeace und Human Rights Watch (HRW) zur Beendigung der Apartheit aufrufen. All diese Kritik an einer Regierung und nicht gegen ein Volk, erst recht nicht gegen einen Glauben gerichtet, wird bei uns als antisemitisches Verhalten bewertet, zumindest von den meisten Politikern und vielen Medien. Ein Uwe Becker, Vorsitzender der CDU Frankfurt, der es in Hessen zum Landesbeauftragten gegen Antisemitismus gebracht hat, ist dafür ein gutes Beispiel, weil er seit mehr als zehn Jahren sozusagen am Fließband die meist schwachsinnigen Anlässe dafür sucht. Und noch etwas fällt auf. Die Mehrzahl der Juden bei uns sind deutsche Staatsbürger. Doch ihre Repräsentanten halten sich auffallend zurück mit objektiven Stellungnahmen zur Politik der israelischen Regierung. So bleibt es wohl noch immer bei dem schon einige Jahre alten Beispiel eines Daniel Neumann, Direktor des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen: ‘Als Privatperson und Jude habe ich natürlich eine Meinung. Die lautet: Unbedingte Solidarität und Verteidigungsbereitschaft für Israel, ganz egal, wer da gerade führender Politiker ist. Wir Juden in Deutschland betrachten Israel nach wie vor als unseren Zufluchtsort.‘
Die Menschen jüdischen Glaubens sind seit Jahrhunderten ein nicht wegzudenkender Bestandteil der westlichen Kulturentwicklung. Ich behaupte sogar, dass sie vielleicht mehr als jede andere Bevölkerungsgruppe im Verhältnis zu ihrer Anzahl bisher und noch immer hervorragende Denker, Dichter und Wissenschaftler besitzen. Dieses Volk hat es verdient, das Land zu behalten, das sie besetzt haben, wie es ja schon hunderte anderer Völker vor ihnen taten, doch sie müssen die Rechte der dortigen indigen Bevölkerung ebenso wie die eigenen Interessen wahren. Sehen wir daher in die Zukunft. Der schon zitierte Benyaire hat vorgeschlagen: ‚Ein Abzug der Israelis aus den besetzten Gebieten und die Gründung eines palästinensischen Staates. Dies würde eine faire Teilung des Landes zwischen indigenen Palästinensern und dem so lange verfolgten jüdischen Volk und eine nachhaltige Lösung des Konflikts mit dem Ende der Apartheit bedeuten.‘
Vernünftige israelische und palästinensische Politiker, und die gibt es zur Genüge, sollten dazu eine Regierung des Übergangs bilden und mit der UN zusammen einen Plan ausarbeiten. Die derzeitige Regierung ist dazu nicht fähig. Meine Zeitung titelt ‚Netanjahu ist angezählt‘. Nein! Sage ich. Dieser Präsident ist schon jetzt erledigt. Der Wind, den er gesät hat, ist zum Sturm geworden und wird ihn zum Fallobst der Geschichte machen. Als Grundlage der Neuordnung können die UN-Resolutionen der UN als dem wichtigsten Akteur dienen, die bis ins Jahr 1974 zurückreichen und schon dort zur „friedlichen Lösung der Palästinafrage“, aufrufen. Die jüngste dieser Resolutionen vom November 2015 wurde immerhin mit 155 Stimmen, sieben Gegenstimmen und sieben Enthaltungen verabschiedet. Darin ist u. a. von „zwei Staaten, Israel und Palästina, Seite an Seite innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen“ die Rede. Es wird eine lange und sehr schwierige Entwicklung werden und nur gelingen, wenn die betroffenen Beteiligten den für beide Völker wirklichen Frieden wollen. Wir wünschen ihnen das Gelingen von ganzem Herzen.
21.05.2023 Israel und Palästinaland
Amnesty International, immerhin ein der renommiertesten NGOs (Nichtregierungs-Organisationen) hatte 2021 Kritik geübt an der Vermittlung von Ferienwohnungen auf von Israel besetzten palästinensischem Land. Das verletze die Menschenrechte der Palästinenser. Dasselbe gelte für die Vertreibung von weiteren tausenden Palästinensern aus ihren Behausungen durch die israelische Armee, um Platz für jüdische Siedler zu schaffen. Der ehemalige Frankfurter Bürgermeister und Kirchendezernent Becker, jetzt Vorsitzender der Frankfurter CDU, hat Kritikern wie Amnesty darauf vorgeworfen, die Vertreibung von Juden zu wollen und damit zu ethnischen Säuberungen aufzurufen. Für diese völlig abwegige Interpretation sollte sich ein Politiker in Verantwortung schämen. Herr Becker ist allerdings bisher auch weniger durch seine politische Arbeit als durch ähnliche Statements wie diesem aufgefallen. Und er hat noch immer nicht den Unterschied erkannt zwischen Maßnahmen der israelischen Regierung, die Menschenrechte Anderer seit Jahrzehnten grob missachtet, und dem Judentum, das nicht nur bei uns seinen festen und geachteten Platz innerhalb der Religionen hat. Vielleicht ist diesem Politiker im Drang zur Profilierung auch entgangen, dass nicht nur die Vereinten Nationen, sondern auch der oberste israelische Gerichtshof bereits mehrfach bestätigt haben, dass es sich hier um besetzte Gebiete handelt. Auch die Tatsache, dass eine Vielzahl politisch denkender Menschen aller Berufe in Israel wie hier bei uns das ähnlich sehen, sollte ihn veranlassen, sachlich zu denken.
10.10.2023 Israel Krieg kurz
Der auch als Moderator und Blogger mit eigener Webseite bekannt gewordene Journalist Malcom Ohanwe hatte sofort nach dem Einfall der Hamas in Israel wohl bei Twitter dazu Stellung genommen und sich für seine Kommentare dazu auch erheblichen Widerspruch aus diversen Institutionen und der Politik eingehandelt. Klar ist: Dieser ruchlose Terrorakt gegen friedliche Bürger ist unmenschlich. Ich selbst gebe der unfähigen bis korrupten Regierung Israels, dessen Zusammensetzung leider auch ihren Wählern zu verdanken ist, eine erhebliche Mitschuld an diesem Terrorakt. Daher habe ich das Bedürfnis, meine Sicht auf das Debakel auszudrücken, was ich mit meiner folgenden Mail getan habe.
„Hallo Malcolm,
BR/Arte haben die Zusammenarbeit mit dir aufgekündigt, weil du den brutalen Einfall von palästinensischen Terroristen am 8.10.2032 mit den Worten kommentiert hast, dass man mit abgeschnittener Zunge nicht reden kann.
Ich möchte daraus eine Geschichte machen: ‚Ein Mann hat einen einzigen Gegenüber, der ihn samt Familie seit langer Zeit so geknechtet und gefangen gehalten hat, dass er nicht nur einmal schon an Selbstmord dachte. Seine Einwände und Klagen hat sein Gegenüber schließlich abgetan, indem er der ganzen Familie einfach die Zungen abschnitt. Eines Tages geht der Mann hin, prügelt diesen Gegenüber windelweich. und schlägt seine Familie tot.‘
Auch bittere Wahrheiten darf man nicht verschweigen Gruß Hans-Jürgen
17.06.2023 BDS und Israel Am 15.6. habe ich eine von der Stadt Frankfurt organisierte Diskussionsveranstaltung besucht, die einen Vortrag des Buchautors Axel Feuerherdt mit dem Titel ‚Die Israel-Boykottbewegung Alter Hass im neuen Gewand‘ zum Inhalt hatte. Anschließend habe ich in per Email der einladenden Bürgermeisterin meine Eindrücke geschildert: Sehr geehrte Frau Dr. Eskandari-Grünberg, an der Veranstaltung am 15.6. habe ich teilgenommen und möchte Ihnen meine dort gewonnenen Eindrücke nicht vorenthalten. Schließlich war sie doch als Informations- und Diskussionsplattform für uns Bürger vorgesehen. Nach etwa 20 Minuten Gruß-, Einführungs- und Dankesreden von Ihnen, dem Leiter einer Arbeitsgruppe am Siegmund-Freud Institut und dem Referenten trug dieser ca. 45 Minuten wohl den Inhalt seines Buches vor. Die vielen sehr beredt angeführten Beispiele sollten aufzeigen, dass der BDS letztlich die Auslöschung des Staates Israel zum Ziel hat. Als Nichtfachmann habe ich die Argumente erstmal hingenommen, auch wenn sie mir zu oft eher gegen den Staat bzw. die Regierung Israels gerichtet oder als Ganzes zweifelhaft erschienen; so die Diskussion über das Plakat einer indonesischen Künstlergruppe auf der letzten Documenta, die ich selbst verfolgt habe. Nach weiteren 10 Minuten Danksagungen an den Referenten begann die Diskussion: Die ersten beiden Wortmeldungen betrafen ein Gerichtsurteil und seine Behandlung durch die Stadt, die ausführlich beantwortet wurden, gefolgt von einem weiteren Dank aus dem Publikum, augenscheinlich aus Ihrer Entourage. Die nächste längere Wortmeldung war wohl auch vom Referenten nicht zu verstehen. Dann wurde das vorgehaltene Mikrofon mir nach dem ersten Satz wieder entzogen: Es sei leider keine Zeit mehr für längere Ausführungen. Ohne Meldung stand dann plötzlich eine ältere Dame auf, verbat sich, dass man sie zu sprechen hindern wollte und äußerte lautstark ihren Frust über diese Veranstaltung. Die drei abschließenden Danksagungen endeten mit dem Hinweis, dass man wegen der Gefährlichkeit der BDS die Hintertür nutzen könne, man habe aber auch die Polizei verständigt. Als ich durch die Haupttür hinaus ging, wurde ich von drei Polizisten in voller Montur freundlich gegrüßt. In einer Ecke am unteren Ende der Treppe kauerte wortlos eine kleine Gruppe sehr junger Leute mit einem kleinen Schild ‘free Palestine’. Dieser Abend war eine interessante Erfahrung und zugleich ein Lehrstück über schlechte Organisation und zu grobe Einseitigkeit bei der Behandlung eines wichtigen Themas. Um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln, was ich selbst zum Thema beitragen wollte, füge ich meinen für diesen Abend vorgesehenen Wortbeitrag (ca. 4 Minuten Redezeit) bei: “Ich bin Hans-Jürgen Gratz, Eigenkennzeichnung: Gereift und mit großem politischen Interesse. Schwergewicht Frieden und Gerechtigkeit. Vorab: Antisemitismus wie Rassismus in jeder Form sind für mich asoziale Formen des menschlichen Zusammenlebens, die mehr oder weniger dazu dienen, von den eigenen Problemen abzulenken Ich bin daher froh, wenn ich lese, dass es weltweit kaum ein Land gäbe, dessen Bürger seine unselige kürzliche Vergangenheit bewußter aufgearbeitet hätten als wir in Deutschland. Zwei Bemerkungen zum heutigen Thema: Einmal: Da ich hier lebe, stehe ich seit der Diskussion um das berühmte Grass-Gedicht hinter einem Anliegen, das sich weder gegen Juden noch gegen das Land Israel richtet, sondern gegen eine Regierung, die zwar noch eine demokratische Grundstruktur hat, aber zweifellos seit Jahrzehnten gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte verstößt. Ich bin kein Mitglied des BDS, kenne niemand von dort und weiß nicht einmal, ob und wenn ja sie organisiert ist. Aber ich finde es richtig, wenn er mit bescheidenen Mitteln zumindest Transparenz schafft, um den erfolgreichen Versuchen dieser israelischen Regierung zu begegnen, jede Kritik an ihrem unmenschlichen Handeln als antisemitisch darzustellen. Wenn Human Rights Watch und sogar Amnesty International als höchstangesehene Organisationen für Menschenrechte ein Regierungshandeln so schlecht beurteilen und öffentlich machen, ist Bürgerprotest angesichts fehlender Regierungsinitiativen nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig. Veranstaltungen zum Thema und Aufruf zum Boykott von Waren aus der von der israelischen Regierung genehmigten Besetzung von Palästinenserland sind wenn auch kleine Mittel dazu. Bestärkt werde ich durch die Kritik vieler angesehener Juden an der Politik ihrer Regierung gegenüber den Palästinensern, wie übrigens – zumindest rhetorisch – alle Regierungen der demokratischen Staaten. So sieht der renommierte Soziologe und Autor Natan Snaizer (Fluchtpunkte der Erinnerung) das Problem BDS doch sehr entspannt (Interview der FR 22.11.2022). Insbesondere Juden müssten erkennen, dass viele Angehörige ihrer Kulturelite kein Problem mit den BDS-Positionen sehen und sich sogar mit ihren Zielen identifizieren. Er plädiert daher für mehr Ehrlichkeit. Zum Zweiten: Für mich wäre es daher korrekt, wenn auch die Repräsentanten der Deutschen jüdischen Glaubens Unrecht beim Namen nennen. Darüber kann ich leider nirgendwo etwas finden. Eher das Gegenteil. Ich zitiere: „Wir haben als Landesverband der jüdischen Gemeinden keine offizielle Position. Aber als Privatmann und Jude habe ich natürlich eine Meinung. Die lautet: Unbedingte Solidarität und Verteidigungsbereitschaft für Israel, ganz egal, wer da gerade führender Politiker ist. Wir Juden in Deutschland betrachten Israel nach wie vor als unseren Zufluchtsort.“ (Herr Neumann, Direktor der jüdischen Gemeinden in Hessen, im Interview der FR Juli 2020). Uri Avnery (1923 – 2018), einer der aktivsten jüdischen Friedensaktivisten, warf übrigens 2002 in einem Interview dem Zentralrat der Juden in Deutschland vor, er „scheine nur ein Propagandainstrument der (damaligen israelischen) Regierung Scharon zu sein“. Wer also generell das oben beschriebene Anliegen der BDS als Antisemitismus bezeichnet, lügt. Er handelt auch dümmlich, wenn er Menschen, die Gerechtigkeit wollen, als dem Antisemitismus Vorschub leistend kennzeichnet, und sie sogar dort einordnet.” Mit freundlichen Grüßen Hans-Jürgen Gratz
12.07.2022 Folgen des Antisemitismus-Hype
Auch unserer Regierung ist dieser Hype bekannt, aber sie bleibt Leisetreter, um nicht ebenfalls in die Kritik der politisch mächtigen Vertreter dieser Schimäre zu geraten. Daher haben bei uns Kritiker der israelischen Regierung schlechte Karten. So auch BDS. Dass hat jetzt ausgerechnet die Bürgermeisterin der Grünen einer Großstadt wie Frankfurt Eskandari-Grünberg bewiesen mit ihrer Forderung an die Kultureinrichtungen, der BDS keine Bühne zu geben und mit der Bemerkung ‚Wer BDS einlädt, erhält Antisemitismus‘. Sie tritt damit in die sowieso schon zu kleinen Fußstapfen ihres Vorgängers Becker (CDU), der seit Jahren diesen Hype befördert. Dabei verfolgt BDS mit seinen bescheidenen Mitteln ein zutiefst richtiges Anliegen, nämlich eine Regierung anzuprangern, die den Palästinensern seit fünfzig Jahren die Menschenrechte vorenthält, und mehr Transparenz zu schaffen, um den ziemlich erfolgreichen Vorgehen der israelischen Regierung zu begegnen, jede Kritik an ihrem unmenschlichen Handeln als antisemitisch darzustellen. Das hat mit dem israelischen Volk und mit Antisemitismus nichts zu tun. Es ist doch Tatsache, dass nicht nur Amnesty International, sondern auch viele angesehene Israelis die Politik ihrer Regierung gegenüber den Palästinensern kritisieren, wie übrigens zumindest rhetorisch fast alle Regierungen der westlichen Staaten, leider auch die unsrige.
Und hier noch ein Beispiel für den Hype sogar im Kunstbereich: So bezweifeln (Beitrag von Lisa Berends FR vom 10.07.2022 zum ‚People‘s Justice‘ Kunstprojekt auf der Documenta 2022) die beiden von ihr herangezogenen Südostasien-Expertinnen ganz einfach, dass in dem 20 Jahre zuvor entstandenen Kunstwerk des Taring-Padi-Kollektivs eine absichtliche Hass-Botschaft stecke.‘ Und Farid Rankun, Gastdozent für Architektur an der Universität Indonesia, und Mitglied des indonesischen Künstlerkollektivs Ruangrupa, kommentierte in einem Interview (Frankfurter Rundschau vom 6.9.22): „Als Tarin Padis ‚People’s Justice‘ in den Fokus geriet, da hätten wir über die problematischen Motive diskutieren müssen. Wie kamen sie auf dieses Banner? Wir würden diese Diskussion sehr gerne noch immer führen, aber leider ist da im Rahmen der Documenta nicht mehr möglich „…….“Als Taring Padi wegen des Bildes ‚All Mining is dangerous‘ der Vorwurf des Antisemitismus gemacht wurde, da hätte man verschiedene Dinge beachten müssen. Unter anderem die Herkunft von Motiven, u. a. aus dem Wayang, dem traditionellen indonesichen Puppenspiel. Ohne uns zu fragen, ohne mit uns zu sprechen,…….“
08.02.2022 Wer ist und was will BDS
Diese transnationale politische Kampagne will den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren, soweit er die Palästinenser unterdrückt. Umstritten und ohne Kenntnis des Inhalts hat der Bundestag 2019 allerdings mehrheitlich den Beschluss gefasst‚ der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen. Zum Glück haben wir eine gute Justiz und das Bundesverwaltungsgericht (BGH) bestätigte im Januar 2022, dass in städtischen Räumen über BDS diskutiert werden darf. Das generelle Raumverbot sei „nicht meinungsneutral“, sondern auf der Basis einer negativen Bewertung erfolgt. Ein Urteil, das Klarheit schaffte. Denn BDS richtet sich gegen eine korrupte und machtgeile Regierung, die mit Recht weltweit in der Kritik steht, weil sie seit zig Jahren die Palästinenser massiv unterdrückt wie Human Rhigts Watch und Amnesty International öffentlich gemacht und dabei sogar von Apartheit gesprochen haben. Ein gutes Beispiel dafür neben vielen anderen ist ein israelisches Gesetz, das die Rückforderung von jüdischem Grundbesitz in Ost-Jerusalem aus der Zeit vor Israels Staatsgründung erlaubt, Gleiches aber palästinensischen Alteigentümern in West-Jerusalem verwehrt. Bürgerprotest ist daher angesichts fehlender Regierungsinitiativen sogar notwendig. Veranstaltungen zum Thema und Aufruf zum Boykott von Waren aus der von der israelischen Regierung genehmigten Besetzung von Palästinenserland sind wenn auch kleine Mittel dazu. Das hat mit dem israelischen Volk und ebenso wenig wie mit unseren jüdischen Mitbürgern zu tun. Es ist doch Tatsache, dass auch sehr viele angesehene Israelis die Politik ihrer Regierung gegenüber den Palästinensern kritisieren, wie übrigens – zumeist nur rhetorisch – fast alle Regierungen der westlichen Staaten, sogar unsere. Und es schiene mir angemessen, dass sich auch die Repräsentanten der Deutschen jüdischen Glaubens dazu äußern und sich vielleicht sogar für die weltweit gewünschte und völkerrechtlich anerkannte Zwei-Staaten Lösung einsetzen. Darüber kann ich leider nirgendwo etwas finden. Eher das Gegenteil. ‘Wir haben als Landesverband der jüdischen Gemeinden keine offizielle Position. Aber als Privatmann und Jude habe ich natürlich eine Meinung. Die lautet: Unbedingte Solidarität und Verteidigungsbereitschaft für Israel, ganz egal, wer da gerade führender Politiker ist. ‘ (Zitat Herr Neumann, Direktor der jüdischen Gemeinden in Hessen, im Interview der FR Juli 2020).